VwGH 2005/08/0175

VwGH2005/08/017520.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Mag. Christian Malburg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 5/7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 31. August 2005, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2005-7266, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Akt befindet sich das im Folgenden auszugsweise wiedergegebene Schreiben der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 6. Juni 2005, das an den Beschwerdeführer gerichtet ist und von einem Bediensteten des Arbeitsmarktservice und vom

Beschwerdeführer unterfertigt wurde:

"Sie sind Kunde des AMS Schönbrunner Straße. Als

Betreuungsplan vereinbaren wir:

AUSGANGSLAGE (JOBEXPRESS)

Die bisherigen Bemühungen eine Arbeitsstelle als Leitender Angestellter zu finden waren nicht erfolgreich gewesen. Zur Erlangung eines Arbeitsplatzes fehlen folgende Kenntnisse bzw. Fähigkeiten:

aufgrund der Änderungen am Arbeitsmarkt ist eine neue Orientierung an den realen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes (Abstimmung der Anforderungen des Arbeitsmarktes an den persönlichen beruflichen Möglichkeiten) erforderlich; weiters eine professionelle Begleitung (Coaching) um sich am Arbeitsmarkt entsprechend zu positionieren (Umgang mit der Konkurrenzsituation); Intensivierung der Stellensuche und Schaffung einer positiven Motivation (nach persönlicher Verunsicherung bzw. Frustration). Das AMS bietet Ihnen im Rahmen dieser Maßnahme die Verbesserung der fehlenden Kenntnisse bei Vermittlung am Arbeitsmarkt an, speziell eine Unterstützung bei der Arbeitsuche und Überarbeitung ihrer Bewerbungsunterlagen bzw. Bewerbungsstrategien.

BETREUUNGSZIEL

Sie suchen eine Arbeitsstelle als Leitender Angestellter.

Gewünschter Arbeitsort: Wien Ausmaß: Vollzeit

Stunden:

Die Teilnahme an der Kursmaßnahme Jobexpress ist zur Beendigung Ihres Beschäftigungsproblems erforderlich. Die Teilnahme an allen Einzelmodulen dieser Maßnahme (Einstiegsphase, Aktivierung und Bewerbungstraining, begleitendes Einzelcoaching, bei Bedarf Praktikum) ist verbindlich.

Die Schulungsmaßnahme 'Jobexpress' bietet Ihnen im Auftrag des AMS die Möglichkeit, Ihre Bewerbungsstrategien weiter zu verbessern um so auf die aktuellen Anforderungen der verschiedenen Dienstgeber bestmöglich vorbereitet zu sein. Sie bietet eine laufende professionelle Unterstützung/Begleitung bei der Stellensuche.

AKTIVITÄTEN DES AMS

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat folgenden Wortlaut:

"Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."

§ 10 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

...

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

...

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Im vorliegenden Fall sollte nach der Begründung des angefochtenen Bescheides durch die Wiedereingliederungsmaßnahme eine Optimierung der Bewerbungsunterlagen des Beschwerdeführers erreicht und eine zeitgemäße Bewerbungsstrategie entwickelt werden.

Voraussetzung für die Zuweisung zu einer Maßnahme ist es, dass dem Arbeitslosen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen, weshalb ihm keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann. Maßgeblich für eine Zuteilung zu einer Maßnahme sind somit die fehlenden Qualifikationen des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung, die durch die Maßnahme erreicht werden sollen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2002/08/0229 u.a.).

Im vorliegenden Fall wäre es daher notwendig gewesen, dass der Beschwerdeführer mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten darüber besitzt, wie er sich zeitgemäß um Stellen zu bewerben hat, damit das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht bereits an einer mangelhaften Bewerbung scheitert.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass er eine "Jobcoaching-Maßnahme" für seine Person als nicht geeignet betrachte. In der Berufung hat der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er auf dem entsprechenden Gebiet ausreichende Fähigkeiten besitze.

Die belangte Behörde hätte sich jedenfalls mit diesem Vorbringen und folglich damit auseinandersetzen müssen, welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit Bewerbungsvorgängen fehlen. Diesbezügliche Ermittlungen, zu denen dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren gewesen wäre, und darauf gegründete Feststellungen hat die belangte Behörde aber nicht durchgeführt bzw. getroffen. Sie hat die Zuweisung zur gegenständlichen Maßnahme vielmehr damit begründet, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1996 (mit zwei kurzfristigen Unterbrechungen) arbeitslos sei, und hat des Weiteren auf die "angeführten Gründe" in der Betreuungsvereinbarung vom 6. Juni 2005 verwiesen. In dieser Betreuungsvereinbarung heißt es zwar, dass zur "Erlangung eines Arbeitsplatzes ... folgende Kenntnisse bzw. Fähigkeiten" fehlen. Im weiteren Text wird aber lediglich bemerkt, dass auf Grund der Änderungen am Arbeitsmarkt eine neue Orientierung an den realen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes (Abstimmung der Anforderungen des Arbeitsmarktes an den persönlichen beruflichen Möglichkeiten) erforderlich sei. Weiters bedürfe es einer professionellen Begleitung (Coaching) des Beschwerdeführers, um sich am Arbeitsmarkt entsprechend zu positionieren (Umgang mit der Konkurrenzsituation). Ferner solle eine Intensivierung der Stellensuche und Schaffung einer positiven Motivation nach persönlicher Verunsicherung bzw. Frustration eintreten.

Damit ist aber nicht nachvollziehbar dargelegt, dass dem Beschwerdeführer bestimmte Kenntnisse und Befähigungen im Zusammenhang mit Bewerbungsvorgängen fehlen. Die belangte Behörde hat auch nicht näher erläutert, inwieweit eine persönliche Verunsicherung bzw. Frustration des Beschwerdeführers vorliegt, was sie aber schon im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer eine Jobcoachingmaßnahme für sich als nicht geeignet betrachtete, hätte machen müssen.

Im Übrigen setzt die Verhängung einer Sperrfrist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG voraus, dass eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vereitelt wurde. Dass "Coaching" eine solche Maßnahme wäre, ist jedenfalls auf den ersten Blick ebenso wenig erkennbar, wie fraglich ist, ob es - anders als bei Schulungen und sonstigen Lehrgängen - mit den Methoden und Zielsetzungen des "Coachings" überhaupt vereinbar wäre, Personen zur Annahme einer solchen Maßnahme unter der Sanktion des § 10 AlVG zu zwingen, also auf das Element der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme einer solchen Unterstützung zu verzichten. Der angefochtene Bescheid enthält dazu auch keine Begründung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2006, Zl. 2004/08/0017, und vom 20. September 2006, Zl. 2005/08/0107). Auf die näheren Inhalte der Maßnahme im Zusammenhang mit dem "Coaching" wäre auch deshalb einzugehen gewesen, weil es sich beim "Coaching" um keinen im gegebenen Zusammenhang eindeutig definierten Begriff handelt. Es wäre daher von der belangten Behörde darzulegen gewesen, ob und welche konkreten Inhalte des "Coachings" den Kriterien der im § 9 Abs. 1 AlVG genannten Maßnahmen entsprechen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Dezember 2006

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