Normen
UStG 1994 §6 Abs3;
UStG 1994 §6 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 908 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ersuchte das Finanzamt mit Schriftsatz vom 8. Februar 1995, welcher im Briefkopf die Bezeichnung "SECOND HAND (Beschwerdeführerin)" aufwies, um Zuteilung einer Steuernummer. Sie habe am 1. November 1994 das Geschäftslokal in W., N.straße, erworben und werde am 13. Februar 1995 ihr Geschäft eröffnen.
Mit einem ausgefüllten und mit 23. Februar 1995 datierten "Fragebogen anlässlich der Eröffnung eines Gewerbebetriebes" gab die Beschwerdeführerin dem Finanzamt bekannt, ihr Betrieb mit der Firma "SECOND HAND (Beschwerdeführerin)" in W., N.straße, sei am 13. Februar 1995 eröffnet worden, sie sei steuerlich nicht erfasst und der voraussichtliche Jahresumsatz werde im Eröffnungsjahr 400.000 S betragen. Vor der Eröffnung des Betriebes habe sie eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt.
Unter Verwendung eines amtlichen Vordruckes "Erklärung gemäß § 6 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG)" erklärte die Beschwerdeführerin am 13. Juli 1995, ihr Jahresumsatz werde unter 300.000 S liegen und "bei der Rechnungsstellung" verrechne sie keine Mehrwertsteuer.
Unter Verwendung des gleichen amtlichen Vordruckes gab die Beschwerdeführerin die am 16. Oktober 1995 beim Finanzamt eingelangte Erklärung ab, sie verzichte ab dem Kalenderjahr 1994 auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994.
Mit einem ausgefüllten und mit 30. September 1996 datierten "Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" gab die Beschwerdeführerin dem Finanzamt bekannt, dass sie den Betrieb "SECOND HAND (Beschwerdeführerin)" mit 30. September 1996 eingestellt habe, und beantwortete die am Fragebogen unter Punkt 7 gestellte Frage "Wird eine gewerbliche - berufliche - Tätigkeit selbständig weiter ausgeübt, oder welche andere Einkünfte stehen ihnen zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung?" mit "JA SECOND HAND W.D. & (Beschwerdeführerin) OHG" mit der Anschrift W., N.straße.
In den vorgelegten Verwaltungsakten ist ein beim Finanzamt am 19. Oktober 2000 eingelangtes undatiertes und nicht unterschriebenes Schreiben enthalten, wonach der Gesellschafter K.D. aus der "W.D. und (Beschwerdeführerin) OEG" gegen einen näher genannten "Kaufpreis" ausgeschieden sei. Die OEG werde von der Beschwerdeführerin als nicht protokolliertes Einzelunternehmen fortgeführt. Den Verwaltungsakten ist ein ebenfalls mit Eingangsstempel des Finanzamtes vom 19. Oktober 2000 versehener an das Handelsgericht Wien gerichteter Schriftsatz vom 21. April 1999 mit dem Gesuch um Löschung der genannten OEG enthalten.
Mit ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1999 bis 2002 erklärte die Beschwerdeführerin aus dem Unternehmen "Second Hand Shop" erzielte Umsätze in Höhe von rund 146.000 S (1999), 273.000 S (2000), 274.000 S (2001) und 14.000 EUR (2002). In der Umsatzsteuererklärung für 1999 war weder das Feld "Regelbesteuerung wurde beantragt am" noch das Feld "Regelbesteuerung wurde nicht beantragt" angekreuzt. In den Umsatzsteuererklärungen für 2000 und 2001 war jeweils das Feld "Regelbesteuerung wurde nicht beantragt" angekreuzt. Das amtliche Formblatt für die Umsatzsteuererklärung für 2002 enthält ein derartiges Feld nicht. In allen genannten Umsatzsteuererklärungen erklärte die Beschwerdeführerin die erzielten Umsätze als gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 steuerfrei und machte (dementsprechend) keine Vorsteuern geltend.
Mit einem ausgefüllten und mit Mai 2002 datierten "Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" gab die Beschwerdeführerin dem Finanzamt bekannt, dass sie den Betrieb "SECOND-HAND-Shop", in W., N.straße, am 31. März 2002 aufgegeben und einer näher bezeichneten Person um einen angeführten Betrag verkauft habe. Seit 2. April 2002 beziehe sie Einkünfte als kaufmännische Angestellte.
Im Ergebnis einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung über die Streitjahre 1999 bis 2002 hielt der Prüfer unter Tz 13 seines Berichtes vom 14. März 2005 fest, ein Unternehmer könne bis zur Rechtskraft des Veranlagungsbescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer zu verzichten "(Im gegenständlichen Fall Anmerkung des Verzichts auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer am 25. Sep. 1996 mit Wirkung ab dem Kalenderjahr 1994)". Die Erklärung binde den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Möchte der Kleinunternehmer nach Ablauf dieser Frist wieder auf die Steuerbefreiung übergehen, müsse er die Verzichtserklärung ausdrücklich widerrufen. Ansonsten gelte der Verzicht auf die Steuerbefreiung auch nach Ablauf der fünf Jahre weiter "(Kein Widerruf im gegenständlichen Fall)". Der Prüfer behandelte die vereinnahmten Entgelte als umsatzsteuerpflichtig und zog von der errechneten Umsatzsteuer näher angeführte Vorsteuerbeträge ab.
