Normen
ÄrzteG 1998;
AufwandersatzV VwGH 2008 §1 Z1 lita;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §58;
AVG §82 Abs14;
B-VG Art20;
VwGG §48 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998;
AufwandersatzV VwGH 2008 §1 Z1 lita;
AVG §18 Abs2;
AVG §18 Abs4;
AVG §58;
AVG §82 Abs14;
B-VG Art20;
VwGG §48 Abs1 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit einer als "Bescheid" bezeichneten Erledigung des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 29. April 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Beitrag zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 2004 vorgeschrieben. Aus den Verwaltungsakten ist eine Genehmigung dieser Erledigung nicht ersichtlich. Auch für eine elektronische Fertigung gibt es keinen Hinweis. Auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Schriftstück befindet sich auf der Rückseite unter der Rechtsmittelbelehrung und einer Grußformel nur der folgende, offenbar formularmäßig gedruckte Text:
"Univ.Prof Dr. Michael Gnant e.h.
Vorsitzender des Verwaltungsausschusses
des Wohlfahrtsfonds"
Die dagegen erhobene Beschwerde (Berufung) wurde vom Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds mit Bescheid vom 1. Juni 2005 abgewiesen und die erstbehördliche Erledigung bestätigt.
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 15. März 2006 abgelehnt und sie mit Beschluss vom 6. April 2006 über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.1. Mit hg. Beschluss vom 20. April 2010, Zl. 2006/11/0058- 8, hielt der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 41 Abs. 1 VwGG - nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens - Folgendes vor:
"2.1. In seinem Beschluss vom 28. April 2008, Zl. 2007/12/0168, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgeführt:
"§ 18 AVG 1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 unterscheidet zwischen der Genehmigung einer Erledigung einerseits (Abs. 2; "interne Erledigung") und der Ausfertigung der Erledigung nach Außen anderseits (Abs. 4; "externe Erledigung") und trifft dafür spezifische Formvorschriften. Ergänzend dazu enthält § 82 Abs. 14 AVG 1991 Übergangsbestimmungen über die interne und die externe Erledigung, die bis zum 31. Dezember 2007 anzuwenden waren. § 18 Abs. 2 AVG 1991 in dieser im Zeitpunkt der Setzung des angefochtenen Aktes maßgeblichen Fassung sah vor, dass die "interne Erledigung" durch eigenhändige Unterzeichnung des Aktenstückes durch den Genehmigungsberechtigten zu beurkunden ist; die elektronische Beurkundung interner Erledigungen hat durch eine elektronische Signatur zu erfolgen. Bis zum 31. Dezember 2007 durfte die elektronische Beurkundung interner Erledigungen nach § 82 Abs. 14 AVG 1991 auch durch andere geeignete Verfahren als die elektronische Signatur geschehen, wenn diese durch technische und organisatorische Maßnahmen mit hinlänglicher Sicherheit gewährleisten, dass die Nachweisbarkeit der eindeutigen Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Genehmigungsvorgangs sowie die Unverfälschbarkeit des genehmigten Inhalts gegeben sind.
Externe Erledigungen haben nach § 18 Abs. 4 AVG 1991 in der genannten Fassung neben der Bezeichnung der Behörde, dem Datum der Genehmigung und dem Namen des Genehmigenden auch eine Fertigung zu enthalten: Sie müssen entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder von der Kanzlei beglaubigt werden. Nach § 82 Abs. 14 AVG 1991 bedurften bis zum 31. Dezember 2007 Ausfertigungen schriftlicher Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt, aber nicht elektronisch signiert worden sind, und Ausfertigungen, die telegrafisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung; bei vervielfältigten schriftlichen Erledigungen bedurfte nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einer Erledigung die Bescheidqualität, wenn die Urschrift - bzw. der betreffende "Referatsbogen" (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, § 18 AVG, E 22 wiedergegebene Rechtsprechung) - nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2002, Zl. 2002/12/0264, sowie die hg. Beschlüsse vom 12. Dezember 2001, Zl. 2000/03/0135, und vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/08/0062). Diese Rechtsprechung gilt auch für die durch die Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 geschaffene Rechtslage mit der Maßgabe, dass an die Stelle der eigenhändigen Unterschrift eine elektronische Beurkundung durch elektronische Signatur oder auf andere Weise erfolgen kann, die die Nachweisbarkeit der Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Genehmigungsvorganges ausreichend sicherstellt (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die der Partei zugestellte Ausfertigung eine dem § 18 Abs. 2 AVG entsprechende Unterfertigung durch den Genehmigenden (Originalunterschrift, elektronische Signatur) trägt und eine nicht unterschriebene Durchschrift im Akt verbleibt (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG I, 2004, § 18 Rz. 12; Walter/Thienel, aaO, E 30, sowie den hg. Beschluss vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/08/0062).
