VwGH 2006/11/0126

VwGH2006/11/012618.11.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. A in W, vertreten durch Prunbauer, Themmer & Toth Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Spitzauer & Backhausen Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3 vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 28. Juni 2006, Zl. B 93/06-42/280606, betreffend Nachlass von Beiträgen für die Todesfallbeihilfe und Krankenunterstützung, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1984 §77;
ÄrzteG 1998 §111;
B-VG Art130 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §10 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §10 Abs3;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1999 §10 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1999 §10 Abs3;
VwRallg;
ÄrzteG 1984 §77;
ÄrzteG 1998 §111;
B-VG Art130 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §10 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §10 Abs3;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1999 §10 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 1999 §10 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist schuldig, der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 4. April 2005 wurde der Beitrag der Beschwerdeführerin für die Todesfallbeihilfe gemäß Abschnitt II der Beitragsordnung für den Zeitraum ihrer Mitgliedschaft bis einschließlich 31. Dezember 2004 mit EUR 3.536,62 und der Beitrag für die Krankenunterstützung gemäß Abschnitt VI Abs. 1 der Beitragsordnung für denselben Zeitraum mit EUR 290,73 festgesetzt. Die Behörde sprach aus, dass der gesamte Beitragsrückstand somit EUR 3.827,35 betrage und binnen sechs Wochen zu bezahlen sei. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 10. August 2005 wurde der Beschwerdeführerin seitens des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mitgeteilt, dass der Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung vom 7. Juni 2005 beschlossen habe, dem Ratenansuchen der Beschwerdeführerin vom 18. April 2005 zur Begleichung der offenen Beiträge für die Todesfallbeihilfe und zur Krankenunterstützung stattzugeben. In der Beilage wurde der Beschwerdeführerin ein Ratenplan für die Begleichung der offenen Beträge in monatlichen Raten zu EUR 250,-- bis einschließlich September 2007 übermittelt.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 stellte die Beschwerdeführerin in Ansehung ihrer "vorgeschriebenen Nachzahlung" den Antrag, ihr die Beitragszahlung zu erlassen, weil ihr Kreditrahmen bei der Bank bereits ausgeschöpft sei und auch die geforderte Ratenzahlung ihre finanziellen Möglichkeiten übersteige. Sie begründete ihr Ansuchen damit, "seit Einführung des PCs für die Kassenabrechnung und der E-card" würden die Ordinationskosten "explodieren" und ihre Kasseneinnahmen seien längst nicht mehr kostendeckend. Außerdem sei die Patientenzahl seit Einführung der E-Card rückläufig. Als zusätzliche größere Belastung sei der Austausch des kaputt gegangenen Heizkessels in der Ordination hinzugekommen. Ihre Zahlungsmöglichkeiten seien erschöpft.

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 14. Februar 2006 wurde dieser Antrag abgewiesen. In der Begründung führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, hinsichtlich ihrer mit Bescheid vom 4. April 2005 vorgeschriebenen Zahlungsverpflichtung sei ihr eine Ratenzahlung in der Höhe von EUR 250,-- monatlich eingeräumt worden. Von jedem Fondsmitglied könne erwartet werden, dass es die zu erwartenden Vorschreibungen der Beiträge im Rahmen seiner wirtschaftlichen Planung entsprechend berücksichtige. Die von der Beschwerdeführerin behaupteten finanziellen Schwierigkeiten seien nicht als berücksichtigungswürdiger Umstand im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds anzusehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, nach § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtfonds könne bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände über Antrag des Fondsmitglieds der Fondsbeitrag ermäßigt oder zur Gänze erlassen werden. Von einem berücksichtigungswürdigen Umstand im Sinne dieser Bestimmung könne nur bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses gesprochen werden, das in seiner Schwere und seinen Auswirkungen den im § 10 Abs. 2 der Satzung aufgezählten vergleichbar sei und Auswirkungen auf die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit und somit auch auf das Einkommen der Beschwerdeführerin habe. Ein derart schwerwiegendes Ereignis habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Auf ihre wirtschaftliche Situation habe der Verwaltungsausschuss durch die Gewährung einer Ratenzahlungsvereinbarung ausreichend Bedacht genommen. Auch wenn die Satzung mit Beschluss der Vollversammlung vom 21. Juni 2005 rückwirkend per 1. Jänner 2005 geändert und an Stelle der Todesfallbeihilfe eine Bestattungshilfe und Hinterbliebenenunterstützung (§§ 48 ff der Satzung) eingeführt worden seien, habe dies keinen Einfluss auf die vor dem 1. Jänner 2005 entstandenen Beitragsrückstände.

Mit ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung dieses Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 111 ÄrzteG 1998 lautet:

"Ermäßigung der Fondsbeiträge

§ 111. Die Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfondsbeiträge vorsehen."

§ 10 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien lautet (auszugsweise):

"Ermäßigung und Nachlass des Fondsbeitrages

§ 10. ...

