VwGH 2006/13/0105

VwGH2006/13/010520.10.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. Heidi Bernhart, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Dornbacherstraße 62, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 12. April 2006, Zl. RV/0640- W/06, betreffend Rückforderung von Erhöhungsbeträgen zur Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §207 Abs4;
BAO §209 Abs1;
FamLAG 1967 §26 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BAO §207 Abs4;
BAO §209 Abs1;
FamLAG 1967 §26 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Abspruch, der Erhöhungsbetrag für das Kind Patrick sei für den Zeitraum 1. Jänner 1995 bis 31. Juli 2001 im Betrag von EUR 9.789,03 (ATS 134.700,--) zu Unrecht bezogen worden und werde rückgefordert) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2006, Zl. 2002/13/0182, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Juli 2002, der die mit Bescheid des Finanzamtes vom 17. September 2001 ausgesprochene Rückforderung von Erhöhungsbeträgen zur Familienbeihilfe für den im Jänner 1991 geborenen Sohn der Beschwerdeführerin für den Zeitraum von November 1993 bis Juli 2001 bestätigte, in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof begründete dies wie folgt:

"Nach § 207 Abs. 4 BAO verjährt das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, in fünf Jahren.

In den Fällen des § 207 Abs. 4 BAO beginnt nach § 208 Abs. 1 lit. c BAO die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet wurden.

In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe trotz des Hinweises in der Berufungsschrift auf die Verjährungsbestimmungen zu diesem Verjährungseinwand weder in der Berufungsentscheidung Stellung genommen noch 'allfällige Gründe für eine Hemmung der Verjährung' ins Treffen geführt, sodass eine Rückforderung 'in Ansehung eines Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für die Jahre 1993 bis 1995' nicht hätte erfolgen dürfen.

Mit diesem Vorbringen wird ein wesentlicher Verfahrensmangel des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Verjährung ist im Übrigen auch von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen, ohne dass es einer förmlichen Einwendung oder Einrede bedarf (vgl. z.B. Ritz, BAO3, § 207 Tz 3, mwN). Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift versucht, dem Argument der Verjährung damit entgegenzutreten, dass '1997' eine verjährungsunterbrechende Überprüfung des erhöhten Familienbeihilfenanspruches stattgefunden habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, ob Verjährung eingetreten ist, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen bereits im angefochtenen Bescheid voraussetzt, die durch Ausführungen in der Gegenschrift nicht ersetzt werden können (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. November 2004, 2004/16/0028).

Der angefochtene Bescheid, der den Rückforderungsbetrag in einem (nicht teilbaren) Gesamtbetrag vorschreibt, war damit bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen, das der Behörde auch Mängel ihres Ermittlungsverfahrens in Bezug auf die Feststellung des Grades der Behinderung des Sohnes P. vorwirft, weiter einzugehen war."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin insoweit Folge, als sie (nur mehr) für den Zeitraum von Jänner 1995 bis Juli 2001 aussprach, dass der Erhöhungsbetrag zu Unrecht bezogen worden sei und zurückgefordert werde. Die belangte Behörde ging - mit näherer Begründung - davon aus, dass die Behinderung des Sohnes der Beschwerdeführerin das für die Erhöhung der Familienbeihilfe im vorliegenden Fall erforderliche Ausmaß von 50 v.H. nie erreicht habe, und vertrat in Bezug auf die Frage der Verjährung die Auffassung, "die mit 15. September 1997 (zu ergänzen: ergangene) Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung für den Sohn" der Beschwerdeführerin sei hinsichtlich des davor liegenden Rückforderungszeitraumes eine im Sinne des § 209 Abs. 1 erster Satz BAO in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 180/2004 von der Abgabenbehörde innerhalb der Verjährungsfrist unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches gewesen und habe die Verjährungsfrist hinsichtlich der diesbezüglich strittigen Jahre 1993, 1994 und 1995 daher jeweils um ein Jahr verlängert. Für die Jahre 1993 und 1994 sei die verlängerte Verjährungsfrist bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 17. September 2001 bereits abgelaufen gewesen, wohingegen dies für das Jahr 1995 nicht der Fall gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Vorweg ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen über Ermessensübung, Treu und Glauben und das in § 26 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 den Oberbehörden eingeräumte Aufsichtsrecht keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigt, weil die von der belangten Behörde zu beurteilende Pflicht zur Zurückzahlung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. von den Umständen und Erwägungen, auf die in diesen Teilen des Beschwerdevorbringens Bezug genommen wird, unabhängig ist.

2. Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin am 11. September 1997 ein ihr im August 1997 übermitteltes, zum Teil vorausgefülltes Formblatt "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" mit Angaben u.a. betreffend ihren im Jänner 1991 geborenen Sohn beim Finanzamt überreichte. Sie gab darin an, für dieses Kind erhöhte Familienbeihilfe zu beziehen, weil es erheblich behindert sei. Handschriftlich war hinzugefügt "bis 09.97". In der Rubrik "Vorzulegende Nachweise" war vorausgefüllt "ärztliche Bescheinigung (bitte Formular 'Beih 3', das bei jedem Finanzamt aufliegt, verwenden) für P." Am 15. September 1997 forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, die am 11. September 1997 überreichte Eingabe um diese ärztliche Bescheinigung zu ergänzen. Die schon am 11. September 1997 erstellte ärztliche Bescheinigung einer Behinderung im Ausmaß von 50 v.H. langte - mit einem das gleiche Datum tragenden Antrag der Beschwerdeführerin auf erhöhte Familienbeihilfe - noch am 15. September 1997 beim Finanzamt ein. Am 22. September 1997 langte die handschriftliche Mitteilung der Beschwerdeführerin ein, dass die (inzwischen schon eingelangte) Bescheinigung "vom Amtsarzt nachgeschickt" werde.

Das nächste den im Jänner 1991 geborenen Sohn der Beschwerdeführerin betreffende Aktenstück in den vorgelegten Akten ist ein mit 31. Juli 2001 datiertes weiteres Formblatt "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe", worin der Beschwerdeführerin - in der Rubrik "Diesem Schreiben sind beizulegen" - mitgeteilt wurde, auf Grund von "Unregelmäßigkeiten bei der Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe" sei "die Finanzverwaltung gezwungen, eine größere Prüfungsaktion durchzuführen". Die Auszahlung der Familienbeihilfe werde "vorerst eingestellt ... Der gegenständliche Vordruck ergeht somit lediglich aus Informationsgründen und braucht nicht an das Finanzamt retourniert werden. Das Bundessozialamt wird hinsichtlich der Prüfung der Behinderung Ihres Kindes/Ihrer Kinder mit Ihnen Kontakt aufnehmen und Sie zu einer Untersuchung einladen."

Die Beschwerdeführerin retournierte dieses Formblatt mit ihrer Unterschrift, worin sie die vorgedruckten Angaben bestätigte, am 13. August 2001. Am 20. August 2001 erstellte der ärztliche Dienst des Bundessozialamtes ein Gutachten, wonach beim Sohn der Beschwerdeführerin "kein einschätzungsrelevantes Leiden" bestehe, worauf sich der erstinstanzliche Rückforderungsbescheid vom 17. September 2001 gründete.

Aus diesem Verfahrensablauf, über den die belangte Behörde keine näheren Feststellungen getroffen hat, und aus der nicht weiter konkretisierten Erwähnung einer "mit 15. September 1997 Anforderung einer ärztlichen Bescheinigung" im angefochtenen Bescheid ist nicht ableitbar, inwiefern es sich bei dem offenbar gemeinten Ergänzungsauftrag vom 15. September 1997, der nur eine Wiederholung eines im Formblatt "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" vom August 1997 enthaltenen Textteiles bedeutete, um eine Amtshandlung gehandelt haben soll, die sich auf den Bezugszeitraum 1995 - und nicht nur auf die weitere Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe - bezog (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 28. November 2001, Zl. 96/13/0076). Gründe dafür, dass der Rückforderungsanspruch hinsichtlich des Jahres 1995 noch nicht verjährt sei, zeigt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid daher nicht schlüssig auf.

3. Da die belangte Behörde den (reduzierten) zu Unrecht bezogenen und zurückgeforderten Erhöhungsbetrag wieder mit einem ungeteilten Gesamtbetrag beziffert hat, war der angefochtene Bescheid mit Rücksicht auf die dargestellten, die Verjährung hinsichtlich des Bezugszeitraumes 1995 betreffenden Erwägungen wie schon der dem Vorerkenntnis zugrunde liegende Bescheid im gesamten Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. Oktober 2009

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