Die im vorliegenden Fall im Akt erliegende Urschrift ("Konzept") trägt keine Unterschrift der Genehmigenden, es ist auch keine elektronische Genehmigung ersichtlich; auch die der Partei zugestellte Ausfertigung weist keine solche Unterschrift auf. Die auf der Urschrift ersichtlichen Namenskürzel können nicht als "Unterschrift" angesehen werden: Als eine solche kann nur ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug angesehen werden, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt, aus der ein Dritter, der den Namen der Person kennt, diesen noch herauslesen kann (vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung bei Hengstschläger/Leeb, AVG I, 2004, Rz. 23 zu § 18 AVG). Die auf der Urschrift angebrachten (unleserlichen) Namenskürzel entsprechen diesen Erfordernissen nicht.
Dem Vorbringen der belangten Behörde, dass der Mangel der Unterschrift auf der Urschrift aus der externen Erledigung nicht ersichtlich war, ist entgegenzuhalten, dass es für die Qualifikation eines Aktes als Bescheid nicht allein auf den äußeren Anschein ankommt, sondern nach § 18 Abs. 2 AVG 1991 auch darauf, dass diese Erledigung durch einen für die Behörde handlungsbefugten Menschen genehmigt wird, und zwar grundsätzlich durch seine Unterschrift. Dies entspricht der allgemeinen Einsicht, dass die Rechtsordnung durch Menschen erzeugt und vollzogen wird. Nur auf diese Weise kann auch eine Verantwortlichkeit für die Führung der Verwaltung (Art. 20 B-VG) bestehen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, 16. Auflage 2004, Rz. 3 zu § 18 AVG). Darin kommt der wesentliche Grundsatz zum Ausdruck, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also den genehmigenden Organwalter erkennen lassen. Die Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 hat diesen Grundsatz nicht verändert, sondern ermöglicht lediglich, im Falle des Einsatzes der EDV die eigenhändige Unterschrift durch eine elektronische Signatur bzw. andere Formen des elektronischen Identitätsnachweises zu ersetzen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216; von diesen Möglichkeiten wurde im gegenständlichen Fall jedoch nicht Gebrauch gemacht).
Das von der belangten Behörde ins Treffen geführte Kostenrisiko der Beschwerdeführerin im Fall einer (für diese) nicht erkennbaren absoluten Nichtigkeit eines Aktes kann nichts daran ändern, dass mangels Genehmigung kein dem Hoheitsträger zurechenbarer Bescheid vorliegt. Die daraus erfließenden finanziellen Nachteile haben die belangte Behörde bzw. die einschreitenden Organwalter zu verantworten.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG können vor dem Verwaltungsgerichtshof nur Bescheide bekämpft werden. Damit ein Schriftstück als Bescheid wegen Rechtswidrigkeit beim Verwaltungsgerichtshof anfechtbar ist (Art. 130f B-VG), muss den zuvor genannten Anforderungen Genüge getan sein. Da sich im vorliegenden Fall die Identität des Genehmigenden jedoch weder aus der Urschrift noch aus der Ausfertigung in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise erkennen lässt, mangelt es der angefochtenen Erledigung jedoch an der Bescheidqualität."
2.2. Im Lichte dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof daher vorläufig davon aus, dass es sich bei der von der Beschwerdeführerin mit Berufung bekämpften erstinstanzlichen Erledigung nicht um einen Bescheid handelt.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden gemäß § 41 Abs. 1 VwGG aufgefordert, zu dieser vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes binnen vier Wochen Stellung zu nehmen."
2.2. Die belangte Behörde brachte in ihrer Stellungnahme vor, sie verzichte auf eine inhaltliche Äußerung.
2.3. Die Beschwerdeführerin teilte in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen die vorläufige Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen.
