VwGH 2006/15/0187

VwGH2006/15/018724.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der KR in P, vertreten durch Aigner Fischer Unter Rechtsanwaltspartnerschaft in 4910 Ried im Innkreis, Gartenstraße 38, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 13. April 2006, GZ. RV/0480-L/04, betreffend Einkommensteuer 2003, zu Recht erkannt:

Normen

LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs2;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs3;
LiebhabereiV 1993 §1 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs1;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs2;
LiebhabereiV 1993 §2 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Einkommensteuer 2003 festgesetzt. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei neben ihrer nichtselbständigen Tätigkeit seit März 2003 auch als nebenberufliche Warenpräsentatorin der Firma A. tätig (in der Folge: Vertreterin). In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2003 habe sie einen Umsatz von EUR 859,62 und in der Einkommensteuererklärung einen Verlust in Höhe von EUR 3.316,50 ausgewiesen; dieser errechne sich aus Betriebsausgaben EUR 3.932,51, AfA Anlagevermögen EUR 415,54 und Erlösen EUR 1.031,55.

Über Vorhalt des Finanzamtes habe die Beschwerdeführerin angegeben, der Umsatz werde sich im Jahr 2004 auf EUR 3.000,--, im Jahr 2005 auf EUR 5.000,-- und im Jahr 2006 auf EUR 7.000,-- steigern. Im Jahr 2004 werde kein Gewinn, im Jahr 2005 ein solcher von EUR 1.000,-- und im Jahr 2006 ein solcher von EUR 2.000,-- erzielt werden.

Das Finanzamt habe im Einkommensteuerbescheid 2003 die Verluste aus Gewerbebetrieb nicht anerkannt, weil die Tätigkeit auf Grund des geringen Umfanges (Einnahmen würden bereits von Einkaufskosten überschritten) einkommensteuerlich als Liebhaberei einzustufen sei.

In der Berufung habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, sie habe ihre Vertretertätigkeit im Laufe des Jahres 2003 begonnen. Die Verluste seien gemäß § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung für die ersten drei bis fünf Jahre immer anzuerkennen. Ein Anlaufzeitraum dürfe nicht angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles damit zu rechnen sei, dass die Betätigung vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes beendet werde. Es stehe fest, dass ihre Tätigkeit keinesfalls geendet habe und sie auch in Zukunft nicht beabsichtige, die Tätigkeit zu beenden. Es reiche keinesfalls aus, wenn die Finanzverwaltung Behauptungen aufstelle, dass mit ihrer Tätigkeit auch in Zukunft mit keinem positiven Ertrag zu rechnen sei und auf Dauer gesehen daher keine Einkunftsquelle anzunehmen sei. Ihre Provisionseinnahmen würden 2003 EUR 1.032,--, 2004 EUR 3.000,--, 2005 EUR 5.000,--, 2006 EUR 7.000,--, 2007 EUR 9.000,-- und 2008 EUR 10.000,-- betragen; Verlust/Gewinn gestalte sich wie folgt: 2003 - EUR 3.316,--, 2004 - EUR 1.000,--, 2005 + EUR 1.000,--, 2006 + EUR 1.500,--, 2007 + EUR 2.000,--, 2009 + EUR 2.500,--. Es könne kein Zweifel aufkommen, dass sie diese Tätigkeit nicht zum Spaß betreibe, wenn sich die Provisionseinnahmen bis zum Jahr 2009 auf EUR 10.000,-- steigern ließen. Sie könne bereits im Jahr 2005 mit einem Gewinn rechnen. Nachdem sie im Jahr 2004 einen nur verhältnismäßig geringfügigen Verlust erwirtschaften werde und darüber hinaus entsprechend der Aufstellung die Verluste der ersten Jahre zum Teil wettmache, könne kein Zweifel aufkommen, dass der Verlust des Jahres 2003 zumindest vorläufig anzuerkennen sei. In einer Entscheidung einer Finanzlandesdirektion komme klar und deutlich zum Ausdruck, dass ein Beobachtungszeitraum von sechs Monaten keinesfalls ausreiche, um ihre Tätigkeit ganz allgemein als objektiv nicht geeignet anzusehen, Gewinne zu erzielen.

Die belangte Behörde habe an das Finanzamt einen Vorhalt gerichtet. Das Finanzamt habe daraufhin ausgeführt, es lägen bereits zwei Jahre zur Beobachtung vor, für 2003 sei ein Verlust von EUR 3.316,-- und für 2004 ein Verlust von EUR 1.392,-- erklärt worden. Im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 2000, 96/14/0038, sei davon ausgegangen worden, dass bei der speziellen Tätigkeit eines solchen Vertreters ein Gesamtüberschuss in den seltensten Fällen möglich sei. Es sei daher eine endgültige Veranlagung im Sinne von Liebhaberei vorgenommen worden.

Die Beschwerdeführerin habe über Aufforderung dazu Stellung genommen. Darin habe sie ausgeführt, der Hinweis des Finanzamtes auf das Erkenntnis 96/14/0038 gehe völlig ins Leere, weil jeder Fall anders gelagert sei und jeder Fall einzeln zu prüfen sei. Sie habe bereits im Jahr 2005 bei einem Umsatz von EUR 4.092,24 einen Gewinn von EUR 525,47 erwirtschaftet.

