VwGH 2005/09/0080

VwGH2005/09/008018.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. Egbert Schmid, Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 1. März 2005, Zl. 107/10-DOK/04, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §125a Abs3 Z4;
BDG 1979 §92 Abs1 Z3;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
EMRK Art6;
StGB §32 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BDG 1979 §125a Abs3 Z4;
BDG 1979 §92 Abs1 Z3;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
EMRK Art6;
StGB §32 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1964 geborene Beschwerdeführer stand seit 14. Jänner 1993 als Beamter der Post- und Telegraphenverwaltung (PTV) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Der Beschwerdeführer wurde zuletzt im Landzustelldienst als Offizial im Bereich des Postamtes W eingesetzt.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 22. September 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

1. bei nachfolgend angeführten PSK-Privatsparbüchern Gelder zur Einzahlung übernommen und im Sparbuch bestätigt, jedoch die übernommenen Gelder privat verwendet und erst zu einem späteren Zeitpunkt der Verrechnung zugeführt:

Sparbuch

Einzahlung lt. Sparbuch

Betrag in Euro

Verrechnung lt. Kontoabschrift

213423450

05.01.2003

100,00

16.01.2003

213423450

03.02.2003

100,00

12.02.2003

213423450

06.05.2003

100,00

23.05.2003

    

215264899

14.07.2003

100,00

19.08.2003

215264899

02.10.2003

200,00

01.12.2003

215264899

30.10.2003

100,00

17.12.2003

215264899

01.12.2003

100,00

02.01.2004

2. am 2. Oktober 2003 für das Privatsparbuch Nr. 213423450 EUR 200,00 und am 26. Februar 2004 für dasselbe Sparbuch EUR 100,00 zur Einzahlung entgegen genommen, jedoch nicht verrechnet, sondern für private Zwecke verwendet, und

3. beim Sparbuch Nr. 213423450 am 2. Jänner 2004 eine Einzahlung von EUR 100,00 verbucht, ohne diese im Sparbuch vermerkt zu haben.

