VwGH 2006/18/0151

VwGH2006/18/015120.1.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des BH in W, geboren am 3. September 1976, vertreten durch die Burghofer & Pacher Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Mai 2006, Zl. SD 1722/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §32;
NAG 2005 §8 Abs1 Z1;
NAG 2005 §8 Abs1 Z5;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Korea/R 1979 Art1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
NAG 2005 §32;
NAG 2005 §8 Abs1 Z1;
NAG 2005 §8 Abs1 Z5;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Korea/R 1979 Art1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Mai 2006 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Republik Korea, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, i.d.F. des BGBl. I Nr. 157/2005, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei der Aktenlage zufolge seit 4. Juni 2004 ununterbrochen im Bundesgebiet behördlich gemeldet. Sein Antrag vom 25. Juni 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als selbständige Schlüsselkraft sei rechtskräftig abgewiesen worden. Über die dagegen am 1. Juli 2005 eingebrachte Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshofbeschwerde liege zur Zeit noch keine Entscheidung vor. In der Stellungnahme vom 12. Juli 2005 habe der Beschwerdeführer Folgendes ausgeführt:

"... (Der Beschwerdeführer) ist selbständig tätig, er ist geschäftsführender Gesellschafter der M. Restaurant- Betriebs GmbH und hat im Jahr 2004 aus seiner selbständigen Tätigkeit ein Jahreseinkommen von 12.249 Euro erzielt ... ."

Aus den Berufungsausführungen ergebe sich, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des A-Konzerns für die Softwareentwicklung zuständig sei und aus diesem Grund etwa alle vier Wochen zur Partnerfirma S nach Ungarn reisen müsse. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer Folgendes ausgeführt:

"... Der Umkehrschluss kann daher nur lauten, dass der

Staatsvertrag zwischen der Republik Korea und Österreich für den

Fremden die Möglichkeit vorsieht, auch in Österreich einer

selbständigen Tätigkeit nachzugehen. Tatsächlich wurde diese

selbständige Tätigkeit bislang von keiner Behörde beanstandet ... ."

In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 2005 sei ausgeführt worden, dass der Beschwerdeführer einer der Einkäufer der A-Gruppe sei.

Im Kern wende sich der Beschwerdeführer gegen die Ausweisung mit dem Argument, nie länger als 90 Tage ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig gewesen zu sein und somit trotz Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht gegen das österreichisch-koreanische Sichtvermerksabkommen verstoßen zu haben, weswegen von einem unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nicht gesprochen werden könne. Insbesondere sei er immer wieder tageweise aus dem Bundesgebiet, vor allem nach Deutschland und nach Ungarn, aus- und danach wieder eingereist. Diesbezüglich seien einige Zeugen angeführt und schriftliche Belege als Beweismittel vorgelegt worden. Eine amtliche Dokumentation der behaupteten Aus- und Einreisen vor dem 22. September 2005 an Hand des Reisepasses habe sich als unmöglich erwiesen, weil der Beschwerdeführer angegeben habe, er habe seinen Reisepass verloren.

Nach Art. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Korea über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 212/1979, dürften Inhaber eines koreanischen oder österreichischen Reisepasses sichtvermerksfrei in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort 90 Tage aufhalten. Art. 4 des genannten Abkommens normiere, dass die sonstigen Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern durch dieses Abkommen unberührt blieben. Diesbezüglich werde auf § 32 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verwiesen.

