Normen
AVG §14;
AVG §15;
AVG §8;
MinroG 1999 §119 Abs6 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
AVG §14;
AVG §15;
AVG §8;
MinroG 1999 §119 Abs6 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (LH) vom 7. Dezember 2004 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) vom 13. September 2004, mit dem der mitbeteiligten Partei gemäß § 119 Abs. 3 Mineralrohstoffgesetz (MinroG) die Bewilligung der Änderung einer Bergbauanlage auf einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung näher bezeichneter Auflagen erteilt worden war, mangels Parteistellung zurückgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführer seien gemäß § 119 Abs. 6 MinroG Parteien des gegenständlichen Verfahrens. Die Kundmachung der Verhandlung und die Ladung der Parteien sei ordnungsgemäß erfolgt. Einwendungen müssten gemäß § 42 Abs. 1 AVG nicht nur rechtzeitig, sondern auch rechtserheblich sein.
Am 28. Juli 2004 sei zum beantragten Projekt eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden, bei der die Erstbeschwerdeführerin stellvertretend für den Zweitbeschwerdeführer anwesend gewesen sei. Ihre Stellungnahme habe wie folgt gelautet:
"(Die Erstbeschwerdeführerin) verweist auf ihre Eingabe vom 27. Juli 2004 und rügt insbesondere die kurze Frist zwischen Abfertigung der Kundmachung und der Verhandlung. Weiters rügt sie eine scheinbar bestehende Diskrepanz weil als Konsenswerberin die (mitbeteiligte Partei) aufscheint, als Projektbetreiberin die Firma R. Die eingereichten Unterlagen würden darüber hinaus auf deutschem Recht basieren. Weiters wird eine Verkürzung der Betriebszeit beantragt. Da bisher erteilte Aufträge und Auflagen von den Betreibern nicht eingehalten wurden, werden weitere Auflagen hinsichtlich der alten Anlage beantragt. Weiters wird beantragt, Auflagen hinsichtlich Staub und Lärmbelästigung zu erteilen, nach Einholung von weiteren Gutachten durch das Umweltbundesamt nach dem IG-Luft. Weitere Gutachten über die maximale Lärmbelästigung unter Einbeziehung des Grundgeräuschpegels, ein Gutachten zur Bewertung des Schallpegels, ein medizinisches Gutachten hinsichtlich gesundheitlicher Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der thermischen und meteorologischen Einwirkungen werden außerdem angefordert. Weiters wird eingewendet, entsprechende Auflagen bei Föhn- bzw. Inversionsbelastungen zu berücksichtigen. Ein Probebetrieb für maximal 3 Jahre wird vorgeschlagen."
Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Einwände, es herrsche eine Diskrepanz hinsichtlich der Konsenswerberin, die eingereichten Projektunterlagen basierten auf deutschem Recht, die angestrebte Verkürzung der Betriebszeit wie auch der Antrag, eine angemessene finanzielle Sicherheit für die Einhaltung von Auflagen zu verlangen, "bzw. weitere Auflagen hinsichtlich Staub und Lärm also auch zu einer Betriebseinstellung bei entsprechenden Inversions- und Föhnwetterlagen" keine Verletzung eines konkreten subjektiven Rechtes der Beschwerdeführer erkennen ließen. Beim Einwand, die Vorbereitungsfrist sei zu kurz gewesen, handle es sich um die Geltendmachung eines Verfahrensmangels, der aber ebenfalls nicht die Verletzung eines subjektiven Rechtes erkennen lasse. Nach ständiger Rechtsprechung sei eine Vorbereitungszeit von 14 Tagen "zwischen Zustellung der Ladung und Kundmachung" jedenfalls ausreichend. Auch im gegenständlichem Fall werde diese Vorbereitungszeit als ausreichend qualifiziert, da den Beschwerdeführern die Gesamtanlage bereits aus zahlreichen früheren Verfahren bekannt sei und die verfahrensgegenständliche Bergbauanlage nicht so umfangreich sei, dass dafür eine über das übliche Maß hinausgehende Vorbereitungszeit erforderlich wäre. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer auch nicht dargetan, welche Rechtsverletzung sie befürchteten und warum dafür eine längere Vorbereitungszeit erforderlich gewesen wäre. Die Anträge auf Einholung weiterer Gutachten seien zu allgemein gehalten, um als taugliche Einwendungen im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG qualifiziert werden zu können. Einwendungen müssten derart beschaffen sein, dass sie im konkreten Verfahren eine Verletzung eines subjektiven Rechtes erkennen ließen. Aus den Einwendungen lasse sich nicht entnehmen, auf welche Art die konkrete Genehmigung der gegenständlichen Bergbauanlage die Beschwerdeführer in einem subjektiven Recht verletze. Beeinträchtigungen, die durch die gesamte, bereits genehmigte Bergbauanlage bzw. durch die Gewinnung auftreten würden, könnten im gegenständlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden. Auf Grund der Untauglichkeit bzw. der fehlenden Rechtserheblichkeit der Einwendungen sei gemäß § 42 AVG Präklusion eingetreten und somit das Recht auf Parteistellung verloren gegangen. Mangels Parteistellung sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.
2. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 15. Juni 2005,
B 35/05-14, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3. Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer bringen gegen den angefochtenen Bescheid - soweit vorliegend wesentlich - vor, die Auffassung der belangten Behörde, die von ihnen erhobenen Einwendungen seien nicht rechtserheblich, stelle eine krasse Verkennung der Rechtslage, Willkür und eine Verletzung des Parteiengehörs dar. Die von den Beschwerdeführern anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2004 erhobenen Einwendungen seien sehr wohl rechtserheblich. Es seien nämlich Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub, die von der Bergbauanlage ausgingen und auf die Gesundheit sowie die sonstigen Rechtsgüter der Beschwerdeführer einwirkten, geltend gemacht worden.
2. Gemäß § 119 Abs. 6 Z 3 MinroG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 21/2002 sind Nachbarn, das sind im Sinne dieser Bestimmung alle Personen, die durch die Herstellung (Errichtung) oder den Betrieb (die Benützung) der Bergbauanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten, Parteien im Bewilligungsverfahren. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Bergbauanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
3. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich die Stellungnahme der Erstbeschwerdeführerin wiedergegeben, die sie in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2004 erstattet hat, und damit alleine diese als (festgestellten) Sachverhalt ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt.
In der im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Verhandlungsschrift vom 28. Juli 2004 wird auf der ersten Seite bei der Anführung der anwesenden Beteiligten (§ 14 Abs. 1 Z 2 AVG) ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin (auch in Vertretung des Zweitbeschwerdeführerin) und andere namentlich genannte Personen "als Nachbarn" anwesend waren. Nach Wiedergabe der Stellungnahme der Erstbeschwerdeführerin - auf die sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung alleine gestützt hat - wird auf der letzten Seite Folgendes festgehalten:
"Die Nachbarn wenden ein, dass sie befürchten, so wie in der Vergangenheit, durch Lärm und Staub belästigt zu werden. Diese Belästigungen sind indirekt durch die stillzulegende Anlage und durch die nachfolgenden Prozesse aufgetreten."
Eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift liefert gemäß § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2005/04/0143, mwN). In ihrer Gegenschrift vor dem Verwaltungsgerichtshof ist die belangte Behörde selbst von diesem Umstand ausgegangen.
Folgt man dem in der Verhandlungsschrift wiedergegebenen Verlauf und Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2004 haben die Beschwerdeführer - wie sie auch in der Beschwerde vorbringen - gemeinsam mit den übrigen Nachbarn ohne Zweifel im Hinblick auf § 119 Abs. 6 Z 3 MinroG rechtserhebliche Einwendungen wegen der Belästigung durch Lärm und Staub erhoben.
Somit hat die belangte Behörde ihrem Bescheid einen Sachverhalt zu Grunde gelegt, der mit der Aktenlage nicht übereinstimmt. Die Wesentlichkeit dieser Aktenwidrigkeit liegt auf der Hand, da die belangte Behörde bei Berücksichtigung der oben angeführten Einwendung zu einem anderen Bescheid hätte kommen müssen, da ein Verlust der Parteistellung der Beschwerdeführer durch Präklusion nicht eingetreten ist.
4. Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 26. April 2007
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