VwGH 2005/05/0161

VwGH2005/05/016120.11.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der Dagmar Aichholzer in Villach, vertreten durch Gradischnig & Gradischnig, Rechtsanwälte GmbH in 9500 Villach, Moritschstraße 7, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 13. April 2005, Zl. 7-B-BRM-719/3/2005, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BauO Krnt 1996 §7 Abs1 litj;
BauRallg;
Bebauungsplan Faakersee-Ost 1983 §11;
B-VG Art119a Abs7;
B-VG Art130 Abs2;
GdO Allg Krnt 1998 §100 Abs1;
GdO Allg Krnt 1998 §96 Abs3;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BauO Krnt 1996 §7 Abs1 litj;
BauRallg;
Bebauungsplan Faakersee-Ost 1983 §11;
B-VG Art119a Abs7;
B-VG Art130 Abs2;
GdO Allg Krnt 1998 §100 Abs1;
GdO Allg Krnt 1998 §96 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft Erlenweg 14, KG Faak. Mit Schreiben vom 6. September 2001 zeigte sie dem Bürgermeister der Marktgemeinde Finkenstein am Faakersee (bei den im Folgenden genannten Gemeindeorganen handelt es sich stets um Organe dieser Gemeinde) unter Anschluss eines Planes die Errichtung einer Pergola an der nördlichen Grundgrenze an. Nach dem Plan sollte dieses der Gartengestaltung dienende Bauwerk auf einem (insgesamt) 0,70 m breiten Sockel errichtet werden und eine Länge von 29 m und eine maximale Höhe von 2,70 m aufweisen. Welches Baumaterial Verwendung finden sollte, war nicht ersichtlich. Die Anzeige wurde mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 seitens des Bürgermeisters "gemäß § 7 Abs. 1 lit. h Kärntner BauO" zur Kenntnis genommen.

Mit Schreiben vom 17. April 2002 teilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin mit, eine örtliche Überprüfung am 11. April 2002 auf der gegenständlichen Liegenschaft habe ergeben, dass die "Pergola" bereits fertig gestellt worden sei. Die Ausführung dieser Pergola sei so gewählt worden, dass auf einer Eisenkonstruktion Bretter befestigt worden seien. Die Höhe der Pergola betrage 2,50 m. Auf Grund dieser Ausführung liege im vorliegenden Fall daher keine Pergola, sondern eine Einfriedung vor. Eine solche stünde hinsichtlich ihrer Höhe mit § 11 des rechtskräftigen Teilbebauungsplanes "Faakersee-Ost" in Widerspruch. Die an dieser Stelle im Akt befindlichen Fotos lassen eine geschlossene Holzwand, getragen von Eisenstehern, erkennen.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2002 erteilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin gemäß § 36 Abs. 3 Kärntner BauO den Auftrag, "bei dem entgegen der Bestimmung des § 7 Abs. 3 leg.cit. auf der Parzelle (der Beschwerdeführerin) ausgeführten bewilligungsfreien Vorhaben nach § 7 Abs. 1 lit. h leg. cit. den rechtmäßigen Zustand durch Abtragung, innerhalb von 4 Wochen, nach Erhalt dieses Bescheides, herzustellen". Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe an der Nordgrenze der gegenständlichen Liegenschaft eine Pergola in Stahlkonstruktion mit waagrechten Holzbrettern in einer Länge von 29 m und einer Höhe von 2,50 m, die nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 lit. b Kärntner BauO 1996 (Bebauungsplan) entspreche, errichtet.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 22. Oktober 2002 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Zusammenhang mit § 94 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde F. vom 26. Juni 2002 aufgehoben (Unterstreichungen nicht im Original). Die Ausführung sei so gewählt worden, dass auf einer Eisenkonstruktion Bretter befestigt worden seien und die gesamte Anlage eine Länge von 29 m und eine Höhe von 2,50 m aufweise. Von der technischen Ausführung und Beurteilung her werde dieses Vorhaben nicht als Pergola definiert und das Vorhaben sei in seiner Form und Konstruktion als Einfriedung zu beurteilen, wobei die Errichtung direkt an der Grundgrenze vorgenommen worden sei. Auch die Baubehörde habe die Ausführung als "Einfriedung" eines Grundstückes beurteilt. Sie sei bei ihrer Entscheidung durch die Verfügung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Abtragung einer Pergola von falschen Voraussetzungen ausgegangen, da das gegenständliche Vorhaben in der Art und Weise, wie es errichtet worden sei, eine Einfriedung darstelle. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2004 gab die belangte Behörde der Beschwerdeführerin und der Gemeinde die Einleitung des Verfahrens zur amtswegigen Aufhebung des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 22. Oktober 2002 gemäß § 100 Abs. 1 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung (K-AGO) bekannt. Mit dem gegenständlichen Berufungsbescheid sei der erstinstanzliche Beseitigungsauftrag gemäß § 66 Abs. 4 AVG (ersatzlos) behoben worden. Eine solche endgültige Entscheidung durch die Berufungsbehörde bedeute aber, dass die Behörde erster Instanz über den Gegenstand dieses Verfahrens nicht mehr neuerlich entscheiden dürfe. Es sei im vorliegenden Fall unzweifelhaft, dass das umstrittene Objekt, welche Bezeichnung es auch habe, ein und dasselbe sei. Die Berufungsbehörde hätte daher in richtiger Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage schlichtweg die Bezeichnung des nur einmal vorhandenen Objektes von "Pergola" auf "Einfriedung" abzuändern gehabt. Da somit kein rechtlicher Grund für die Entscheidung des Gemeindevorstandes vorgelegen sei, den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben, sei diese Entscheidung auf Grund einer falschen Rechtsanwendung ergangen.

