VwGH 2005/18/0619

VwGH2005/18/06193.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M V K M A in W, geboren 1973, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. September 2005, Zl. SD 849/03, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §12 Abs2b;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §12 Abs2b;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §35;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §7 Abs4 Z1;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. September 2005 wurde der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm § 10 Abs. 2 Z. 3 iVm § 12 Abs. 2a und 2b Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer halte sich auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Student" seit Oktober 1995 in Österreich auf. Neben seinem Studium an der Technischen Universität Wien habe er sich im Rahmen seines Antrages auf Verlängerung des Aufenthaltstitels im Oktober 1999 auch auf ein von ihm betriebenes (recte: besuchtes) Kolleg für Elektrotechnik für Berufstätige berufen, worauf der Beschwerdeführer eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bis 31. Oktober 2000 und anschließend für drei weitere Jahre erhalten habe. Für diesen Zeitraum legte der Berufungswerber jedoch lediglich eine Schulbesuchsbestätigung über die Teilnahme an einem 6-semestrigen Kolleg für EDV und Organisation vor. Davor habe er die höhere technische Bundeslehranstalt 16 für Berufstätige, Fachrichtung Elektrotechnik, besucht. Einen Schul- oder Prüfungserfolg habe er für keine dieser "Schulen" vorgelegt. Die Technische Universität Wien habe mit Schreiben vom 1. April 2005 bestätigt, dass der Berufungswerber keinen Erfolg aufweise.

Der Beschwerdeführer lebe seit knapp 10 Jahren im Bundesgebiet und habe familiäre Bindungen zu seiner Ehegattin und seiner Schwester, daher sei von einem Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Die Ausweisung sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten. Es liefe dem genannten öffentlichen Interesse grob zuwider, wenn sich Fremde durch Vorgabe, in Österreich studieren zu wollen, den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verschaffen könnten, tatsächlich aber in beinahe 10 Jahren (abgesehen von Ergänzungsprüfungen aus Deutsch und Mathematik) überhaupt keinen Studienerfolg aufwiesen.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers ausschließlich auf den Zweck der Absolvierung eines Studiums gerichtet sei. Der aus einem langjährigen Aufenthalt ableitbaren Integration könne daher kein entscheidendes Gewicht zukommen. Die Bindungen zu seiner Gattin bzw. zu seiner Schwester würden dadurch relativiert, dass der Aufenthalt seiner Gattin als "Studentin" ebenfalls nicht auf Dauer ausgerichtet sei und der Beschwerdeführer mit seiner Schwester nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer verfügt unstrittig seit Oktober 1995 ausschließlich über Aufenthaltstitel zum Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 FrG, die mehrmals verlängert wurden. Laut Bescheid erster Instanz, auf dessen Gründe im angefochtenen Bescheid verwiesen wurde, stellte der Beschwerdeführer, zuletzt am 31. März 2003, einen Verlängerungsantrag mit dem Aufenthaltszweck "Ausbildung".

Da sich der Beschwerdeführer somit während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet befindet, kann er gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 2002, Zl. 2002/18/0157, und vom 3. Mai 2005, Zl. 2005/18/0110).

Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere versagt werden, wenn (Z. 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Die Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis für einen ausschließlich dem Zweck eines Studiums dienenden Aufenthalt kann gemäß § 12 Abs. 2b FrG versagt werden, wenn der Betroffene über keinen Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 - UG, BGBl. I Nr. 20, verfügt. Die Behörde hat dabei jedenfalls auf Gründe, die der Einflusssphäre des Betroffenen entzogen oder unabwendbar oder unvorhersehbar sind, Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 75 Abs. 6 UG hat die Universität einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechungspunkten (acht Semesterstunden) abgelegt hat.

Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2b FrG ist der Behörde bei der Beurteilung, ob auf Grund des Fehlens des geforderten Studienerfolgsnachweises der Versagungsgrund erfüllt ist, Ermessen eingeräumt. Im Rahmen dieses Ermessens hat die Behörde insbesondere auf Gründe, die der Einflusssphäre des Fremden entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0596).

2. Die Beschwerde rügt, dass der Beschwerdeführer vom Schreiben der Technischen Universität Wien vom 1. April 2005 mit dem der belangten Behörde mitgeteilt wurde, dass der Beschwerdeführer keinen Studienerfolg aufweise, keine Kenntnis gehabt habe und ihm die belangte Behörde dazu Parteiengehör einräumen hätte müssen.

Diese Verfahrensrüge ist bereits deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht ausführt, welches Vorbringen der Beschwerdeführer in Bezug auf dieses Schreiben erstattet hätte, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan ist.

Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht, dass der Beschwerdeführer trotz seines jahrelangen inländischen Aufenthaltes ausschließlich zum Zweck der Ausbildung keinen ausreichenden Studienerfolg gemäß § 75 Abs. 6 UG nachweisen kann. Begründend führt er dafür an, dass er geheiratet und seine Frau ein Kind bekommen habe. Diese Gründe seien unabwendbar und seiner Einflusssphäre entzogen, und es hätte die belangte Behörde deshalb von ihrem Ermessensspielraum Gebrauch machen und trotzdem einen Aufenthaltstitel erteilen müssen.

Der Auffassung, im vorliegenden Fall lägen besondere Gründe iSd § 12 Abs. 2b zweiter Satz FrG vor, kann nicht gefolgt werden. In der Beschwerde wurde nicht dargetan und es ist auch aus den Verwaltungsakten kein Grund ersichtlich, warum eine Eheschließung und die Geburt eines Kindes unabwendbare, der Einflusssphäre des Beschwerdeführers entzogene Ereignisse seien und daher ausreichende Gründe darstellen sollen, dass von ihm keine Studienerfolge erbracht werden konnten, der Mangel an nachgewiesenen Studienerfolgen betrifft im Übrigen den gesamten Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland und nicht nur den Zeitraum ab 2003.

