VwGH 2005/13/0076

VwGH2005/13/007630.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart in 7400 Oberwart, Prinz-Eugen-Straße 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 12. April 2005, Zl. RV/0123-W/04, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 (mitbeteiligte Partei: M H in S), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §4 Abs7;
EStG §6;
EStG §4 Abs7;
EStG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei erwarb im Jahr 2000 ein im Jahr 1954 errichtetes Gebäude, dessen nicht an Dritte zu Wohnzwecken vermieteten Teil sie schon seit 1990 als Mieterin gewerblich genutzt hatte und nach dem Erwerb des Gebäudes in gleicher Weise weiter nutzte. Im Jahr 2001 wurden die Fenster dieses Gebäudeteiles und das Geschäftsportal erneuert. Den Aufwand dafür erachtete das Finanzamt wegen seiner Anschaffungsnähe als aktivierungspflichtig.

Gegen den unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 erhob die mitbeteiligte Partei Berufung, der die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid Folge gab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde hat in ihrer sehr ausführlich begründeten Entscheidung im Einzelnen dargelegt, dass nach den Maßstäben der ständigen früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zuletzt im Erkenntnis vom 20. April 1995, 91/13/0143, VwSlg. 6993/F, wegen der zeitlichen Nähe der im Verhältnis zum Kaufpreis der Liegenschaft beträchtlichen Kosten der strittigen Arbeiten ein aktivierungspflichtiger anschaffungsnaher Erhaltungsaufwand vorzuliegen scheine. Eine vergleichbare Judikatur in Deutschland sei jedoch im Jahr 2001 aufgegeben worden. Die österreichische Lehre sei dieser Judikaturänderung weitgehend gefolgt, wie aus Stellungnahmen von Bertl/Hirschler (RWZ 2002/72), Mayr (ÖStZ 2002/69 und ÖStZ 2003/56) und Konezny (RdW 2002/476) hervorgehe. Die belangte Behörde schließe sich dem an und vertrete die Auffassung, dass die sehr weit zurückreichende Lehre und Rechtsprechung zur Aktivierungspflicht des anschaffungsnahen Erhaltungsaufwandes mit dem Argument, sie diene der steuerlichen Gleichstellung mit einem Käufer, der um einen entsprechend höheren Preis ein bereits saniertes Gebäude kaufe, nicht schlüssig begründet worden sei. Gehe man mit der Verwaltungspraxis (vgl. Rz 2625 der Einkommensteuerrichtlinien 2000) davon aus, dass die Aktivierung im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 7 EStG 1988 durch die Verteilung der Instandsetzungsaufwendungen auf zehn Jahre verdrängt werde, so ergebe sich auch ein Widerspruch, weil die in dieser Bestimmung vorgesehene Zehntelabsetzung für solche Fälle dann keine Absetzungserschwernis bewirke. Eine dem § 4 Abs. 7 EStG 1988 vergleichbare Norm, die außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Bestimmung den Sofortabzug betrieblicher Erhaltungsaufwendungen begrenze, existiere nicht. Wenn der deutsche Gesetzgeber auf die Judikaturänderung in Deutschland mit einer solchen Regelung reagiert habe, dann spreche das "gerade dafür, dass ohne eine entsprechende positivrechtliche Regelung ein Sofortabzug dem

Gesetz ... entspricht".

Im vorliegenden Fall sei entscheidend, dass in der betrieblichen Nutzung durch die mitbeteiligte Partei nach dem Kauf keine Veränderungen eingetreten seien. Der betrieblich genutzte Teil des Gebäudes sei daher jedenfalls "betriebsbereit" gewesen. Eine Aktivierungspflicht sei unter diesen Umständen nicht anzunehmen, wobei es nicht darauf ankomme, wie dringend der Austausch der Fenster gewesen sei.

Das beschwerdeführende Finanzamt hält dem im Wesentlichen entgegen, es bestehe kein Grund für ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die "Vorgehensweise", der die belangte Behörde nicht mehr folgen wolle, diene "lediglich einer Gleichstellung, um eine missbräuchliche Gestaltung des Betriebsausgabenabzugs hintanzuhalten". Dass eine solche Gestaltung im konkreten Fall vorliegen könnte, scheint das beschwerdeführende Finanzamt mit diesem Hinweis auf einen Vorteil der traditionellen "Vorgehensweise" nicht andeuten zu wollen.

Die letzte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aktivierungspflicht anschaffungsnaher Instandsetzungsaufwendungen erging, wie von der belangten Behörde dargestellt, mit dem Erkenntnis vom 20. April 1995, 91/13/0143, und betraf noch das EStG 1972. Für eine Beurteilung auf der Grundlage des EStG 1988 ist u.a. die neu hinzugekommene Bestimmung des § 4 Abs. 7 EStG 1988 zu berücksichtigen, aus der die belangte Behörde den schon erwähnten Umkehrschluss gezogen hat. Der Verwaltungsgerichtshof teilt aber davon unabhängig die Auffassung der belangten Behörde und der von ihr zitierten Autoren, dass die Ableitung einer Aktivierungspflicht bloß aus dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Kauf und aus dem Verhältnis der Höhe der Aufwendungen zum Kaufpreis problematisch erscheint und eine gesetzliche Grundlage dafür in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Aufwendungen nicht der Erlangung der betriebsbezogenen Betriebsbereitschaft dienen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. April 2006, 2001/13/0294), nicht erkennbar ist (vgl. zuletzt im Sinne der geänderten Sichtweise auch Doralt/Mayr, EStG13, § 6 Tz 83). Darauf, dass die Erneuerung der Fenster nicht nötig gewesen sei, hat die belangte Behörde ihre Entscheidung - anders, als das beschwerdeführende Finanzamt anzunehmen scheint - nicht gestützt. Ihr ist vielmehr darin beizupflichten, dass es auf die Dringlichkeit der durchgeführten Arbeiten in einem Fall wie dem vorliegenden nicht ankommt.

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. Juni 2010

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