Normen
ABGB §140 Abs2;
ABGB §140 Abs3;
BehindertenG Stmk 2004 §29 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ABGB §140 Abs2;
ABGB §140 Abs3;
BehindertenG Stmk 2004 §29 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 594,72 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 23. Mai 2005 wurde der Beschwerdeführerin für ihren Sohn die Übernahme der Kosten für maximal 600 Stunden Familienentlastungsdienste im Zeitraum von Juli 2005 bis Juni 2007 gemäß § 3 Abs. 1 lit. m in Verbindung mit § 22 Stmk. Behindertengesetz, LGBl. Nr. 26/2004, gewährt, gleichzeitig aber ihr Antrag auf Erlass des 10 %igen Selbstbehalts gemäß § 29 Abs. 2 BehindertenG abgewiesen.
Es wurde auch ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin den 10 % igen Selbstbehalt tragen müsse.
Auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Abweisung des Antrags auf Erlass der Verpflichtung nach § 29 Stmk. BHG zur Tragung von 10 % der Kosten für die Hilfe nach § 22 erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde der Berufung keine Folge gab.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsvorschriften aus, dass die Beschwerdeführerin über den Sommer mit einem monatlichen Einkommen in der Höhe von netto EUR 608,60 beschäftigt sei. In den Wintermonaten beziehe sie ein Arbeitslosengeld von EUR 528,90. An Familienbeihilfe erhalte sie monatlich EUR 155,--, worin die erhöhte Familienbeihilfe für ihren Sohn nicht enthalten sei. Das Pflegegeld für ihren Sohn in der Pflegestufe 7 betrage EUR 1.502,10. Für den Sohn erhalte sie von dessen Vater einen monatlichen Kindesunterhalt in der Höhe von EUR 190,--. Ihr monatliches Gesamteinkommen betrage somit ohne Pflegegeld von April bis Oktober EUR 953,60, von November bis März EUR 873,90. Nach detaillierter Wiedergabe der "monatlichen Fixkosten" (wie von ihr angegeben) wird angeführt, welche Kosten für ein Kfz aus dem Pflegegeld getragen werden.
Der 10%ige Selbstkostenanteil für die gewährte Hilfe im Ausmaß von maximal 600 Stunden im Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2007 betrage monatlich ca. EUR 110,--. Da mit dem Pflegegeld keine mobilen Dienste (Hauskrankenpflege, Heimhilfe) zugekauft würden, sei der größte Anteil des Pflegegeldes als Einkommen der Beschwerdeführerin anzusehen, da diese letztlich die Pflege ihres Sohnes besorge und somit einen Entgeltanspruch aufweise.
Für die Pflege ihres Sohnes fielen an Ausgaben nur die Kosten für das behindertengerechte Auto an. Es erscheine daher zumutbar, den für die Familienentlastungsdienste im Rahmen der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung anteiligen 10%igen Selbstbehalt zu tragen.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 8. März 2006, B 11/06, abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Begründend verwies der Verfassungsgerichtshof insbesondere auf die hinreichende Bestimmtheit des § 29 Abs. 3 Behindertengesetz und führte sodann aus:
"Soweit die Beschwerde überdies die Verfassungswidrigkeit des § 29 Abs. 2 Stmk. BHG (mit dem von der belangten Behörde angenommenen Inhalt) geltend macht, lässt sie außer Acht, dass die ... als 'Einkommen' zugerechneten Geldleistungen, insbesondere das Pflegegeld, gerade dazu bestimmt sind, der pflegebedürftigen Person so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern."
In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Behindertengesetz, LGBl. Nr. 26/2004 - Stmk. BHG, noch in seiner Stammfassung anzuwenden. Es war daher insbesondere die durch die Novelle LGBl. Nr. 74/2007 mit § 29a BHG eingefügte Legaldefinition für den in § 29 Abs. 3 Behindertengesetz als Voraussetzung für den gänzlichen oder teilweisen Erlass des Selbstbehalts nach § 29 Abs. 2 des Gesetzes normierten "Härtefall" bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht anwendbar; gegebenenfalls wird die eingefügte Vorschrift im fortgesetzten Verfahren zum Tragen kommen.
§ 29 Stmk. BHG in der Stammfassung lautete:
"§ 29.
Höhe der Hilfe zum Wohnen
(1) Die Höhe des monatlichen Entgeltes für die persönliche Assistenzleistung gemäß den §§ 21 und 22 ist begrenzt mit der Höhe des monatlichen Entgeltes für eine vergleichbare stationäre Hilfeleistung.
(2) Vom monatlichen Entgelt für die persönliche Assistenzleistung gemäß Abs. 1 haben der Mensch mit Behinderung, seine Ehegattin oder seine Eltern im Rahmen der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung einen Anteil von 10 % selbst zu tragen.
(3) In finanziellen Härtefällen kann der Eigenanteil gemäß Abs. 2 verringert oder gänzlich erlassen werden."