Die Beschwerdeführerin habe in der Einkommensteuererklärung 2004 die Erlöse mit EUR 2.827,16, AfA mit EUR 49,99, Reise- und Fahrtspesen mit EUR 266,-- und übrigen Betriebsausgaben mit EUR 3.903,50 angegeben.

In der Einkommensteuererklärung 2005 habe sie einen Gewinn von EUR 525,47 erklärt, der sich aus Erlösen von EUR 4.092,25, Reise- und Fahrtspesen EUR 188,-- und übrigen Betriebsausgaben EUR 3.378,78 ergebe.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, grundsätzlich sei davon auszugehen, dass sich die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als eine typische erwerbswirtschaftliche Betätigung darstelle. Das Vorliegen von Einkünften sei zu vermuten. Diese Vermutung könne jedoch widerlegt werden, wenn die Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, nicht anhand objektiver Umstände nachvollziehbar sei. Die maßgebliche Absicht des Steuerpflichtigen, einen Gesamtgewinn zu erzielen, sei ein innerer Vorgang, der erst dann zu einer steuerlich erheblichen Tatsache werde, wenn er durch seine Manifestation in die Außenwelt trete. Es genüge daher nicht, dass der Steuerpflichtige die subjektive Absicht habe, Gewinne zu erzielen, sondern es müsse die Absicht an Hand der in § 2 Abs. 1 LVO beispielsweise aufgezählten objektiven Kriterien beurteilt werden.

Mit der Frage, ob die Tätigkeit eines derartigen Vertreters eine steuerlich beachtliche Einkunftsquelle darstelle, habe sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in den Erkenntnissen vom 21. Juni 1994, 93/14/0217, und vom 12. August 1994, 94/14/0025, befasst und sei dabei zur Auffassung gelangt, dass es sich bei dem im Einzelnen beschriebenen Vertriebs- und Provisionssystem um eine Vermittlertätigkeit handle, die grundsätzlich nach einem sich "totlaufenden Schneeballsystem" aufgebaut sei. Unter derartigen Voraussetzungen sei eine solche Tätigkeit objektiv gesehen nicht zur Erzielung eines Gesamtgewinnes geeignet.

Im Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 96/14/0038, habe der Verwaltungsgerichtshof auch die Nichtberücksichtigung der Anlaufverluste eines solchen Vertreters als rechtmäßig beurteilt. Bei derartigen, keinen Gebietsschutz genießenden und im Schneeballsystem Subvertreter werbenden Privatgeschäftsvermittlern, die Schulungen sowie Vorführmaterial auf eigene Kosten erwerben und überdies hohe Reiseaufwendungen tätigen müssten, sei schon systembedingt im Sinne des § 2 Abs. 2 LVO damit zu rechnen, dass die Betätigung vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes beendet werde.

Die Beschwerdeführerin habe weder behauptet, dass sich ihre Tätigkeit von der anderer nebenberuflich tätiger Vertreter unterschieden hätte, noch sei derartiges aus der Aktenlage ersichtlich.

Laut ihrer Prognoserechnung in der Berufung erwarte die Beschwerdeführerin eine Zunahme der Provisionseinnahmen um jährlich EUR 2.000,-- und eine Gewinnsteigerung ab 2005 von jährlich EUR 500,--. Diese Prognosen seien in den Einkommensteuererklärungen für 2004 und 2005 nicht erfüllt worden. Es sei für 2004 ein Verlust von EUR 1.000,-- in der Berufung und in der Vorbehaltsantwortung ein ausgeglichenes Ergebnis erklärt worden. Für das Jahr 2005 sei ein Gewinn von EUR 1.000,-- erwartet worden. Dem gegenüber sei für das Jahr 2004 ein Verlust von EUR 1.392,33 und für das Jahr 2005 ein Gewinn von EUR 525,47 erklärt worden. Allerdings sei im Jahr 2004 die Anlagenabschreibung von EUR 186,54 nicht geltend gemacht worden. Auch für das Jahr 2005 sei keine Anlagenabschreibung ausgewiesen worden. Im Jahr 2003 habe die Beschwerdeführerin keine Reise- und Fahrtkosten geltend gemacht, obwohl sich aus den vorgelegten Belegen die Teilnahme an mehreren Seminaren ergebe. Auch wenn die Beschwerdeführerin über kein eigenes Kraftfahrzeug verfüge, erscheine es nicht glaubwürdig, dass keinerlei Aufwendungen für die An- und Abreise angefallen seien. Für das Jahr 2004 seien Reisekosten in Höhe von EUR 266,-- und für das Jahr 2005 in Höhe von EUR 188,-- ausgewiesen worden. Auch diese Zahlen erschienen im Zusammenhang mit dem amtsbekannten Umstand, dass bei Warenpräsentatoren regelmäßig hohe Reisekosten auf Grund von Seminarteilnahmen und Kundenbesuchen anfallen, nicht glaubwürdig.