Mit Bescheiden vom 17. März 2005 setzte das Finanzamt (nach Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren) die Umsatzsteuer für die Streitjahre 1999 bis 2002 fest und folgte dabei dem Prüfer.
Gegen die Steuerfestsetzung berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, die Erstellung der Steuererklärungen der Jahre 1999 und 2000 habe ein namentlich genannter Steuerberater übernommen, der sie dahingehend belehrt habe, der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung binde sie nur für fünf Jahre, weshalb sie die Befreiung mit Beginn des Jahres 1999 wiederum in Anspruch nehmen könne. Anfang des Jahres 2001 habe sie die Vollmacht "zurückgelegt" und die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 auf der Grundlage der Steuererklärungen der Jahre 1999 und 2000 erstellt, weshalb sie ebenfalls davon ausgegangen sei, dass die Steuerbefreiung "anzuwenden" sei.
Im Zuge der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung vom 19. Oktober 2005 gab die Beschwerdeführerin an, sie habe "seinerzeit" gemeinsam "mit einer Dame" eine OEG gegründet und deren Steuerberater "mitübernommen". In weiterer Folge habe er die Steuererklärungen erstellt. Sie hätten besprochen, dass sie einen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung abgegeben habe, und er habe gemeint, dies binde den Steuerpflichtigen auf fünf Jahre. "Danach" habe sie ein Einzelunternehmen geführt und die Steuererklärungen selbst erstellt. Sie sei davon ausgegangen, dass der Steuerberater alles ordnungsgemäß abgewickelt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe rechtlicher Bestimmungen hielt die belangte Behörde fest, "im vorliegenden Fall liegen Hinweise dafür, dass eine ausdrückliche, schriftliche Widerrufserklärung im Hinblick auf den Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer abgegeben wurde, nicht vor, weshalb die besagte Verzichtserklärung weiterhin Gültigkeit besitzt." Daher seien die bekämpften Bescheide, welche die erklärten Umsätze der Besteuerung unterworfen hätten, "in Übereinstimmung mit den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts" ergangen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. In der für die Streitjahre 1999 bis 2001 maßgeblichen Stammfassung galten solche Unternehmer als Kleinunternehmer, die im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hatten und deren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 300.000 S nicht überstiegen. Für das Streitjahr 2002 galt diese Regelung idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 59/2001 mit einer Umsatzgrenze von 22.000 EUR.
§ 6 Abs. 3 UStG 1994 lautet:
"(3) Der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 befreit sind, kann bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonates nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären."
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen ihres als "SECOND-HAND Shop" bezeichneten und von ihr als Einzelunternehmerin betriebenen Unternehmens im Jahr 1996 eine Erklärung nach § 6 Abs. 3 UStG 1994 abgegeben und nicht widerrufen habe, weshalb sie die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 für die Streitjahre 1999 bis 2002 nicht habe in Anspruch nehmen können.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, ihr Unternehmen im März 1996 "liquidiert" zu haben. Eine Personengesellschaft habe das Unternehmen bis 1999 weitergeführt. Ab 1999 bis zur Betriebsaufgabe im Jahr 2002 sei das Unternehmen wieder von der Beschwerdeführerin als Einzelunternehmerin geführt worden.
Dieses Vorbringen unterstellt die belangte Behörde in der Gegenschrift dem vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beachtenden Neuerungsverbot. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin mit dem mit 30. September 1996 datierten ausgefüllten "Fragebogen anlässlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" dem Finanzamt bekannt gegeben hatte, dass sie die gesamte betriebliche Tätigkeit aufgegeben habe und dass diese Tätigkeit von der angeführten Personengesellschaft weitergeführt werde.
Dafür, dass die Beschwerdeführerin neben dem im Jahr 1996 aufgegebenen Gewerbebetrieb eine andere unternehmerische Tätigkeit ausgeübt hätte und sohin nach "Betriebsaufgabe" (Übernahme des Betriebs durch die Personengesellschaft) weiterhin Unternehmerin gewesen wäre, bietet die Aktenlage keinen Hinweis.
Die belangte Behörde hätte somit zu prüfen gehabt, ob die Beschwerdeführerin bis 1996 die Eigenschaft einer Unternehmerin hatte, von 1996 bis 1999 (lediglich) Gesellschafterin der Personengesellschaft war, wobei diese Gesellschaft Unternehmerin war, und ob die Beschwerdeführerin ab 1999 wiederum Unternehmerin war.
§ 6 Abs. 3 UStG 1994 räumt dem Unternehmer die Möglichkeit einer Erklärung auf Verzicht der Steuerbefreiung ein und bindet den Unternehmer an diesen Verzicht bis zu einem Widerruf nach einer Mindestfrist.
Endet das Unternehmen (und geht damit die Unternehmereigenschaft verloren), so erlöschen damit auch die im § 6 Abs. 3 UStG 1994 festgelegten Folgen. Dies trifft etwa zu, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit endgültig eingestellt hat. Wird danach später eine unternehmerische Tätigkeit vom früheren Unternehmer (wieder) aufgenommen, so leben die mit der vorangegangenen Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit erloschenen Folgen nicht auf, weshalb der (neue) Unternehmer gegebenenfalls (neuerlich) die Erklärung nach § 6 Abs. 3 UStG 1994 abzugeben hätte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG.
Wien, am 11. November 2008
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