Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, somit in seinem Abspruch, der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für das Kind Patrick für den Zeitraum vom 1. November 1993 bis 31. Juli 2001 im Betrag von 11.467,77 EUR (157.800 S) sei zu Unrecht bezogen worden und werde rückgefordert, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. September 2001 forderte das Finanzamt u. a. Erhöhungsbeiträge zur Familienbeihilfe für den am 21. Jänner 1991 geborenen Sohn der Beschwerdeführerin Patrick für den Zeitraum 1. November 1993 bis 31. Juli 2001 mit einem Gesamtbetrag von 157.800 S gemäß § 26 Abs. 1 FLAG mit der Begründung zurück, dass im Zuge einer Überprüfung des Anspruches auf die erhöhte Familienbeihilfe durch ein Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 20. August 2001 kein "einschätzungsrelevantes Leiden" festgestellt worden sei. Die erhöhte Familienbeihilfe sei daher für den genannten Zeitraum zu Unrecht bezogen worden.
In der Berufung vertrat die Beschwerdeführerin den Standpunkt, dass entgegen der im Bescheid des Finanzamtes vertretenen Ansicht eine erhebliche Behinderung des Kindes im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG vorliege, wobei "aus Vorsichtsgründen" auch der Einwand der Verjährung erhoben werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung in Bezug auf die Rückforderung des Erhöhungsbetrages betreffend das Kind Patrick keine Folge. Für dieses Kind sei der Erhöhungsbetrag auf Grund vorgelegter ärztlicher Bescheinigungen (bestehendes Leiden: "Neurodermitis" - GdB 50 %) für den Zeitraum ab 1. November 1993 bis inkl. Juli 2001 gewährt worden. Im Zuge von "Anspruchsüberprüfungen" (nachdem in Fällen Gewährung erhöhter Familienbeihilfe in mehreren Fällen Manipulationshandlungen bekannt geworden seien) seien Sachverständigengutachten über die bestehenden Behinderungsgrade eingeholt worden, wobei für das Kind Patrick kein einschätzungsrelevantes Leiden festgestellt worden sei. In dem im Berufungsverfahren gemäß § 8 Abs. 6 FLAG eingeholten Sachverständigengutachten sei für das Kind Patrick eine auch in der Vergangenheit nicht stärker ausgeprägte Beeinträchtigung durch Neurodermitis und ein daraus resultierender Behinderungsgrad mit 20 % festgestellt worden. Die fachärztlichen Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes seien der Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 18. März 2002 zur Kenntnis gebracht worden. Unter Berücksichtigung der nunmehr vorliegenden Gutachten könne im Rahmen der freien Beweiswürdigung angenommen werden, dass für das Kind Patrick die Einstufung des Grades der Behinderung mit 20 % den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche, zumal dieser Behinderungsgrad im Rahmen einer fachärztlichen Untersuchung und unter Bedachtnahme auf die vorgelegten Befunde festgestellt worden sei. Da auf Grund dieses Gutachtens für das Kind Patrick eine erhebliche Behinderung im Sinne des FLAG "nie vorgelegen ist, sind die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe nicht gegeben und die Rückforderung erfolgte zu Recht".
In der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Rückforderung der Erhöhungsbeträge zur Familienbeihilfe für das Kind Patrick für den Zeitraum 1. November 1993 bis 31. Juli 2001 im Betrag von 11.467,77 EUR bekämpft.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 207 Abs. 4 BAO verjährt das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, in fünf Jahren.
In den Fällen des § 207 Abs. 4 BAO beginnt nach § 208 Abs. 1 lit. c BAO die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet wurden.
In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe trotz des Hinweises in der Berufungsschrift auf die Verjährungsbestimmungen zu diesem Verjährungseinwand weder in der Berufungsentscheidung Stellung genommen noch "allfällige Gründe für eine Hemmung der Verjährung" ins Treffen geführt, sodass eine Rückforderung "in Ansehung eines Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für die Jahre 1993 bis 1995" nicht hätte erfolgen dürfen.
Mit diesem Vorbringen wird ein wesentlicher Verfahrensmangel des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Verjährung ist im Übrigen auch von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen, ohne dass es einer förmlichen Einwendung oder Einrede bedarf (vgl. z.B. Ritz, BAO3, § 207 Tz 3, mwN). Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift versucht, dem Argument der Verjährung damit entgegenzutreten, dass "1997" eine verjährungsunterbrechende Überprüfung des erhöhten Familienbeihilfenanspruches stattgefunden habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, ob Verjährung eingetreten ist, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen bereits im angefochtenen Bescheid voraussetzt, die durch Ausführungen in der Gegenschrift nicht ersetzt werden können (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. November 2004, 2004/16/0028).
Der angefochtene Bescheid, der den Rückforderungsbetrag in einem (nicht teilbaren) Gesamtbetrag vorschreibt, war damit bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen, das der Behörde auch Mängel ihres Ermittlungsverfahrens in Bezug auf die Feststellung des Grades der Behinderung des Sohnes Patrick vorwirft, weiter einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Februar 2006
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