VwGH 2006/18/0226

VwGH2006/18/02265.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des Z A in P, (geboren 1963), vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Juni 2006, Zl. St-209/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §25;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
AuslBG §25;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §33;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, aus Österreich ausgewiesen.

Nach den Feststellungen im Bescheid der Erstbehörde sei der Beschwerdeführer am 30. Jänner 2002 illegal in einem Kleinbus unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitz eines für die Einreise nach Österreich erforderlichen Reisepasses und Visums zu sein nach Österreich eingereist. Am 31. Jänner 2002 habe er beim Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 24. April 2002 sei der Antrag abgewiesen worden. Die dagegen eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Juli 2002 ebenfalls abgewiesen und rechtskräftig festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinn der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sei. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. November 2004 abgelehnt. Nach diesem Ablehnungsbeschluss habe der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12. April 2005 bei der Erstbehörde einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Neiderlassungsbewilligung gestellt. Dieser Antrag sei von der Erstbehörde mit Bescheid vom 13. Juni 2005 abgewiesen worden. Ferner habe der Beschwerdeführer am 6. April 2005 beim Bundesasylamt, Außenstelle EAST-West, einen neuerlichen Asylantrag gestellt, dieser sei in der Folge wieder zurückgezogen worden und das Verfahren am 12. April 2005 gegenstandslos geworden. Das vorläufige Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers in Österreich nach dem AsylG 1997 habe mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 2004 geendet. Der Beschwerdeführer halte sich nunmehr im Bundesgebiet auf, ohne im Besitz einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung zu sein, sein Aufenthalt sei rechtswidrig.

In seiner auf Aufforderung erstatteten Stellungnahme gegenüber der Erstbehörde vom 25. Mai 2005 habe der Beschwerdeführer eingehend dargestellt, dass er für eine Ehefrau und fünf minderjährige Kinder sorgepflichtig wäre. Seinen unterdessen abgelehnten Asylantrag hätte er mit der katastrophalen wirtschaftlichen Lage in seiner Heimat Kosovo begründet. Der Beschwerdeführer hätte im Verfahren zur Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung beantragt, unter Heranziehung eines länderkundigen Sachverständigen für den Kosovo, zu ermitteln, in welche konkrete Lebenssituation der Beschwerdeführer und seine Angehörigen geraten würden, müssten sie in den Kosovo zurückkehren.

Auch in seiner Berufung gegen den Erstbescheid habe der Beschwerdeführer insbesondere (ausführlich) vorgebracht, dass seiner Ansicht nach für ihn eine Gefährdungssituation iSd § 57 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, im Kosovo gegeben wäre.