Mit Äußerung vom 26. Februar 2004 sprach sich die Beschwerdeführerin gegen die Einleitung des Verfahrens nach § 100 Abs. 1 K-AGO aus. Die belangte Behörde habe im Sinne des Art. 119a B-VG bei Ausübung des Aufsichtsrechtes mit möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter vorzugehen. Aus dem gegenständlichen Berufungsbescheid sei der Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin aber das Recht erwachsen, die Pergola nicht mehr abtragen zu müssen. Auch handle es sich bei dem gegenständlichen Vorhaben nicht um eine Einfriedung.

Über Ersuchen der Aufsichtsbehörde erstattete der hochbautechnische Amtsachverständige des Amtes der Kärntner Landesregierung eine Stellungnahme vom 2. März 2005, worin er nachstehende Feststellungen traf:

"Aufgrund eines Ortsaugenscheines konnte festgestellt werden, dass das angezeigte Bauvorhaben bereits fertig gestellt worden ist, und zwar direkt entlang der nördlichen Grundgrenze der Parz.Nr. 700/21, KG Faak. Als Tragkonstruktion wurden Metallsteher auf einem durchgehenden fundierten Betonsockel gewählt, wobei die Wandausfachungen aus waagrecht angeordneten und an den Metallsteher befestigten Holzbrettern bestehen. Am oberen Ende der Metallsteher sind senkrecht zu diesen schmale Metallquerträger angebracht, die eine Länge von rd. 57 cm (in Richtung Eigengrund - Parz.Nr. 700/21) aufweisen und als Rankgerüst parallel zur Bretterwand gespannte Stahldrähte aufweisen. Die Gesamthöhe des genannten Bauvorhabens beträgt zwischen 2,50 m und 2,70 m (sonstiger Bereich)."

Der Sachverständige kam zum Ergebnis, dass, auch wenn diese Anlage als Rankgerüst für Pflanzen dienen solle, hier eine Subsumierung unter den Begriff "Pergola" sicher nicht möglich sei, da es sich nicht um einen Laubengang handle. Vielmehr sei das gegenständliche Bauvorhaben, auch wenn es auf der Innenseite (Richtung Grundstück der Bauwerberin) begrünt werden solle, als Einfriedung zu beurteilen und widerspreche dem rechtskräftigen Bebauungsplan "Faakersee-Ost", weil die Höhe von Einfriedungen an Grundgrenzen mit 1,50 m begrenzt sei.

Dazu äußerte sich die Beschwerdeführerin dahingehend, dass das Bauvorhaben noch nicht fertig gestellt sei, weil erst dann, wenn die Kletterpflanze Veitschi nicht nur senkrecht, sondern auch nach Erreichen der senkrechten Fläche waagrecht zu dieser Wand zu wachsen beginnen werde, die weitere Veranlassung in baulicher Hinsicht getroffen werde, dass die Überdachung der Pergola in ausreichendem Maße gewährleistet sein werde. Am Ende der Herstellung werde es sich um einen Laubengang handeln. Aus der Angabe in der seinerzeitigen Anzeige, dass die bauliche Anlage eine Breite von 70 cm und eine Höhe von 250 bis 270 cm aufweise, gehe hervor, dass es sich um eine dreidimensionale Anlage und nicht um eine zweidimensionale Einfriedung handle.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 22. Oktober 2002 gemäß § 100 K-AGO von Amts wegen auf. Begründend führte sie aus, die Berufungsbehörde habe gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden. Eine kassatorische Entscheidung dürfe die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt derart mangelhaft sei, dass die Durchführung oder Wiederholung einer Verhandlung vor der Behörde erster Instanz unvermeidlich sei. Die ersatzlose Behebung eines unterinstanzlichen Bescheides nach § 66 Abs. 4 AVG könne dazu führen, dass die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden dürfe. Die Sachentscheidung, die der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 22. Oktober 2002 in Form einer ersatzlosen Behebung gemäß § 66 Abs. 4 AVG getroffen habe, sei ohne rechtlichen Grund ergangen und verletze daher eine bundesgesetzliche Bestimmung.