Durch dieses Verhalten habe der Beschwerdeführer gegen die einschlägigen Vorschriften des Dienstunterrichts Sparverkehr sowie gegen die Pflicht des Beamten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, sowie gegen die Pflicht des Beamten, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe (§ 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979), verstoßen und sich dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinn des § 91 leg. cit. schuldig gemacht, weshalb über ihn die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von EUR 1.500,-- verhängt wurde. Als mildernd erachtete die Behörde erster Instanz das reumütige Geständnis, das bisher tadellose Verhalten sowie die erfolgte Schadenswiedergutmachung vor Bekanntwerden der Tat. Als erschwerend wurden die mehrmaligen Manipulationen erachtet.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob die Disziplinaranwältin Berufung mit dem Antrag, die Entlassung auszusprechen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. März 2005 wurde der Berufung der Disziplinaranwältin ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979 Folge gegeben und über den Beschwerdeführer gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, insbesondere der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses, der Berufung sowie der hiezu erstatteten Gegenausführungen des Beschwerdeführers, sowie der Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung sachbezogen aus, der Beschwerdeführer habe mit der ihm gegenständlich angelasteten Vorgangsweise das ihm vom Dienstgeber und vom Unternehmen Österreichische Post AG entgegengebrachte Vertrauen gröblich verletzt und damit seine ihm auferlegten Dienstpflichten in schwer wiegender Weise verletzt. Ein Landzusteller, der auf Grund bei seiner Tätigkeit gebotener Gelegenheit, das heißt, unter Ausnützung dienstlicher Möglichkeiten, während seines Dienstes im Zeitraum von nahezu einem Jahr wiederholt (in neun Zugriffen) Sparbucheinzahlungen von Kunden für sich behalten und privat verwendet habe, und erst zwischen einer Woche und zwei Monaten (in zwei Fällen seien die Beträge zum Zeitpunkt der Aufdeckung der Tat noch immer offen gewesen) verspätet einzahle und verrechne, sei nach Ansicht der belangten Behörde als Beamter nicht mehr tragbar, weil durch derartige Handlungen nicht nur das Vertrauensverhältnis zu den Vorgesetzten und zu seinem Dienstgeber, sondern auch das für die Erfüllung der Aufgaben des Unternehmens Österreichische Post AG unerlässliche Vertrauensverhältnis zu den Kunden in dem besonders sensiblen Bereich der Sparbücher nachhaltig beeinträchtigt habe. Der entscheidende Gesichtspunkt dabei sei, dass sich die Unternehmensführung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Beamten und sonstigen Mitarbeiter verlassen können müsse, weil eine lückenlose Kontrolle jedes einzelnen Mitarbeiters, dies gelte in außergewöhnlich hohem Maß im Bereich des Landzustelldienstes, nicht möglich sei. Im Fall einer derart starken und vor allem nachhaltigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses sei es notwendig, den betreffenden Beamten aus dem Dienst zu entlassen. Habe der Beamte durch sein Verhalten das Vertrauen der Unternehmensführung in ihn zerstört, und sei er damit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis objektiv untragbar geworden, so sei mit Entlassung vorzugehen. In diesem Falle könne die sich aus spezialpräventiven Erwägungen ergebende Wahrungs-, Besserungs- und Sicherungsfunktion einer Disziplinarstrafe nicht zum Tragen kommen. Insoweit auf die von der Disziplinarkommission berücksichtigten Milderungsgründe in der Gegenäußerung zur Berufung Bezug genommen werde, sei darauf zu verweisen, dass bei Vorliegen besonders schwer wiegender Dienstpflichtverletzungen - und um solche handle es sich hier - sowie der daraus resultierenden gravierenden Nachteile für den Dienstgeber, gemäß dem Gesetzesbefehl des § 93 Abs. 1 BDG 1979 andere Kriterien für die Strafbemessung nicht mehr ausschlaggebend sein könnten. Angesichts der Art und der Schwere der Dienstpflichtverletzung komme eine andere Strafe als jene der Entlassung von vornherein nicht in Betracht. Die im Disziplinarerkenntnis erster Instanz aufgezählten Milderungsgründe könnten daher nicht mehr von entscheidendem Gewicht sein. Der im vorliegenden Fall durch immer wieder vorgenommene vorsätzliche Malversationen während eines Zeitraumes von fast einem Jahr eingetretene Vertrauensverlust habe die Untragbarkeit des Beschwerdeführers für das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis zur Folge gehabt, was auch im Interesse der generellen Wahrung des Vertrauens und des Ansehens der Beamtenschaft notwendig und damit zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit nicht nur des Unternehmens der Österreichischen Post AG, sondern des öffentlichen Dienstes insgesamt geboten erscheine. Bei Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 93 Abs. 1 BDG 1979 sei vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters oder auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen sei, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte. Wenn eine an diesem - an der Modellfigur des mit den geschützten Werten verbundenen Beamten orientierten - Maßstab erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung ergebe, dass ein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden sei, fehle es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Abwägungen dahingehend, ob im Sinne des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich sei, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. In diesem Fall blieben für spezialpräventive Überlegungen kein Raum. Wer als Postzusteller die für das Funktionieren des Unternehmens Österreichische Post AG unabdingbare Vertrauensgrundlage unter Missachtung der grundlegenden Bestimmungen des Dienstunterrichts Sparverkehr aus Eigennutz durch während des mehrfach genannten Zeitraumes von fast einem Jahr wiederholt getätigte Zugriffe auf fremdes, ihm dienstlich anvertrautes Vermögen zerstöre, entspreche einem mit den rechtlichen Werten verbundenen Beamten in keiner Weise und mache sich daher für ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis untragbar. Im Vordergrund stehe dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Untragbarkeit ließen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an den Beamten stelle. Werde dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, habe er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Unternehmensführung zerstört, dann könne er auch nicht im Dienststand verbleiben. Vertrage die Funktion der Österreichischen Post AG die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise oder an einem anderen Dienstort oder in einer anderen Verwendung. Auch im Bereich der Privatwirtschaft führten bereits geringere Verfehlungen zum Verlust des Arbeitsplatzes. Von einem Beamten werde als Gegenleistung für die ihm gebotene soziale Sicherheit u.a. ein besonderes Maß an Treue und Integrität erwartet. Im Übrigen sei die Strafe lediglich die Folge der vom Beschwerdeführer selbst zu verantwortenden Handlungen; eine unangebrachte Milde der Disziplinarbehörde fände in der Öffentlichkeit und in der Kollegenschaft kein Verständnis.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte lediglich die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, zu Unrecht habe die belangte Behörde die Abhaltung der mündlichen Berufungsverhandlung unterlassen. Bei § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG handle es sich um eine "Kann-Bestimmung", wonach die Behörde in gebundenem Ermessen zu entscheiden habe, ob eine mündliche Berufungsverhandlung auch dann durchzuführen sei, wenn sich eine Berufung nur gegen die Strafbemessung richte, etwa wenn - wie hier - für die Prüfung der Strafzumessungsgründe der persönliche Eindruck vom Beschuldigten von Bedeutung sei. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat stehe außer Frage, ob allerdings durch diese Verfehlungen das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seinem Dienstgeber unwiederbringlich zerstört worden sei, könne nur auf Grund des persönlichen Eindrucks von seiner Persönlichkeit entschieden werden. In einer mündlichen Berufungsverhandlung hätte dem Beschwerdeführer auch Gelegenheit geboten werden müssen, vor einer eine absolute Existenzfrage darstellenden Entscheidung auch die für die Strafbemessung maßgeblichen Umstände, etwa den Grad des Verschuldens, die Beweggründe der Tat, die Auswirkungen für den Dienstgeber und das Ansehen des Beschwerdeführers, selbst persönlich darzulegen. Der Beschwerdeführer habe nie die Absicht gehabt, sich Gelder anzueignen oder sie nicht etwa im "für ihn" jeweils kürzestmöglichen Zeitraum weiterzuleiten. Dies sei vielmehr geschehen. Das ihm zum Vorwurf gemachte Vergehen bestehe daher (lediglich) darin, dass er in momentaner Notlage verabsäumt habe, vereinnahmte Gelder unverzüglich dem bestimmten Zweck zuzuführen, sondern dies jeweils mit Verspätung getan habe. Die verletzte Pflicht sei damit ausschließlich die sofortige Weiterleitung von Geldbeträgen gewesen. Objektiv sei der Dienstbetrieb dadurch nur minimal beeinträchtigt worden, effektive Nachteile seien nicht entstanden. Publizität fehle gänzlich. Zu einem Schaden des Ansehens des Dienstgebers sei es nicht einmal ansatzweise gekommen. Auch habe die belangte Behörde in keiner Weise definiert, wieso sie im vorliegenden Fall eine besonders schwer wiegende Dienstpflichtverletzung angenommen habe. Für eine Untragbarkeit habe die belangte Behörde in Wahrheit keinen einzigen effektiv konkret gegebenen Grund zu nennen vermocht.

Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (das ist der 8. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.

Als Disziplinarstrafen sieht § 92 Abs. 1 BDG 1979

  1. 1. den Verweis,
  2. 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

    3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage, und

    4. die Entlassung

    vor.

    Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinn nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

    Gemäß § 125a Abs. 3 BDG 1979 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn

  1. 1. die Berufung zurückzuweisen ist,
  2. 2. die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
  3. 3. ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,

    4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder

    5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.

    Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zu Unrecht (unter ausdrücklicher Berufung auf § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979) von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen. Nach der soeben zitierten Vorschrift kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet. Nun ist die vorliegende Verfahrenskonstellation maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der angefochtene, die Entlassung verfügende Bescheid der Disziplinaroberkommission auf Grund einer auf die Entlassung des Beschwerdeführers abzielenden Berufung der Disziplinaranwältin gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem lediglich eine Geldstrafe verhängt worden war, erging. Bei dieser Verfahrenskonstellation - in der der Beschuldigte überdies nicht durch das Verbot der reformatio in peius geschützt ist - kann nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde (lediglich) Gesichtspunkte der "Strafbemessung" im Sinne des im § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 verwendeten, im vorliegenden Zusammenhang auch unter Bedachtnahme auf Art. 6 EMRK (vgl. im vorliegenden Zusammenhang z. B. das Urteil des EGMR in der Rechtssache Pellegrin/Frankreich vom 8. Dezember 1999, requete N. 28541/95 = ÖJZ 2000/13 (MRK) auszulegenden Begriffes in Betracht zu ziehen hatte. In der oben näher dargelegten Verfahrenskonstellation durfte die belangte Behörde daher nicht ungeachtet des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages unter Berufung auf § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 von der Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung absehen. Es liegt somit eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

    Für das fortgesetzte Verfahren wird Folgendes bemerkt:

    Die Frage, ob die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen war, ist auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Die Disziplinarbehörden haben zunächst am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 geboten ist. Hierbei haben sie sich gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen haben, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte.

    Erst wenn eine an diesem Maßstab unter Einbeziehung aller geltend gemachten oder der Aktenlage nach zu berücksichtigenden Milderungsgründe erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten ergibt, dass sein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden ist, fehlt es im Sinn der angeführten Rechtsprechung an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen dahingehend, ob im Sinne des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 2006, Zl. 2005/09/0053, mwN). Der angefochtene Bescheid lässt angesichts des Hinweises, dass "die im Disziplinarerkenntnis erster Instanz aufgezählten Milderungsgründe nicht von entscheidendem Gewicht sein" könnten, nicht mit Bestimmtheit erkennen, ob der belangten Behörde bei seiner Erlassung vor Augen stand, dass sie im Sinne der soeben dargelegten Rechtsprechung die Schwere der Dienstpflichtverletzung unter Einbeziehung aller geltend gemachten, der Aktenlage nach zu berücksichtigenden oder bei einer mündlichen Berufungsverhandlung hervorgekommenen Milderungsgründe zu beurteilen hatte; darauf wird sie im fortgesetzten Verfahren Bedacht zu nehmen haben.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 18. Dezember 2006

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