Wie erwähnt habe das vorläufige Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers in Österreich mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 2004 geendet; seit diesem Zeitpunkt halte sich der Beschwerdeführer im Bundesgebiet auf, ohne im Besitz einer entsprechenden Aufenthaltsberechtigung zu sein. Sein Aufenthalt sei demgemäß rechtswidrig. Hinsichtlich seines Aufenthaltsrechts werde festgestellt, dass es sich lediglich um ein vorübergehendes Recht während des Asylverfahrens gehandelt habe und somit keine Aufenthaltsverfestigung eingetreten sei. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß, die vorliegende Ausweisung sei daher gemäß § 37 Abs. 1 FrG (gemeint wohl: § 66 Abs. 1 FPG) zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde (ohne das betreffende Verfahren abzuwarten) sich unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ebenso, wenn Fremde nach dem Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung bzw. nach dem Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Die Tatsache der Anregung der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis vermöge am rechtswidrigen Aufenthalt des Beschwerdeführers nichts zu ändern, zudem sei ein Verfahren betreffend Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht abzuwarten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen, dass der erste Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei, der Beschwerdeführer seinen zweiten Asylantrag zurückgezogen habe und sein Aufenthalt jedenfalls seit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. November 2004 unrechtmäßig sei. Das durch diese Umstände gestützte (von der Beschwerde nicht in Frage gestellte) Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass vorliegend der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, begegnet keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid indes unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG. Die Ausweisung greife in besonders intensiver und schwerwiegender Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein. Letzterer sei für eine Ehefrau und für fünf eheliche minderjährige Kinder sorgepflichtig, die derzeit 12 bis 18 Jahre alt seien. Er lebe mit seiner Familie in Österreich. Als Armutsflüchtling nach Österreich gekommen, habe er hier einen Zugang zum Arbeitsmarkt und eine Beschäftigungsbewilligung erhalten. Seit dem 21. August 2002 sei er laufend bei einem (näher genannten) Unternehmen als Geflügelhofarbeiter beschäftigt. Das aus dieser Arbeitstätigkeit erzielte Arbeitseinkommen diene der gesamten Familie als materielle Lebens- und Unterhaltsgrundlage. Der Beschwerdeführer verfüge derzeit über eine bis August 2007 gültige Arbeitserlaubnis. Durch die Ausweisung würde der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen sechs Angehörigen die materielle Lebensgrundlage verlieren und müsste in den Kosovo zurückkehren, in dem eine große wirtschaftliche Notlage bestehe. Die Angehörigen des Beschwerdeführers befänden sich noch in einem aufrechten Asylverfahren und verfügten noch über eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 des Asylgesetzes 1997. Bei dem vom Beschwerdeführer erworbenen Recht, auf Grund seiner Arbeitserlaubnis weiterhin auf dem österreichischen Arbeitsmarkt tätig sein zu dürfen, handle es sich um ein wohlerworbenes Recht; unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung dürfe nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer eine rechtmäßige Beschäftigungsmöglichkeit nach den Bestimmungen des AuslBG erworben habe und dieses Recht ein wesentlicher Bestandteil der soziökonomischen Lebensgrundlage des Beschwerdeführers und seiner Familie darstelle. Vor diesem Hintergrund erweise sich die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht als dringend geboten iSd § 66 Abs. 1 FPG. Der Verlust dieser Lebensgrundlage würde für die aus sieben Menschen bestehende Familie des Beschwerdeführers eine ganz besondere humanitäre Härtesituation darstellen.

2.2. In Anbetracht der genannten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers ist mit der vorliegenden Ausweisung ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben iSd § 66 Abs. 1 FPG verbunden. Das Gewicht der aus seinem mehrjährigen Aufenthalt in Österreich resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers wird allerdings maßgeblich dadurch relativiert, dass dieser Aufenthalt bis zur Beendigung des Asylverfahrens lediglich auf Grund des Asylantrags berechtigt war, der sich als unbegründet erwiesen hat. Den derart in ihrem Gewicht geminderten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt (jedenfalls) in der Dauer von etwa einem Jahr und sieben Monaten seit November 2004 das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gravierend beeinträchtigt hat. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend das seiner Ansicht nach bestehende wohlerworbene Recht an der ihm erteilten Arbeitserlaubnis ist für ihn nichts gewonnen, enthebt doch die Erteilung einer Arbeitserlaubnis den Ausländer nach § 25 AuslBG nicht von der Verpflichtung, den jeweils geltenden Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern nachzukommen (vgl. das zum Fremdengesetz 1997 ergangene, insofern aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 16. April 2005, Zl. 2005/18/0185). Vor diesem Hintergrund kann die Auffassung der belangten Behörde, dass die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme im Grund des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei, nicht als rechtsirrig angesehen werden. Dass die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers (behauptetermaßen) bei Erlassung des angefochtenen Bescheides über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 verfügen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Dem Vorbringen in der Beschwerde hinsichtlich der Lage in seinem Heimatland ist entgegenzuhalten, dass mit einer Ausweisung nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das zum Fremdengesetz 1997 ergangene, insofern aber auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0631).

Im Übrigen ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 6. April 2006 (in dem auch das Vorliegen humanitärer Gründe für einen Inlandsantragstellung verneint wurde) abgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153, abgewiesen.

3. Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde von dem ihr nach § 53 Abs. 1 FPG bei Erlassung einer Ausweisung zukommenden Ermessen zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen gehabt hätte, ist ihm zu entgegnen, dass weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprechen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 5. September 2006

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