Aus dem eingeholten Gutachten des hochbautechnischen Amtssachverständigen vom 2. März 2003 gehe hervor, dass es sich beim gegenständlichen Bauvorhaben - auch wenn es als Rankgerüst für Pflanzen dienen solle - um eine Einfriedung handle. Eine solche Einfriedung würde auf Grund ihrer Höhe aber dem § 11 des Teilbebauungsplanes "Faakersee-Ost" widersprechen. Diesem Gutachten sei die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Würde nun der gegenständliche Berufungsbescheid vom 22. Oktober 2002 weiterhin dem Rechtsbestand angehören, hätte dies zur Folge, dass eine bauliche Anlage, welche im Widerspruch zum rechtskräftigen Bebauungsplan stünde, bestehen bleiben könnte, andere ebenfalls im Widerspruch zum Bebauungsplan stehende bauliche Anlagen jedoch beseitigt werden müssten. Vor dem Hintergrund des verfassungsmäßigen Grundprinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem aus der Bestimmung des Art. 7 B-VG erfließenden Gleichheitssatz wäre der weitere Bestand des Berufungsbescheides vom 22. Oktober 2002 "unerträglich". Im System der örtlichen Raumplanung komme dem Bebauungsplan schon deshalb eine zentrale Bedeutung zu, weil durch ihn auf die angestrebte Siedlungsentwicklung und zeitliche Abfolge der Bebauung innerhalb des Gemeindegebietes unmittelbar Einfluss genommen werden könne. Mit einer ungesteuerten Siedlungsentwicklung seien negative raumordnungspolitische sowie sonstige volkswirtschaftliche Auswirkungen verbunden. Um diesen Nachteilen entgegen zu treten, solle auch die Bebauungsplanung in verstärktem Maße in den Dienst einer geordneten Siedlungsentwicklung gestellt werden. Die Einhaltung von Raumplanungsvorschriften diene einem gewichtigen öffentlichen Interesse. Da sich der gegenständliche Bescheid als bundesgesetzwidrig erweise, die Aufhebung im öffentlichen Interesse der Raumplanung geboten sei und diesem Interesse der Vorrang einzuräumen sei, sei der genannte Bescheid gemäß § 100 K-AGO aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Errichtung eines bewilligungsfreien Bauvorhabens auf Grund der Bestimmungen des § 7 Abs. 1 lit. h Kärntner BauO und durch die unrichtige Anwendung des § 100 K-AGO verletzt. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin brachte vor, bei dem gegenständlichen Bauvorhaben handle es sich - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - um eine Pergola. Diese werde in der Weise ausgeführt, dass eine 2,50 m hohe Bretterwand durch die Kletterpflanze "Veitschi" bewachsen werde. Diese Kletterpflanze werde nach Überwachsen der 2,50 m hohen Bretterwand über das errichtete 70 cm breite Drahtgerüst klettern und so einen überdachten Laubengang bilden. Eine solche Pergola sei aber bewilligungsfrei. Darüber hinaus habe die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde bei der Anwendung des § 100 Abs. 1 K-AGO auf wohlerworbene Rechte Dritter Rücksicht zu nehmen. Die belangte Behörde habe fälschlicher Weise darauf hingewiesen, dass die Aufhebung des rechtswidrigen Bescheides des Gemeindevorstandes vom 22. Oktober 2002 im öffentlichen Interesse liege. Dabei sei die belangte Behörde aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gegenständliche Anlage dem Bebauungsplan widersprechen würde. In Bezug auf den von der belangten Behörde genannten Gleichheitsgrundsatz brachte die Beschwerdeführerin unter Vorlage von Lichtbildern vor, die belangte Behörde übersehe, dass in der Marktgemeinde Finkenstein eine Reihe von Einfriedungen bestünde, die sicher keine Gartengestaltung darstellten. Es sei daher gleichheitswidrig, wenn die Beschwerdeführerin ihre Pergola abreißen müsste. Der Bescheid des Gemeindevorstandes vom 22. Oktober 2002 sei jedenfalls nicht rechtswidrig, weil er richtiger Weise die gegenständliche bauliche Anlage als Pergola qualifiziert habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes nach § 96 Abs. 2 K-AGO den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 22. Oktober 2002 nach § 100 Abs. 1 K-AGO von Amts wegen aufgehoben. Die §§ 96 und 100 K-AGO lauten:

"§ 96

Allgemeines

(1) Das Land hat das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahingehend auszuüben, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet, und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.

(2) Das Aufsichtsrecht ist durch die Landesregierung auszuüben, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt ist.

(3) Die Aufsichtsmittel sind unter möglichster Schonung der erworbenen Rechte Dritter zu handhaben.

(4) Die Bestimmungen dieses Abschnittes gelten sinngemäß für die Aufsicht über die Gemeindeverbände, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist und soweit es sich nicht um Gemeindeverbände nach Bundesrecht handelt.

§ 100

Aufhebung von Bescheiden, Beschlüssen und sonstige Maßnahmen der Gemeindeorgane, Nichtigerklärung

(1) Außer den Fällen der §§ 95 und 99 können rechtskräftige Bescheide sowie Beschlüsse oder sonstige Maßnahmen der Gemeindeorgane, die den Wirkungsbereich der Gemeinde überschreiten oder Gesetze oder Verordnungen verletzen, von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen oder über Antrag aufgehoben werden.

(2) Nach Ablauf von drei Jahren können jedoch Bescheide aus den Gründen der Erlassung durch eine unzuständige Behörde oder durch eine nicht richtig zusammengesetzte Kollegialbehörde nicht mehr aufgehoben werden. Diese Frist beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

(3) Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, obliegt der Landesregierung auch die Nichtigerklärung von Bescheiden und sonstigen Beschlüssen von Gemeindeorganen. Nach Ablauf von drei Jahren darf eine Nichtigerklärung nicht mehr erfolgen. Abs 2 letzter Satz gilt in gleicher Weise."

Der hier gegenständliche Bescheid erging nicht auf Grund einer Vorstellung (§ 95 K-AGO); es handelt sich auch nicht um eine Verordnung (§ 99 K-AGO). Als Aufsichtsmittel kam daher die Aufhebung des - rechtskräftigen - Gemeindebescheides gemäß § 100 Abs. 1 K-AGO unter Beachtung der dort genannten Voraussetzungen sowie insbesondere auch der Voraussetzung des § 96 Abs. 3 K-AGO in Betracht.

Die Abs. 2 und 4 des § 66 AVG lauten:

"(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern."

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden. Ausnahmen hievon bilden lediglich der Fall der Zurückweisung der Berufung und der Fall qualifizierter Mangelhaftigkeit des relevanten Sachverhaltes, in dem eine Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Unterbehörde erfolgen kann (§ 66 Abs. 2 AVG). Im vorliegenden Fall hat der Gemeindevorstand als Berufungsbehörde die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 26. Juni 2002 auf § 66 Abs. 4 AVG gestützt, ohne eine Zurückverweisung zu verfügen.

Eine solche Behebung ohne Zurückverweisung - also ersatzlose Behebung - kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn eine Verpflichtung ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erteilt wird, also eine Entscheidung von Rechts wegen gar nicht hätte getroffen werden sollen; die Aufhebung stellt sich in diesem Fall selbst als eine negative Sachentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG dar (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Anm. 6 zu § 66).

Hier wurde von der Baubehörde erster Instanz amtswegig eine Verpflichtung ausgesprochen; der Spruch der Berufungsentscheidung beseitigte diese Verpflichtung dadurch, dass weder der Abs. 2 des § 66 AVG zitiert noch verbal eine Zurückverweisung angeordnet wurde, endgültig. Ob die Berufungsbehörde das damit bewirkte Ergebnis - das Bauwerk kann bestehen bleiben - tatsächlich wollte, kann dahingestellt bleiben. Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist weder maßgebend, wie sie die Behörde verstanden wissen wollte, also das vom objektiven Sinn losgelöste subjektive Verständnis der Behörde, sondern wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist (siehe die Nachweise bei Walter/Thienel, a.a.O., E. 35 ff zu § 59 AVG). Selbst wenn man, obwohl der Spruch hier eindeutig ist, die Begründung mit heranziehen wollte, findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass die Berufungsbehörde ein fortgesetztes Verfahren vor der Baubehörde erster Instanz erwartete; darin unterscheidet sich der Beschwerdefall von jenem des hg. Erkenntnisses vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/3520, in welchem in der Begründung des Berufungsbescheides ausdrücklich auf das weitere Vorgehen der erstinstanzlichen Behörde hingewiesen worden war. Somit ist der belangten Behörde darin zu folgen, dass mit dem von ihr beurteilten Bescheid eine ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte.