Da somit der Beschwerdeführer trotz seines jahrelangen inländischen Aufenthaltes keinen Studienerfolg aufweist, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass nicht nur der Versagungsgrund des § 12 Abs. 2b erster Satz FrG erfüllt ist, sondern darüber hinaus - weil das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens beeinträchtigt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/18/0059, mwN) - auch der Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z 3 leg. cit. verwirklicht sei, keinem Einwand.

Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. dazu nochmals das Erkenntnis Zl. 2005/18/0059, mwN) ist in Fällen, in denen - wie vorliegend - eine Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 37 FrG durchzuführen ist, eine zusätzliche Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK im Rahmen der Beurteilung des Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 2 FrG nicht erforderlich.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes seit 1995 sowie die familiären Bindungen zu der Ehegattin und der Schwester des Beschwerdeführers berücksichtigt und ist zutreffend von einem Eingriff in sein Privat- und Familienleben ausgegangen. Die aus der Dauer des Aufenthaltes ableitbaren persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet werden in ihrem Gewicht entscheidend dadurch gemindert, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers ausschließlich zum Zweck des Studiums in Österreich berechtigt war, er jedoch keinen ausreichenden Studienerfolg aufzuweisen vermag. Das Gewicht der familiären Bindungen wird dadurch relativiert, dass seine Ehegattin als Studentin ebenfalls über keinen Aufenthaltstitel, der sie zu einer dauernden Niederlassung im Bundesgebiet berechtigen würde, verfügt und er mit seiner Schwester nicht im gemeinsamen Haushalt lebt.

Diesen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet steht das obgenannte große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber, das - wie bereits ausgeführt - durch den inländischen Aufenthalt eines Fremden, der trotz seines mehrjährigen Aufenthaltes zum ausschließlichen Zweck eines Studiums keinen Studienerfolg aufweisen kann, maßgeblich beeinträchtigt wird. Wenn die Beschwerde vorbringt, es sei nicht richtig, dass der ausschließliche Aufenthaltszeck des Beschwerdeführers auf die Absolvierung eines Studiums gerichtet sei, sondern dieser die Absicht gehabt habe, die durch das Studium erworbenen Kenntnisse im Berufsleben und auch zum Nutzen des österreichischen Staates einzusetzen, so bestätigt er damit die Annahme im angefochtenen Bescheid, dass er nicht ausschließlich deshalb nach Österreich gekommen ist, um hier zu studieren. Eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 FrG dient jedoch - wie der ausdrückliche Wortlaut des Gesetzes schon sagt - ausschließlich dem Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung. Sie wird daher nur befristet erteilt und eine Verlängerung ist an laufende Erfolgsnachweise im Studium oder in der Schulausbildung gebunden. Der Versuch, die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - etwa zur Ausübung selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit - durch Beantragung einer solchen für Studienzwecke zu umgehen, kann keinesfalls zu Gunsten des Beschwerdeführers bewertet werden.

Von daher begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass gemäß § 37 Abs. 1 FrG die Ausweisung des Beschwerdeführers, weil zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten, zulässig sei und darüber hinaus dieser Maßnahme auch nicht § 37 Abs. 2 FrG entgegenstehe - somit die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung -, keinem Einwand.

Dazu ist zu bemerken, dass dieses Abwägungsergebnis auch in keinem Gegensatz zur Judikatur des EGMR steht. So sei etwa auf dessen Entscheidung vom 11. April 2006, Nr. 61292/00 (Useinov gegen die Niederlande), hingewiesen, der sachverhaltsmäßig ein Beschwerdefall zugrunde lag, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgewiesen wurde. In dieser Entscheidung erachtete der EGMR die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt. Hiebei stellte dieser Gerichtshof (u.a.) darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland vertraut werden durfte. Weiters erachtete der Gerichtshof in dieser Entscheidung eine Übersiedlung in den Heimatstaat des Fremden nicht als übermäßige Härte für die Familienangehörigen, zumal der Kontakt des Fremden zu seinen Familienangehörigen auch von seinem Heimatland aufrechterhalten werden könne.

Auch im vorliegenden Fall durfte der Beschwerdeführer, der - ebenso wie seine Ehegattin - nur über Aufenthaltserlaubnisse zum ausschließlichen Zweck der Ausbildung im Sinn des § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG verfügte, welche Aufenthaltstitel jedoch beide Ehegatten nur zur vorübergehenden Niederlassung in Österreich berechtigten - nicht damit rechnen, auf Dauer ein gemeinsames Familienleben hier zu führen. Hinzu kommt, dass - wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt - auch die Ehegattin des Beschwerdeführers, die er im Jahr 2000 im Iran geheiratet hat, iranische Staatsangehörige ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Ehegatten und ihr gemeinsames Kind nicht in ihrem Heimatland zusammenleben könnten.

4. Ferner kann der Verwaltungsgerichtshof die in der Beschwerde vertretene Auffassung nicht teilen, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 34 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte Gebrauch machen müssen, ergeben sich doch weder aus der Beschwerde, noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakten besondere Umstände, die eine solche Ermessensübung hätten geboten erscheinen lassen.

5. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist auch keine Aufenthaltsverfestigung im Sinn des § 35 FrG eingetreten, verfügte doch der Beschwerdeführer während der Dauer seines inländischen Aufenthaltes lediglich über Aufenthaltserlaubnisse, nicht jedoch über Aufenthaltstitel, die ihn zu einer dauernden Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt hätten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2004/18/0312, mwN).

6. Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. Juli 2008

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