VwGH 2005/20/0329

VwGH2005/20/032917.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des V in W, geboren 1986, vertreten durch Mag. Helmut Seitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. April 2005, Zl. 258.656/0-VIII/23/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AsylG 1997 §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs2;
AsylG 1997 §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsbürger, stammt seinen Angaben zufolge aus dem Anambra-State, ist Angehöriger des Stammes der Ibo und Christ. Er reiste am 28. April 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22. Februar 2005 gab der Beschwerdeführer zunächst bei der Erfassung seiner persönlichen Daten an, er habe sich an seiner letzten "Wohnadresse" im Heimatland bis Jänner 2004 aufgehalten. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer dann aus, er habe an einem Abend im März 2003 einen namentlich genannten Pater über dessen Aufforderung gemeinsam mit seinem Vater und einer weiteren Person zu einem Schrein in einem nahen Dorf begleitet. Dort habe der Pater den Schrein zerstört. Dabei seien sie erkannt worden und der Beschwerdeführer und sein Vater seien weggelaufen. Den Pater, der auch Weihwasser bei sich gehabt habe, hätte man nicht verfolgen dürfen, weil dieser gebetet habe. Deshalb hätten Angehörige dieses Dorfes, die den Schrein bzw. das Orakel verehrten und nicht zur Kirche gingen, in der Folge den Vater und die Mutter des Beschwerdeführers sowie seinen Bruder ermordet und deren Haus zerstört. Der Beschwerdeführer, der noch davor habe flüchten können, habe sich in der Folge in einer Hütte auf einer der Familie gehörigen Farm in einem anderen Dorf bis zu seiner Ausreise versteckt. Dieser Ort sei von jenem Dorf, in dem sich der Schrein befunden habe, (zu Fuß) eine Stunde entfernt. Die Dorfbewohner hätten nach dem Beschwerdeführer gesucht, weil sie ihn für die Zerstörung des Orakels verantwortlich gemacht hätten. Fluchtauslösend sei schließlich gewesen, dass dem Beschwerdeführer "alte Frauen" mitgeteilt hätten, dass er (noch immer) gesucht werde. Als er bei seiner Rückkehr das Haus auf der Farm zerstört vorgefunden habe, sei er Mitte März 2004 geflüchtet. Bei einer Rückkehr fürchte er, von den genannten Dorfbewohnern umgebracht zu werden. In einen anderen Landesteil könne er nicht, weil ihn die Verfolger - so wie zuletzt - überall finden könnten.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2005 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt ging primär von der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers aus. Diese Einschätzung gründete es konkret auf - seiner Ansicht nach nicht nachvollziehbar erklärte - Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Beginns seiner Flucht (Jänner 2004 einerseits und 14. bzw. 15. März 2004 andererseits) und auf die Unmöglichkeit, auch nur annähernd die Zahl der Bewohner bzw. Häuser jenes Dorfes, in dem er sich zuletzt aufgehalten habe, zu nennen. Weiters stützte es die beweiswürdigende Beurteilung auf näher begründete Plausibilitätsüberlegungen betreffend die Unterlassung einer Verfolgung des den Schrein zerstörenden Paters sowie hinsichtlich des langen Verbleibes des Beschwerdeführers in dem von den angeblichen Verfolgern nicht weit entfernten Dorf nach der Tötung seiner Angehörigen im März 2003 bis zu seiner Ausreise. Schließlich erachtete das Bundesasylamt die Schilderung noch ganz allgemein für vage und unplausibel. Da der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe, kam die Erstbehörde rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung von Refoulement-Schutz. Das gründete das Bundesasylamt aber auch auf die Annahme, für den Beschwerdeführer bestünde die reale Möglichkeit, sich vor einer nicht-staatlichen Verfolgung - etwa wegen "religiöser Schwierigkeiten" - durch einen Ortswechsel innerhalb Nigerias (z.B. in der Millionenstadt Lagos) in Sicherheit zu bringen und dadurch einer solchen Gefahr "endgültig zu entgehen". Mangels familiärer Bindungen in Österreich hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung des Beschwerdeführers für gerechtfertigt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, eine mündliche Verhandlung beantragenden Berufung wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nur kurz angesprochen und darauf verwiesen, der Beschwerdeführer werde in seiner Heimat aus religiösen Gründen verfolgt. Er habe zwar nicht aktiv an der Zerstörung des Schreins mitgewirkt, dennoch sei sein Leben in Gefahr. Er werde von "Privaten" verfolgt, doch seien die Behörden in Nigeria weder gewillt noch in der Lage, diese Verfolgung hintan zu halten. Im Übrigen enthält die Berufung nur allgemeine Ausführungen zur Manuduktions- und Ermittlungspflicht der Asylbehörden und zu den rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz, ohne jedoch einen ausreichenden Fallbezug herzustellen. Schließlich finden sich noch - hier mangels Relevanz nicht weiter darzustellende - rechtliche Überlegungen zur Ausweisung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. April 2005 wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 7, 8 AsylG" ab, wobei sie zur Begründung nur auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies. Auch die Berufung habe keine Umstände aufzeigen können, welche die belangte Behörde zu einem Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung bewegen hätten können oder aus denen sich die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung der Erstbehörde ergeben hätte. Aufgrund des hinreichend geklärten Sachverhaltes habe eine mündliche Verhandlung entfallen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:

Die Beschwerde tritt den einzelnen (von der belangten Behörde übernommenen) Beweiswürdigungsargumenten im erstinstanzlichen Bescheid nicht konkret entgegen, sondern beschränkt sich der Sache nach auf eine Wiederholung des Vorbringens und der Bescheidbegründung des Bundesasylamtes. Mit der nicht näher begründeten Deutung, es habe sich um "geringfügige Widersprüche" in den Angaben des Beschwerdeführers gehandelt, und der bloßen Beschreibung seiner Schilderungen als "ausführlich" ,"nachvollziehbar", "detailliert" und "plausibel" zeigt der Beschwerdeführer aber keine - vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende - Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung auf. Vor diesem Hintergrund durfte die belangte Behörde im Ergebnis auch zutreffend von der ausdrücklich beantragten Verhandlung Abstand nehmen, zumal sich auch in der Berufung keine substanziierte Bekämpfung der Beweiswürdigung findet (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533). Eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch die belangten Behörde liegt somit - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung - im vorliegenden Fall nicht vor.

Im Übrigen hat sich die Beschwerde (wie auch schon die Berufung) nicht argumentativ gegen die - für den Fall des Zutreffens der behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse zugrunde gelegte - Annahme zur Wehr gesetzt, es handle sich um eine räumlich begrenzte Verfolgungsgefahr, hinsichtlich derer für den erwachsenen Beschwerdeführer zumutbare Ausweichmöglichkeiten innerhalb Nigerias bestünden.

Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die Bestätigung der ersten beiden Spruchpunkte des Bescheides des Bundesasylamtes richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet". Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Oktober 2006

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