Die Ausgaben seien daher nach Auffassung der belangten Behörde nicht vollständig erfasst worden, um die Verlustsituation besser darzustellen. Der Prognoserechnung und dem erklärten Gewinn für das Jahr 2005 könne daher kein Glauben geschenkt werden. Nach Auffassung der belangten Behörde sei zu erwarten, dass die Tätigkeit vor dem Erzielen eines Gesamtüberschusses beendet werde bzw. beendet werden müsse. Die subjektive Absicht der Beschwerdeführerin, Gewinne zu erzielen, werde nicht bestritten. Gleiches gelte für den Einwand, dass sie keinesfalls die Absicht habe, die Tätigkeit zu beenden. In Fällen, in denen systembedingt damit zu rechnen sei, dass die Tätigkeit infolge Totlaufens des Systems beendet werde, sei ohne konkretes Eingehen auf den Einzelfall von einer zeitlichen Befristung auszugehen. Für eine vorläufige Anerkennung der Verluste bleibe daher kein Raum.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend von der Anwendung der Liebhabereiverordnung 1993 (im Folgenden: LVO) aus. Danach kommt es bei Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft einer Tätigkeit in erster Linie auf die Absicht des Steuerpflichtigen an, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 2. März 2006, 2006/15/0018, und vom 18. Oktober 2007, 2005/15/0097).

Liegt - wie im vorliegenden Fall von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt - eine Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs. 1 LVO vor, ist das Vorliegen von Einkünften zu vermuten. Die Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn die Absicht nicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3 LVO) nachvollziehbar ist.

Nach § 2 Abs. 2 LVO liegen innerhalb der ersten drei Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) ab Beginn einer Betätigung (z.B. Eröffnung eines Betriebes) im Sinn des § 1 Abs. 1, längstens jedoch innerhalb der ersten fünf Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) ab dem erstmaligen Anfall von Aufwendungen (Ausgaben) für diese Betätigung jedenfalls Einkünfte vor (Anlaufzeitraum). Nach Ablauf dieses Zeitraumes ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse auch innerhalb dieses Zeitraumes nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen, ob weiterhin von Vorliegen von Einkünften auszugehen ist. Ein Anlaufzeitraum im Sinn des ersten Satzes darf nicht angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles damit zu rechnen ist, dass die Betätigung vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes (Gesamtüberschusses) beendet wird.

Im Fall der Einkünftevermutung liegen demnach innerhalb eines Anlaufzeitraumes von drei bis fünf Jahren Einkünfte jedenfalls vor, sodass Verluste grundsätzlich anzuerkennen sind, soweit nicht damit zu rechnen ist, dass die Tätigkeit vor Erzielung eines Gesamtgewinnes beendet wird.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Tätigkeit vor Erzielung eines Gesamtgewinnes beendet werden wird, weil die Betätigung niemals ertragsbringend sein könne. Sie hat sich hiezu auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes berufen, und dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe weder behauptet, dass sich ihre Tätigkeit von der anderer nebenberuflich tätiger Vertreter unterschieden hätte, noch sei Derartiges aus der Aktenlage ersichtlich.

Mit diesen Ausführungen vernachlässigt die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme zur Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes, wonach die Beschwerdeführerin dargelegt hat, dass der Hinweis auf das hg. Erkenntnis 96/14/0038 völlig ins Leere gehe, weil jeder Fall anders gelagert und jeder Fall einzeln zu prüfen sei. Die von der belangten Behörde vorgenommene Übertragung der in diesem Erkenntnis getroffenen Schlussfolgerung, die dort das Ergebnis der Würdigung der dort aufgenommenen Beweise darstellt, setzt die Feststellung eines vergleichbaren Sachverhaltes voraus. Feststellungen über den Inhalt der Betätigung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde aber nicht getroffen. Die belangte Behörde übersieht, dass die Beschwerdeführerin bereits im ersten Jahr ihrer Tätigkeit Betriebsergebnisse erzielt hat, die nicht ohne weiteres den Schluss zuließen, dass ihre Tätigkeit nicht nur objektiv nicht ertragsbringend sei, sondern ihr von vornherein auch die Absicht gefehlt habe, Gewinne zu erzielen. Die von der Beschwerdeführerin in den Folgejahren erklärten Erlöse zeigen eine beachtliche Steigerung im Vergleich zum Anfangsjahr.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin in ihren Steuererklärungen ihre Ausgaben nicht vollständig erfasst habe, um die Verlustsituation besser darzustellen. Für diese Mutmaßung führt die belangte Behörde den "amtsbekannten" Umstand ins Treffen, dass bei dieser Tätigkeit regelmäßig hohe Reisekosten anfielen.

Damit geht die belangte Behörde von einem vermuteten Sachverhalt aus, wofür wiederum der Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte bietet. Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin, die Berufung des Finanzamtes auf das hg. Erkenntnis 96/14/0038 gehe völlig ins Leere, war es Aufgabe der belangten Behörde, den konkreten Sachverhalt festzustellen und ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. September 2008

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