Normen
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;
ASVG §138;
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;
ASVG §138;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Neusiedl am See am 3. Jänner 2006 eine Beschäftigung als Filialleiterstellvertreterin bei P. in Neusiedl am See zugewiesen. Dazu findet sich im Akt ein Computerausdruck mit folgendem Inhalt:
"Filialleiter/in-Stellvertreter/in
ab sofort aufgenommen. Anforderungen: Erfahrungen im Verkauf, EDV-Kenntnisse (Linux) von Vorteil. Arbeitszeit: nach Absprache, Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 30 Stunden pro Woche.
Entlohnung: nach Vereinbarung. Dienstgeber: P, Ostraße , ... N, Tel.Nr: .... Bewerbung: Ihre schriftliche Bewerbung geben sie bitte in der Filiale in N ab."
Laut der am 3. Februar 2006 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aufgenommenen Niederschrift zum Gegenstand "Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung" gab die Beschwerdeführerin an, dass es richtig sei, dass sie keine Bewerbung abgegeben habe. Sie könne nicht mehr nachvollziehen, warum sie die Bewerbung nicht abgegeben habe, da sie diese geschrieben habe und auch aufgrund eines Arzttermins in N gewesen sei. Ergänzend brachte sie vor, dass sie bereits am 6. Jänner 2006 unter starken Rückenschmerzen gelitten habe und deshalb ab der darauf folgenden Woche in ärztlicher Behandlung und im Krankenstand gewesen sei.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 15. Februar 2006 wurde die Beschwerdeführerin des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum 1. Februar 2006 bis 14. März 2006 verlustig erklärt und eine Nachsicht nicht gewährt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine mögliche Arbeitsaufnahme bei P. vereitelt habe, da sie sich nicht beworben habe. Berücksichtigungswürdige Gründe lägen nicht vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie weder eine etwaige Arbeitsaufnahme bei P. verweigert noch die Annahme einer möglichen Beschäftigung vereitelt habe. Das schriftliche Stellenangebot der regionalen Geschäftsstelle sei zwar mit 3. Jänner 2006 datiert gewesen, erhalten habe sie dieses nach ihren persönlichen Aufzeichnungen erst am 9. Jänner 2006. Bewerbung und Lebenslauf seien von ihr sofort zur Abgabe hergerichtet worden, doch habe sie unter großen Schmerzen gelitten, sodass es ihr nicht möglich gewesen sei, die Unterlagen nach N zu bringen. Auf Grund der Verschlechterung ihres Zustandes sei sie gezwungen gewesen, sich mit 11. Jänner 2006 in ärztliche Behandlung zu begeben. Sie habe den Krankenstand auch der Serviceline des Arbeitsmarktservice sofort gemeldet. Kopien der Krankenstandsbestätigungen habe sie persönlich am 12. Jänner 2006 bei Herrn G. (offenbar einem Mitarbeiter der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice) abgegeben. Die Abgabe der Bewerbungsunterlagen sei deswegen nicht erfolgt, da die Beschwerdeführerin im Krankenstand gewesen sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführerin am 3. Jänner 2006 eine Beschäftigung als Filialleiterstellvertreterin bei P. mit möglichem Arbeitsantritt am 1. Februar 2006 zugewiesen worden sei. Vom Dienstgeber sei eine schriftliche Bewerbung verlangt worden, welche in der Filiale N hätte abgegeben werden sollen. Eine Bewerbung durch die Beschwerdeführerin sei jedoch nicht erfolgt. Vom 11. bis 25. Jänner 2006 sei die Beschwerdeführerin von ihrem Hausarzt krank geschrieben worden. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin gehe hervor, dass sie keine Einwände gegen die angebotene Beschäftigung habe. Gründe, die die Zumutbarkeit der Beschäftigung in Frage stellten, seien nicht vorgebracht worden und würden sich auch nicht ergeben. Anhand der Computeraufzeichnungen sei ersichtlich, dass das Stellenangebot von P. am 3. Jänner 2006 erstellt worden sei. Noch am selben Tag sei dieses Poststück an die Beschwerdeführerin übermittelt worden. Auf Grund des vermehrten Briefwechsels zu den Weihnachtsfeiertagen werde jedoch dem Vorbringen der Beschwerdeführerin geglaubt, dass sie den Brief erst am 9. Jänner 2006 erhalten habe. Bis zum Beginn des Krankenstandes am 11. Jänner 2006 habe die Beschwerdeführerin jedoch Zeit gehabt, die Bewerbungsunterlagen bei der betreffenden Filiale abzugeben. Des Weiteren habe die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt, P. telefonisch vom Einlangen der Bewerbungsunterlagen zu informieren (wohl gemeint: das Einlangen der Bewerbungsunterlagen telephonisch anzukündigen) und diese per Post zu übermitteln. Auch hätte sie P. von der Ernsthaftigkeit ihrer Bewerbung überzeugen können und den vorübergehenden Grund, welcher die Beschwerdeführerin an der Abgabe der Unterlagen gehindert habe, bekannt geben können. Weiters sei die Beschwerdeführerin am 12. Jänner 2006 in N gewesen, um einen Termin bei dem Radiologen Dr. K. einzuhalten. Die Ordination läge nur ca. 284 m von der Filiale von P. entfernt. Die Beschwerdeführerin hätte daher die Möglichkeit gehabt, ihre Bewerbung an diesem Tag persönlich abzugeben. Zudem habe sie am selben Tag auch eine Kopie der Krankschreibung bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice abgegeben. Die Beschwerdeführerin habe demnach genügend Möglichkeiten gehabt, ihre schriftliche Bewerbung bei P. abzugeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat folgenden Wortlaut:
"Arbeitswilligkeit
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."
§ 10 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
...
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
...
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."
Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen (sieht man vom Fall der Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, ab) auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins, Nichtantritt der Arbeit, etc.), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage tretenden) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2005/08/0106, mwN). Ein Arbeitsloser ist allerdings nicht verhalten, sich zu bewerben, wenn und solange er infolge Krankheit arbeitsunfähig im Sinne § 138 ASVG ist.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hätte sich die belangte Behörde zunächst mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie schon ab 6. Jänner 2006 unter starken Rückenschmerzen gelitten habe, und mit dem Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin vom 11. Jänner 2006 bis 25. Jänner 2006 dann tatsächlich im Krankenstand befand, auseinandersetzen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 95/08/0030). Festzuhalten ist jedenfalls, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde nach dem Wortlaut der Zuweisung eine postalische oder telefonische Bewerbung laut dem eindeutigen Wortlaut der Stellenanzeige nicht genügt hätte. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. September 2007
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