VwGH 2006/10/0160

VwGH2006/10/016028.1.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der L-Apotheke in Wien, vertreten durch Dr. Walther Leeb, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 29, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 19. Juni 2006, Zl. BMGF-262443/0003-I/B/8/2005, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. EH in Wien, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §10 Abs1 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs1 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs4 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs4 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs7 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §29 Abs4 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §29 Abs5 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §48 Abs2;
AVG §8;
ApG 1907 §10 Abs1 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs1 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs4 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs4 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 Abs7 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §10 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §29 Abs4 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §29 Abs5 idF 2001/I/016;
ApG 1907 §48 Abs2;
AVG §8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 19. Juni 2006 wurde der mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Wien 20., mit einem näher umschriebenen Standort erteilt. Der Einspruch der beschwerdeführenden Partei wurde ab-, jener der Inhaberin der M-Apotheke zurückgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Österreichische Apothekerkammer habe im Berufungsverfahren ein Gutachten erstellt, wonach der L-Apotheke der beschwerdeführenden Partei im Falle der Neuerrichtung der von der mitbeteiligten Partei beantragten Apotheke die

5.961 ständigen Einwohner des grünen Polygons (laut beigeschlossenem Plan) zur Versorgung verbleiben würden. Da auch den umliegenden Nachbarapotheken im Falle der Neuerrichtung der beantragten Apotheke - wie näher dargelegt - ein Versorgungspotenzial von nicht weniger als 5.500 Personen verbleiben würde, sei der mitbeteiligten Partei die beantragte Konzession zu erteilen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 16/2001, (ApG) ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

Ein Bedarf besteht gemäß § 10 Abs. 2 ApG nicht, wenn

1. sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt, oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheke aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als

5.500 betragen wird.

Gemäß § 10 Abs. 4 ApG sind zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, sind nach § 10 Abs. 5 ApG die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

Zur Frage des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist gemäß § 10 Abs. 7 ApG ein Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer einzuholen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer gestützte Auffassung zu Grunde, der L-Apotheke der beschwerdeführenden Partei würden im Fall der Errichtung der beantragten Apotheke unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, insbesondere der Entfernungen zu betreffenden Apotheken, 5.961 ständige Einwohner zur Versorgung verbleiben. Die negative Bedarfsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG sei daher in Ansehung der beschwerdeführenden Partei nicht erfüllt.

Die beschwerdeführende Partei bringt dagegen zunächst vor, das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer sei "angesichts der gegenüber früher erstatteten Gutachten geänderten Berechnungsmethode" nicht nachvollziehbar. Während früher eine Zuordnung der Bevölkerung nach Zählsprengeln erfolgt sei, würden nun mit "digitaler Methode" Polygone gebildet, die sich den ursprünglichen Zählsprengeln nicht zuordnen ließen. Teilweise seien die Polygongrenzen auch gar nicht durch Straßen gekennzeichnet, sondern gingen mitten durch Gebäude hindurch. Eine genaue Zuordnung der Bewohner solcherart "geteilter Gebäude" sei nicht möglich. "Der Magistrat" sei auch nicht bereit gewesen, die von ihm erhobenen Daten den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung zu stellen.

Im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer wurde nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten zur Untersuchungsmethode ausgeführt, die Versorgungspolygone der in Betracht kommenden öffentlichen Apotheken seien auf der Grundlage digitaler Landkarten nach Maßgabe der - im vorliegenden Fall mangels geographischer oder verkehrstechnischer Besonderheiten - maßgeblichen Entfernungsverhältnisse bei Benützung ganzjährig befahrbarer Straßenverbindungen bzw. - bei Entfernungen von weniger als 500 m von den jeweiligen Betriebsstätten aus - auch unter Berücksichtigung von Fußwegen ermittelt worden. In der Folge sei die Anzahl der im jeweiligen Polygon wohnhaften Personen unter Mitwirkung des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 14 - ADV Referat KP2, Vienna GIS-Dienste) erhoben und die Gesamtzahl dem Gutachten zu Grunde gelegt worden.

Mit ihrem Hinweis auf die ihres Erachtens mangelnde Vergleichbarkeit der nunmehrigen Darstellung der Polygone mit den früher verwendeten Zählsprengeln zeigt die beschwerdeführende Partei keinen Grund auf, an den Ergebnissen des Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer zu zweifeln. Dass die Versorgungspolygone den früheren Zählsprengeln nicht "zugeordnet" werden könnten, besagt nicht, dass die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Polygone nicht nachvollziehbar ermittelt oder umschrieben worden wären. Im Übrigen wäre es Sache der beschwerdeführenden Partei gewesen, die Richtigkeit der ihr von der belangten Behörde zur Kenntnis gebrachten Umschreibung der Versorgungsgebiete mit den - allein maßgeblichen - an Ort und Stelle herrschenden Verhältnissen zu überprüfen und dabei festgestellte Unrichtigkeiten konkret geltend zu machen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, Zl. 2005/10/0228). Dies ist nicht geschehen. Dass aber "der Magistrat" - so die Beschwerde - nicht bereit gewesen sei, die von ihm erhobenen Daten der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung zu stellen, kann nicht der belangten Behörde als Verfahrensmangel angelastet werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt weiters vor, es sei übersehen worden, dass die Leystraße früher nicht durchgehend begehbar gewesen sei, nunmehr aber für Fußgänger ein Durchgang unter der Schnellbahntrasse geschaffen worden sei. Damit sei es für Bewohner der Stiege 3 des Otto-Haas-Hofes und die Einwohner von etwa 13 Stiegen des Winarskyhofes mit jeweils etwa 15 Wohnungen wesentlich leichter, die Apotheke am Allerheiligenplatz zu erreichen als die L-Apotheke der beschwerdeführenden Partei. Rechne man daher vom ermittelten Versorgungspotenzial von 5.961 Personen 585 Personen ab - zu dieser Anzahl gelange man, wenn man eine Belegung der betroffenen Wohnungen mit jeweils 3 Personen annehme -, so sinke dieses unter das Mindestversorgungspotenzial.