(2) Der Verwaltungsausschuss kann auf Antrag für die Dauer

  1. a) des Präsenzdienstes
  2. b) des Zivildienstes
  3. c) des Karenzurlaubes nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes oder des Väter-Karenzgesetzes
  4. d) des Karenzurlaubes nach dienstrechtlichen Vorschriften
  5. e) im Falle einer über 30 Tage währenden Berufsunfähigkeit

    den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen. ...

(3) Der Verwaltungsausschuss kann ferner bei Vorliegen sonstiger berücksichtigungswürdiger Umstände über Antrag des Fondsmitgliedes den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen.

..."

Im Beschwerdefall ist strittig, ob berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung vorliegen, die eine Ermäßigung bzw. den Nachlass der mit Bescheid vom 4. April 2005 vorgeschriebenen und von der Beschwerdeführerin, der die Möglichkeit eingeräumt worden war, den Rückstand in Raten abzustatten, noch nicht eingezahlten Beiträge rechtfertigen.

Den im § 10 Abs. 2 der Satzung aufgezählten Gründen, die eine Ermäßigung oder einen Nachlass der Fondsbeiträge rechtfertigen, liegen überwiegend außergewöhnliche Ereignisse zu Grunde, die außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds liegen und das Fondsmitglied an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindern, was einen Einkommensverlust zur Folge hat. Im Lichte dieser grundsätzlichen Überlegungen ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch § 10 Abs. 3 der Satzung auszulegen. Von einem berücksichtigungswürdigen Umstand im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung wird nur bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses gesprochen werden können, das in seiner Schwere und seinen Auswirkungen den im Abs. 2 aufgezählten vergleichbar ist und Auswirkungen auf die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit und somit auch auf das Einkommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. August 2002, Zl. 2000/11/0227).

In seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0176, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Umstandes im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung bejaht, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von S 100.000,-- ergibt; eine andere Sichtweise wäre nur dann angebracht, wenn ausreichend Ersparnisse vorhanden wären oder das Fondsmitglied trotz seiner eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zumutbarer Weise höhere Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit beziehen könnte. In dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall war das Fondsmitglied durch ein außergewöhnliches Ereignis, das außerhalb seiner Sphäre lag, nämlich eine Krankheit, daran gehindert, sich in vollem Umfang der ärztlichen Tätigkeit zu widmen, wodurch ein erheblicher Einkommensverlust entstanden war.

Im Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/11/0328, verneinte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen eines derartigen außergewöhnlichen Ereignisses in einem Fall, in welchem das Fondsmitglied in eine angespannte wirtschaftliche Situation geraten war, weil es für geschäftliche Verbindlichkeiten des Ehepartners aufgekommen war. Der Verwaltungsgerichtshof hob auch in diesem Fall hervor, dass das Fondsmitglied dadurch nicht gehindert war, sich in vollem Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit zu widmen.

Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses der maßgebenden Rechtsvorschriften kann die (schon mangels Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Umstandes erfolgte) Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Ermäßigung der mit Bescheid vom 4. April 2005 vorgeschriebenen und noch unberichtigten Beiträge nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis vom 24. Juni 2003 dargelegt hat, hat der Beitragspflichtige seine wirtschaftliche Situation grundsätzlich selbst zu verantworten. In den Ausgaben der Beschwerdeführerin für eine schadhafte Heizung und erhöhten Ausgaben durch Einführung des PCs für die Kassenabrechnung und der E-Card liegt kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne der bisherigen Ausführungen vor. Auch in den von der Beschwerdeführerin behaupteten seit der Einführung der E-Card "rückläufigen" Patientenzahlen kann ein derartiges außergewöhnliches Ereignis im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung nicht erblickt werden. Ein berücksichtigungswürdiger Umstand im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung liegt daher nicht vor.

Bei diesem Ergebnis erweisen sich auch die Verfahrensrügen der Beschwerdeführerin als unbegründet, weil nicht erkennbar ist, inwieweit die belangte Behörde bei Vermeidung der ihr vorgeworfenen Verfahrensmängel zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Die Beschwerdeführerin rügt nämlich, dass die belangte Behörde keine hinreichenden Feststellungen über die Vorschreibung der Beiträge getroffen habe und der

"Todesbeihilfefond(s) ... rückwirkend mit 01.01.2005" nicht mehr

existiere, übergeht dabei jedoch, dass die Vorschreibung der Beiträge nicht Gegenstand des Verfahrens ist, weil die hier in Rede stehenden Beiträge bereits rechtskräftig vorgeschrieben worden waren, und zwar ausschließlich für Zeiträume bis 31. Dezember 2004. Im Übrigen kann der belangten Behörde auch kein relevanter Verfahrensmangel vorgeworfen werden, weil sie weitere Ermittlungen zum "katastrophalen" wirtschaftlichen Zustand der Beschwerdeführerin nicht vorgenommen habe, wäre es doch Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, diese Gründe zu präzisieren.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. November 2008

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