VwGH 2006/06/0168

VwGH2006/06/016825.9.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des Dipl.-Ing. P M und 2. der Mag. G P, beide in I, beide vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Colingasse 3, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 4. Mai 2006, Zl. I-Präs-00449/2005, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: W-Gmbh in I, vertreten durch Dr. G. Heinz Waldmüller und Dr. Martin Baldauf, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der am 14. April 2005 beim Stadtmagistrat Innsbruck eingelangten Eingabe vom 5. April 2005 kam die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für verschiedene Änderungen zu einem bereits bewilligten Bauvorhaben in Innsbruck ein (es geht bei diesen Änderungen unter anderem um eine Mauer im Abstandsbereich zum Grundstück der Beschwerdeführer).

Der Stadtmagistrat Innsbruck erteilte mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 8. Juni 2005 die angestrebte Bewilligung. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer als Nachbarn Berufung.

Nach verschiedenen Verfahrensschritten hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung mit gewissen Maßgaben bestätigt.

Begründend heißt es nach Darstellung des Verfahrensganges, im Rahmen des zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahrens habe die Magistratsabteilung III, Bau- und Feuerpolizei, Umwelt, eine Stellungnahme (vom 19. Oktober 2005) abgegeben. Mit einem (früheren) rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid sei eine Mauer an der Grundstücksgrenze bewilligt worden. Tatsächlich sei diese Mauer nicht an der Grenze errichtet, sondern ca. 1,00 m in den Bauplatz nach Osten verrückt worden. Die Bauwerberin habe eine Plantektur vorgenommen. Es sei in dieser Tektur eine Absturzsicherung an der Kante der Terrasse im Erdgeschoss eingezeichnet und die Mauer im Abstandsbereich zur westlichen Grundstücksgrenze des Bauplatzes genau bemaßt worden. Dieser Mauer werde abgestuft ausgeführt. Der nördliche Teil dieser Mauer werde nicht waagrecht sondern mit einem leichten Gefälle in Richtung Süden "bebaut" und habe eine maximale Höhe von 1,988 m vom Gelände vor der Bauführung aus gemessen. Der südliche Teil der Mauer werde waagrecht ausgeführt, wobei der höchste Punkt der Mauer eine maximale Höhe von 2,00 m habe. Das Gelände hinter der Mauer in Richtung Osten bis zur Terrasse werde bogenförmig bis auf die Terrassenhöhe aufgeschüttet. Dieser aufgeschüttete Gartenteil werde im Abstandsbereich von 4,00 m zur Grundstücksgrenze nicht begangen. Es werde mit einem Abstand von 4,00 m zur Grundstücksgrenze eine Abgrenzung (Absturzsicherung) errichtet, sodass der Abstandsbereich von der Gartenanlage der angrenzenden Wohnung getrennt werde. Zum Einwand der Beschwerdeführer, dass die geplante Mauer an der Grenze in natura höher als 2,00 m sei, sei festzustellen, dass, wie in den Plänen dargestellt, im Bereich dieser Mauer an der Grenze geringfügige Geländeveränderungen im Rahmen der Möglichkeiten der Tiroler Bauordnung durchgeführt würden. Die Mauerhöhe gemessen vom Gelände vor der Bauführung entspreche laut Auffassung des Amtssachverständigen der Tiroler Bauordnung.

Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, schloss sich die belangte Behörde dieser Beurteilung an und führte insbesondere aus, dass nach der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) für die Höhenbestimmung regelmäßig das Gelände vor der Bauführung maßgebend sei, das heiße, dass Abgrabungen im Zuge der Bauführung unberücksichtigt blieben. Unter Berücksichtigung des Geländes vor der Bauführung weise die fragliche Mauer eine Höhe von maximal 2,00 m auf und entspreche damit den Abstandsbestimmungen des § 6 Abs. 3 lit. c TBO 2001. Die von den Beschwerdeführern behauptete Höhe der Stützmauer von 2,434 m gehe hingegen vom Gelände nach der Bauführung aus.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Bauwerberin, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 93 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 60/2005, anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.