Dieses Vorbringen verstößt gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot. Die beschwerdeführende Partei hat nämlich im Verwaltungsverfahren trotz gebotener Gelegenheit, zum Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer Stellung zu nehmen, kein entsprechendes Vorbringen erstattet. Mit ihrer nunmehrigen Behauptung zeigt sie daher schon aus diesem Grund keinen Verfahrensmangel auf.

Die beschwerdeführende Partei rügt, die belangte Behörde habe den im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand übergangen, dass sowohl die Adalbert-Stifter-Straße als auch die Nordwestbahn "Barrieren" darstellten, die nur von einem geringen Teil der Bevölkerung überwunden würden. Dies sei durch die Aufstellung der beschwerdeführenden Partei über die in den letzten Jahren eingelösten Rezepte bestätigt worden.

Weder im Verwaltungsverfahren noch selbst in der vorliegenden Beschwerde hat die beschwerdeführende Partei jene Umstände dargelegt, die nach ihrer Auffassung - im Gegensatz zu jener der belangten Behörde - eine Überwindung der Adalbert-Stifter-Straße bzw. der Nordwestbahn als nur schwer möglich erscheinen lassen. Mit der bloßen Behauptung, es handle sich um "Barrieren", wird nicht aufgezeigt, dass keine regelmäßig benützbare Möglichkeit zur Querung der Adalbert-Stifter-Straße bzw. der Nordwestbahn bestünde.

Dem Hinweis auf die vorgelegte Aufstellung eingelöster Rezepte ist zu entgegnen, dass es bei der Bedarfsprüfung gemäß § 10 ApG auf das nach den objektiven Umständen zu erwartende und nicht auf das - von subjektiven Gesichtspunkten mitbestimmte - gegenwärtige Kundenverhalten ankommt. Es ist daher nicht ausschlaggebend, wo die in Frage kommenden Einwohner bisher ihre Rezepte eingelöst haben (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2002, ZL. 2001/10/0069, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die beschwerdeführende Partei rügt weiters, es sei die Anziehungskraft der "Milleniums-City" auf die ihrer Apotheke zugerechneten ständigen Einwohner übersehen worden. Die zur M-Apotheke pendelnden Einwohner hätten daher bei ihrem Kundenpotenzial abgezogen werden müssen.

Bei diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Partei, dass für eine solche Verringerung des Kundenpotenzials das Gesetz keine Grundlage gibt. Denn es sind gemäß § 10 Abs. 4 ApG die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke dem Versorgungspotenzial dieser Apotheke im Sinn des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG dann ohne weiteres zuzurechnen, wenn auf Grund der örtlichen Verhältnisse, d.h. auf Grund der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit dieser Apotheke erwartet werden kann, dass sie aus dieser weiterhin zu versorgen sein werden. Ob wegen der "Anziehungskraft" der "Milleniums-City" zu erwarten ist, dass sie dorthin auspendeln und bei dieser Gelegenheit gleich auch ihren Arzneimittelbedarf in der M-Apotheke decken werden, ist daher nicht entscheidend. Mit diesem Hinweis zeigt die beschwerdeführende Partei somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Schließlich rügt die Beschwerde noch, dass der angefochtene Bescheid fälschlich von einem hinreichenden Versorgungspotenzial der M-Apotheke ausgegangen sei.

In diesem Punkt genügt der Hinweis, dass der Inhaber einer bestehenden öffentlichen Apotheke im Verfahren über die Verleihung einer Apothekenkonzession nur die Gefährdung seiner Existenz geltend machen, also vorbringen kann, dass die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte jener öffentlichen Apotheke weniger als 500 m betrage, bzw. dass die Zahl der von ihren bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringern und weniger als 5.500 betragen werde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2005, Zl. 2001/10/0161). Die Existenzgefährdung einer öffentlichen Apotheke zufolge Errichtung der beantragten Apotheke kann aber nur vom Inhaber der betreffenden Apotheke geltend gemacht werden. Auf das eine andere als die eigene Apotheke betreffende Vorbringen der beschwerdeführenden Partei war somit nicht einzugehen.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Jänner 2008

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