Als "gesetzwidrig" sah die belangte Behörde den Berufungsbescheid vom 22. Oktober 2002 deshalb an, weil er sich auf § 66 Abs. 4 und nicht auf § 66 Abs. 2 AVG gestützt hatte. Ob hier wirklich nur nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen war oder nicht auch eine Abänderung oder eine so genannte Maßgabebestätigung nach § 66 Abs. 4 AVG hätte erfolgen können, sei dahingestellt, weil die von § 100 Abs. 2 K-AGO geforderte Verletzung von Gesetzen oder Verordnungen jedenfalls vorliegt:

§ 11 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Finkenstein vom 25. März 1983 und 28. Oktober 1983 lautet:

"Einfriedungen

Einfriedungen der Baugrundstücke können an den Grundstücksgrenzen hergestellt werden. Gegenüber den öffentlichen Verkehrsflächen hat der Abstand mindestens 1 m und gegenüber der privaten Erschließungswege hat dieser mindestens 50 cm zu betragen. Die Höhe der Einfriedung wird mit maximal 1,50 m festgelegt."

Nach § 7 Abs. 1 lit. j Kärntner BauO (K-BauO) sind bewilligungsfrei:

"h) die Errichtung, die Änderung und der Abbruch von

baulichen Anlagen, die der Gartengestaltung dienen, wie etwa

Pergolen, in Leichtbauweise, bis 30 m2 Grundfläche und 3 m Höhe;

...

j) die Errichtung, die Änderung und der Abbruch von

Einfriedungen in Leichtbauweise bis zu 1,50 m Höhe;"

Im Kärntner Baurecht findet sich weder eine Definition des Begriffes "Pergola" noch eine Definition des Begriffes "Einfriedung". Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. September 2002, Zl. 2001/05/0028, ergangen zur Wiener Bauordnung, festgehalten, dass bei einer Einfriedung die grundsätzliche Eignung gegeben sein muss, die Liegenschaft nach außen abzuschließen. Mit der Abgrenzung einer Einfriedung von einer Pergola war der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. September 1999, Zl. 99/06/0082, ergangen zum Steiermärkischen Baugesetz, befasst und ausgeführt:

"Unbestritten handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Anlage, die auf eine Länge von ca. 34 m einen durchgehenden Betonsockel im Ausmaß von 20 cm x 20 cm aufweist, auf dem Metallsteher mit einer Höhe von ca. 2 m angebracht sind, die

ihrerseits mit Holzbrettern verschalt wurden. ... Diese Anlage

soll als Rankgerüst für Pflanzen dienen.

...

Gemäß der hg. Judikatur (vgl. die Erkenntnisse vom 11. Oktober 1990, Zl. 90/06/0147, vom 19. Dezember 1995, Zl. 93/05/0143, und vom 19. Jänner 1999, Zl. 95/05/0047) ist unter einer 'Pergola' (= Rankgerüst) im Allgemeinen ein nicht überdeckter Laubengang in einer Gartenanlage zu verstehen, wobei die auf Stützen liegenden Unterzüge ein Gebälk tragen, das von Pflanzen umrankt ist. Es wird in diesem Zusammenhang auf Koepf, Bildwörterbuch der Architektur2, Seite 87f, verwiesen. Weiters wird Pergola (siehe Frommhold/Gareiß, Bauwörterbuch2, 1978, 195) als offener, meist überrankter Laubengang, bei dem in der Regel lange, beiderseitig auf Pfeilern oder Holzstützen liegende Kanthölzer, die in regelmäßigen Abständen angeordneten Querhölzer tragen, definiert. Bei der eingangs beschriebenen Anlage handelt es sich nicht um einen Laubengang. Eine Subsumtion unter dem Begriff der Pergola kommt somit schon deshalb nicht in Betracht. Eine derart ausgestaltete bauliche Anlage muss vielmehr als Einfriedung im Sinne des § 19 Z. 4 Stmk. BauG qualifiziert werden, wie das die belangte Behörde zutreffend getan hat. Nach der hg. Judikatur (vgl. die Erkenntnisse vom 8. März 1977, Zl. 1379/75, und vom 30. Juni 1988, Zl. 86/06/0154) ist maßgeblicher Zweck einer Einfriedung, dass sie das Grundstück schützend umgibt."