§ 25 Abs. 3 TBO 2001 lautet:

"(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. b) der Bestimmungen über den Brandschutz;
  2. c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;
  3. d) der Abstandsbestimmungen des § 6;
  4. e) im Fall, dass ein allgemeiner Bebauungsplan und ein ergänzender Bebauungsplan oder ein Bebauungsplan mit den Festlegungen des allgemeinen und des ergänzenden Bebauungsplanes nicht bestehen, das Fehlen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 oder § 113 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001"

    § 6 Abs. 1 und 3 TBO 2001 lautet auszugsweise:

    "§ 6

    Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen

(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der

a) im Gewerbe- und Industriegebiet, im Kerngebiet, auf Sonderflächen nach den §§ 43 bis 47 und 50 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 und im Freiland das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum übrigen Bauland, zu Sonderflächen nach den §§ 48, 49 und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 und zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter, und

b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 49 und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,

beträgt. Wurde das Geländeniveau durch die Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist bei der Berechnung der Abstände nach lit. a und b vom Geländeniveau vor dieser Veränderung auszugehen. Andernfalls ist vom bestehenden Geländeniveau auszugehen. Dies gilt auch dann, wenn eine Geländeveränderung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Ist jedoch in einem Bebauungsplan eine Höhenlage festgelegt, so ist in allen Fällen von dieser auszugehen.

(2) ...

(3) Folgende bauliche Anlagen oder Bauteile dürfen in die Mindestabstandsflächen von 3 bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:

...

c) Stützmauern, Geländer, Brüstungen, Einfriedungen und dergleichen bis zu einer Höhe von insgesamt 2 m, im Gewerbe- und Industriegebiet bis zu einer Höhe von insgesamt 2,80 m, jeweils vom höheren anschließenden Gelände gemessen, außer der betroffene Nachbar stimmt einer größeren Höhe nachweislich zu;

..."

Die Annahme der Beschwerdeführer, die Oberkante der fraglichen Mauer verlaufe konkav von einer Höhe von 2,00 m ansteigend auf 2,434 m, gemessen vom ursprünglichen Geländeniveau, trifft nach den maßgeblichen Plänen nicht zu. Wohl scheint in den Plänen ein Maß von 2,434 m auf, das bezieht sich aber nicht auf die Höhe der Mauer; die Höhe der Mauer in ihrem Endpunkt, gemessen vom ursprünglichen Gelände, ist mit 2,00 m kotiert. Es ist auch nicht richtig, dass nach den bewilligten Plänen die Oberkante der Mauer konkav aufsteige (siehe die mit den Plänen übereinstimmende Darstellung im angefochtenen Bescheid). Das in den Plänen Dargestellte ist Gegenstand des bewilligten Vorhabens. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Bauverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist und daher das Vorhaben maßgeblich ist und nicht etwa eine möglicherweise davon abweichende tatsächliche Ausführung (hier möglicherweise eine vom Vorhaben abweichende bogenförmige Ausführung, weil damit argumentiert wird).

Es trifft somit nicht zu, dass die belangte Behörde von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen wäre.

Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, dass eine geringere als die geplante Höhe des Südabschnittes der Stützmauer eine komplette Einschüttung des Untergeschosses des Neubaues technisch unmöglich machen würde, was zur Folge hätte, dass sich die Baumassendichte des Vorhabens entscheidend vergrößern würde. Die belangte Behörde hätte daher die Genehmigung des geplanten Vorhabens wegen Verletzung der gebotenen Baumassendichte zu versagen gehabt. Dem ist zu entgegnen, dass dem Nachbarn hinsichtlich der Frage, ob das Bauvorhaben die höchstzulässige Geschossflächendichte und die höchstzulässige Baumassendichte überschreitet, mangels Aufzählung im Katalog des § 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001 kein Mitspracherecht zukommt (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/06/0015, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. September 2007

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