Der angefochtene Bescheid beruht wesentlich auf der Auffassung, dass deshalb kein Härtefall im Sinne des § 29 Abs. 3 Stmk. BHG vorliege, weil die Heranziehung des für den Sohn der Beschwerdeführerin bezogenen Pflegegeldes in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Beschwerdeführerin als Mutter die Pflegeleistung, für deren Abgeltung das Pflegegeld gedacht sei, selbst erbringt, zulässig sei (und unter Berücksichtigung der Relation zwischen monatlicher Belastung und Höhe des mangels Zukauf sonstiger Leistungen der Mutter des Beschwerdeführers weitgehend zur Verfügung stehenden Pflegegeldes nicht von einem Härtefall gesprochen werden könne).
Die Beschwerde wendet sich einerseits schon grundsätzlich gegen die Annahme einer Zahlungspflicht der Beschwerdeführerin, da gemäß § 140 Abs. 2 ABGB der Elternteil, der in dem von ihm geführten Haushalt das Kind betreue, seinen gesamten Unterhaltsanteil leiste, sowie andererseits gegen die Einbeziehung der Familienbeihilfe bzw. des Pflegegeldes (sowie des Unterhaltsanspruches des Sohnes der Beschwerdeführerin gegen seinen Vater) als Einkommen der Beschwerdeführerin bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Kostentragung nach § 29 Abs. 2 Stmk. BHG.
Zum Einwand hinsichtlich der Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung gemäß § 140 Abs. 2 ABGB:
Nach § 29 Abs. 2 Stmk. BHG ist die Ersatzpflicht der dort außer dem Menschen mit Behinderungen genannten Personen mit ihrer zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung begrenzt.
Die belangte Behörde hat zwar festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ihren Sohn pflegt (und daraus im Sinne der hg. Rechtsprechung auch abgeleitet, dass sie demzufolge einen Anspruch auf das für den Sohn ausbezahlte Pflegegeld habe; dazu siehe unten), sie hat sich aber nicht mit der Frage befasst, ob angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin durch die Betreuung und Pflege ihres Sohnes offensichtlich ihrer Unterhaltsverpflichtung durch die Gewährung von Naturalunterhalt nachkommt, die Beschwerdeführerin überhaupt eine darüber hinaus gehende Unterhaltsverpflichtung trifft (vgl. zur Erfüllung der Unterhaltspflicht durch Leistung von Naturalunterhalt etwa die Urteile des OGH vom 31. Jänner 2002, 6Ob230/01, 1. Juli 2004, 2Ob128/04v, oder vom 8. Mai 2008, 3Ob 44/08d). Nur wenn die Beschwerdeführerin eine über die Leistung des Naturalunterhalts hinausgehende Geldleistungsverpflichtung träfe, hätte die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin einen Kostenbeitrag zu leisten habe, getroffen werden dürfen.
Die belangte Behörde hat daher den bei ihr bekämpften Bescheid in diesem Umfang bestätigt, ohne sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob die vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen die Annahme einer Ersatzpflicht der Beschwerdeführerin nach § 29 Abs. 2 Stmk. BHG decken. Sie hat dementsprechend auch keine nähere Begründung für die Bejahung der Verpflichtung zur Leistung eines Eigenanteils unter diesem Aspekt gegeben.
Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an einem Feststellungs- und Begründungsmangel, sodass er schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Unabhängig davon, zu welchem Ergebnis eine Beurteilung im Lichte des § 29 Abs. 2 Stmk. BHG im Beschwerdefall im Lichte der vorstehenden Ausführungen führt, ist zu dem übrigen Beschwerdevorbringen (auch wenn diese Rechtsfragen im fortgesetzten Verfahren keine Rolle mehr spielen mögen, wenn eine Verpflichtung zur Tragung eines Eigenanteils der Beschwerdeführerin schon dem Grunde nach zu verneinen sein sollte) auf Folgendes hinzuweisen:
Mit dem Vorbringen zur Berücksichtigung des Pflegegeldes wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie zur Feststellung, ob ein Härtefall vorliege, einen Vergleich der der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Mittel mit dem sich nach § 29 Abs. 2 Behindertengesetz im vorliegenden Fall ergebenden Betrag (dem Selbstkostenbeitrag, sofern die Verpflichtung zu seiner Leistung bestehen sollte) anstellte. Sie kam dabei unter Einbeziehung des für den Sohn der Beschwerdeführerin bezogenen Pflegegelds in Höhe von EUR 1.502,10 zum Ergebnis, dass die Tragung des Selbstbehalts zumutbar sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Oktober 1998, Zl. 97/08/0510, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OGH zum Hilflosenzuschuss festgestellt hat, ist eine Anrechnung des für ein Kind bezogenen Pflegegeldes auf das Einkommen eines Elternteils dann gerechtfertigt, wenn dieser auf Kosten seiner sonst bestehenden Verdienstmöglichkeiten "gerade jene Pflegeleistungen erbringt, zu deren Abdeckung (zweckgebunden) das Pflegegeld dient". Der Beschwerdefall bietet keinen Anlass, von dieser Auffassung abzugehen.
Der angefochtene Bescheid war im Hinblick auf den oben dargestellten Feststellungs- und Begründungsmangel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrags auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 21. Oktober 2009
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