Nichts anderes kann für die hier erfolgte vollflächige Verbauung durch eine Bretterwand gelten. Ob daran anschließend Kletterpflanzen unter Zuhilfenahme eines Drahtgerüstes letztlich einen Laubengang bilden oder nicht, spielt keine Rolle. Die durchgehende Verbauung mit einer Bretterwand bildet jedenfalls eine Einfriedung.

Eine Einfriedung in der hier gegebenen Höhe verstößt gegen § 11 des zitierten Bebauungsplanes; die Baubehörde war daher verpflichtet, nach § 36 K-BauO vorzugehen. Eine solche Vorgangsweise ist hier durch den Bescheid des Bürgermeisters vom 26. Juni 2002 erfolgt; die ersatzlose Behebung dieser Anordnung durch die Berufungsbehörde widersprach § 7 Abs. 3 K-BauO, wonach Vorhaben nach Abs. 1 lit. a bis q unter anderem den Anforderungen dieses Gesetzes, den Kärntner Bauvorschriften und dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan entsprechen müssen. Die hier gegenständliche Einfriedung ist auch nicht im Sinne des § 14 K-BauO zulässig.

Die Beschwerdeführerin meint, die angefochtene aufsichtsbehördliche Maßnahme sei auch deshalb unzulässig, weil das (dem Art. 119a Abs. 7 letzter Satz B-VG entsprechende) Prinzip der Schonung Rechte Dritter gemäß § 96 K-AGO nicht beachtet worden sei. Zu dem dem § 96 Abs. 3 K-AGO vergleichbaren § 108 Abs. 3 Tiroler Gemeindeordnung 1996 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0166, (unter Außerachtlassung der dortigen umfangreichen Quellenangaben) ausgeführt:

"Der (dem Art. 119a Abs. 7 letzter Satz B-VG entsprechende) Grundsatz des § 108 Abs. 3 TGO 1966, wonach die Aufsichtsmittel unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben sind, ist auch bei der Aufhebung von auf Gemeindeebene ergangenen Bescheiden gemäß § 113 TGO 1966 anzuwenden. Das der Aufsichtsbehörde dabei zustehende Ermessen darf daher nicht in der Weise geübt werden, dass wegen jeder auch noch so geringfügigen Rechtswidrigkeit in rechtskräftige Bescheide eingegriffen wird. Der Grundsatz der 'möglichsten Schonung erworbener Rechte' bedeutet andererseits keineswegs - wie die belangte Behörde und die Beschwerdeführer offenbar meinten - die Annahme eines Vorrangs privater Interessen vor öffentlichen Interessen der Raumordnung, sondern statuiert vielmehr ein Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes in erworbene Rechte: Es sind im Zuge der Ermessensübung die nachteiligen Wirkungen des Bescheides in Bezug auf das durch die verletzte Norm geschützte öffentliche Interesse gegen jene Nachteile abzuwägen, welche die Aufhebung des Bescheides in Bezug auf die durch das (im Institut der Rechtskraft verkörperte) Prinzip der Rechtssicherheit geschützten Interessen des Dritten nach den konkret zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles mit sich brächte.

In diesem Zusammenhang liegt es vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck von Raumordnungsvorschriften in der Regel auf der Hand, dass die Beseitigung eines gegen diese Vorschriften verstoßenden Bescheides erforderlich ist, soll nicht das öffentliche Interesse an deren Einhaltung auf unerträgliche Weise verkürzt werden."

Im Beschwerdefall kann auf Grund der beschriebenen Ausführung von einer "geringfügigen Rechtswidrigkeit" keine Rede sein. Vielmehr ist auch hier die Beseitigung des gegen die Bebauungsvorschriften verstoßenden Bescheides erforderlich, um nicht das öffentliche Interesse an seiner Einhaltung auf unerträgliche Weise zu verkürzen. Keine Rolle spielt es schließlich, ob in der Umgebung solche Verstöße vorliegen, weil auch diesbezüglich die Baubehörde gehalten ist, den § 36 K-BauO zu beachten.

Da somit die belangte Behörde zu Recht nach § 100 K-AGO vorging, erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. November 2007

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