Es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer in Österreich Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der M. Restaurant-Betriebs GmbH sei und aus seiner selbständigen Tätigkeit ein Einkommen beziehe. Aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit 4. Juni 2004 im Bundesgebiet ununterbrochen mit Hauptwohnsitz behördlich gemeldet sei, hier - von angeblichen tageweisen Unterbrechungen abgesehen - auch unbestritten einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe und schließlich am 22. September 2005 einen Antrag auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung wegen Familiengemeinschaft gestellt habe, sei deutlich zu erkennen, dass er sich im Sinne des § 7 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 in Österreich auf Dauer niedergelassen habe und - der bis zum 1. Jänner 2006 geltenden Rechtslage zufolge - für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Aufenthaltstitels bedurft hätte. Gemäß § 32 des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG bedürfe die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels mit entsprechendem Zweckumfang. Der als Ausnahme genannte Fall des § 2 Abs. 1 Z. 7 NAG liege nicht vor. Am Erfordernis des Aufenthaltstitels könnten selbst allfällige Unterbrechungen des inländischen Aufenthaltes durch den Beschwerdeführer nichts ändern. Er halte sich somit mangels eines erforderlichen Aufenthaltstitels unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Hinsichtlich familiärer Bindungen sei auf seine rechtmäßig in Österreich aufhältige Ehefrau und auf seine selbständige Erwerbstätigkeit Bedacht zu nehmen gewesen. Den daraus resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass er sich größtenteils unrechtmäßig in Österreich aufgehalten und somit gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen verstoßen habe. Zusammenfassend seien die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht schwerer zu gewichten als das gegenläufige öffentliche Interesse an seiner Ausreise.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, Zl. 2005/18/0662, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 23. Mai 2005 betreffend Versagung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbständig", § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde war im Übrigen nicht dazu verhalten, mit der Ausweisung bis zum (rechtskräftigen) Abschluss eines Niederlassungsverfahrens zuzuwarten, führt doch die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0094, m.w.N.).

2.1. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Korea über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht vom 27. März 1979, BGBl. Nr. 212/1979, und führt im Wesentlichen aus, sich nie länger als 90 Tage im Bundesgebiet aufgehalten zu haben. Er sei in Österreich beschäftigt und habe auf Grund von dienstlichen Verpflichtungen in regelmäßigen kurzen Abständen sowohl nach Ungarn als auch nach Deutschland reisen müssen.

2.2. Artikel 1 und 4 des genannten Abkommens lauten:

"Artikel 1

Inhaber eines gültigen koreanischen oder österreichischen Reisepasses dürfen sichtvermerksfrei in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort neunzig Tage aufhalten.

...

Artikel 4

Die sonstigen Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern bleiben durch dieses Abkommen unberührt."

Der Beschwerdeführer ist für den A-Konzern in Österreich tätig und seit 4. Juni 2004 ununterbrochen im Bundesgebiet gemeldet. Seine Ehefrau befindet sich ebenfalls in Österreich und ist den Angaben des Beschwerdeführers zufolge hier niederlassungsberechtigt. In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er beabsichtige - abgesehen von seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit - auch einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wegen Familiengemeinschaft einzubringen. Es besteht kein Zweifel daran, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich zum Zweck der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufhalten bzw. dass er sich hier (dauernd) niederlassen will. Er benötigt daher einen Aufenthaltstitel (vgl. § 8 Abs. 1 Z. 1 bzw. Z. 5 und § 32 NAG). An dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels und an der daraus abzuleitenden Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts in Österreich nach Ablauf der genannten Frist von neunzig Tagen könnten auch die behaupteten wiederholten Unterbrechungen des inländischen Aufenthaltes nichts ändern (vgl. das zum Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Republik Kroatien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 487/1995, und zu § 7 Fremdengesetz 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0050, m.w.N.). Da der Beschwerdeführer in Österreich selbstständig erwerbstätig ist und sich ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit Juni 2004, seine familiäre Bindung zu seiner in Österreich lebenden Ehefrau sowie seine berufliche Tätigkeit im Inland berücksichtigt. Unter Zugrundelegung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich hat die belangte Behörde zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Dem gegenüber steht das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten, das aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) einen hohen Stellenwert aufweist. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer, der nach Ablauf der im Abkommen zwischen Korea und Österreich genannten 90-Tagesfrist über keine Berechtigung zum Aufenthalt verfügt hat, durch seinen unrechtmäßigen Verbleib in Österreich bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides gravierend beeinträchtigt. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, kann daher nicht als rechtsirrig erkannt werden.

3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Jänner 2009

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