1.1. Die im Beschwerdefall maßgebende Bestimmung des § 18 AVG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 lautete:
"Erledigungen
§ 18.
...
(4) Externe Erledigungen haben schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von einer Partei verlangt wird oder wenn ihre Zustellung erforderlich ist. Die Ausfertigung der Erledigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie kann ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen. Die Verwendung einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) entfaltet jedenfalls die Wirkung einer Beglaubigung durch die Kanzlei.
(5) Für Bescheide gilt der III. Teil, für Ladungsbescheide überdies § 19."
1.2. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 (im Folgenden: ÄrzteG 1998) in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2005 lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit
aufrecht ist. ... .
...
Verwaltung des Wohlfahrtsfonds
§ 113. (1) Die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds ist von der Verwaltung des übrigen Kammervermögens getrennt zu führen und obliegt einem Verwaltungsausschuß, der sich zur administrativen Vorbereitung und Durchführung seiner Rechtsakte eines Dritten bedienen darf. Die Betrauung eines Dritten ist in der Satzung des Wohlfahrtsfonds zu regeln.
(2) Der Verwaltungsausschuß besteht aus dem Präsidenten, dem Finanzreferenten (stellvertretenden Finanzreferenten) sowie aus mindestens zwei weiteren Kammerräten. Die Zahl der weiteren Kammerräte wird vom Kammervorstand festgesetzt. Die Kammerräte werden von der Vollversammlung für die Dauer ihrer Funktionsperiode nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts gewählt. Scheidet einer der weiteren Kammerräte aus, so hat die Gruppe, aus der das scheidende Mitglied stammt, unverzüglich die Nominierung eines Nachfolgers vorzunehmen. Mit der Nominierung vor dem Verwaltungsausschuss gilt das betreffende Verwaltungsausschussmitglied als gewählt.
...
(4) Die Beschlüsse des Verwaltungsausschusses werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst. Gegen Beschlüsse des Verwaltungsausschusses steht den Betroffenen das Recht der Beschwerde an einen von der Vollversammlung bestellten Beschwerdeausschuss zu.
(5) Der Beschwerdeausschuss besteht aus einem Vorsitzenden
und vier weiteren Mitgliedern. ... .
(6) Der Beschwerdeausschuss entscheidet mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Für die Beschlussfähigkeit ist die Anwesenheit von zumindest drei Mitgliedern erforderlich. Eine Stimmenthaltung ist nicht zulässig, der Vorsitzende stimmt zuletzt ab. Die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses sind endgültig und können durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht angefochten werden.
(7) Für das Verfahren vor dem Verwaltungsausschuß und dem Beschwerdeausschuß ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anzuwenden. "
2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
2.1. Die Stellungnahmen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geben keinen Anlass, von der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 20. Mai 2010 vorläufig vertretenen Auffassung abzugehen. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass die der Beschwerdeführerin zugestellte Ausfertigung der erstbehördlichen Erledigung vom 29. April 2005 eine Unterschrift des Genehmigenden aufgewiesen hätte.
Im Hinblick auf den hg. Beschluss vom 28. April 2008, Zl. 2007/12/0168, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist mangels Genehmigung die erstbehördliche Erledigung vom 29. April 2005 nicht als Bescheid zu qualifizieren.
2.2. Da sich die von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde (Berufung) gegen einen Nichtbescheid richtete, hätte die Zuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde nur so weit gereicht, die Berufung als unzulässig zurückzuweisen. Für die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Erledigung in der Sache fehlte es der belangten Behörde an der funktionellen Zuständigkeit.
2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Soweit die Beschwerdeführerin für die Erstattung einer weiteren Gegenäußerung einen zusätzlichen Schriftsatzaufwand und die Umsatzsteuer begehrt, ist darauf hinzuweisen, dass der gemäß §§ 47 ff VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gebührende Schriftsatzaufwand nur einmal zusteht, wobei ein Pauschalbetrag zuzuerkennen ist, der auch die Umsatzsteuer enthält. Mehr an Schriftsatzaufwand kann daher nicht zuerkannt werden, weshalb das Mehrbegehren abzuweisen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2008, Zl. 2005/12/0068).
Wien, am 22. Juni 2010
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