VwGH 2005/01/0460

VwGH2005/01/04606.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. Mag. Andreas Grabenweger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. April 2005, Zl. Ia-18.877/34-2005, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §104 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
FrG 1997 §104 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendung in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid widerrief die belangte Behörde die Zusicherungsbescheide vom 30. Mai 2003 und 16. Juni 2003 gemäß § 20 Abs. 2 StbG (Spruchpunkt I.) und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung dieser Verleihung auf seine minderjährige Tochter gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ab (Spruchpunkt II.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe (mit Eingabe vom 20. August 2002) um Verleihung der Staatsbürgerschaft und (mit Eingabe vom 6. Juni 2003) um Erstreckung dieser Verleihung auf seine am 22. April 2002 geborene Tochter angesucht; er habe seit 7. Februar 1991 seinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Inland.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2003 sei dem Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert worden; mit Bescheid vom 16. Juni 2003 sei die Erstreckung der Verleihung auf seine Tochter zugesichert worden. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 10. August 2000 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 108 Abs. 1 Z 2 iVm § 32 Abs. 1 und 2 FrG mit einer Geldstrafe in Höhe von S 600,-- bestraft worden.

Mit (seit 17. Jänner 2005 rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Dezember 2004 sei der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden und bestraft worden:

"A hat im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit T und L die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert bzw. zu fördern versucht, dass dies gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil für sich oder einen anderen geschehe, und zwar

a) am 19.03.2004 dadurch, dass sie vier pakistanische Staatsangehörige von Innsbruck über die Brenner Bundesstraße nach Italien (Bozen) verbrachten und

b) in der Nacht vom 25. oder 26.03.2004 dadurch, dass sie einen weiteren pakistanischen Asylwerber mit dem Fahrzeug über die Brenner Bundesstraße nach Italien verbrachten.

A hat hierdurch das Vergehen der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 FrG begangen und wird hiefür nach § 104 Abs. 1 FrG in Anwendung des § 28 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen a EUR 5,-- insgesamt zu einer Geldstrafe von EUR 900,--, im Uneinbringlichkeitsfalle 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Zitierung der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG aus, durch seine Handlungen (die zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung führten) habe der Beschwerdeführer massiv gegen die Interessen des österreichischen Staates gehandelt. Fremdenpolizeiliche Normen über Einreise und Aufenthalt in Österreich würden der Sicherheit und Aufrechterhaltung eines geordneten Staatsgefüges dienen. Der Beschwerdeführer habe eindeutig Gesetze missachtet, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dienen würden; er habe den Kontakt zu gewerbsmäßigen Schleppern hergestellt und diesen (zu den festgestellten Tatzeiten) pakistanische Staatsangehörige zur Ausreise über den Brenner zugeführt, obwohl er gewusst habe, dass diesen Personen die hierfür erforderlichen Papiere gefehlt hätten; dafür habe der Beschwerdeführer an die Schlepper die näher festgestellten Pauschalpreise bezahlt. Auch wenn eine Unterstützung seiner Landsleute "menschlich verständlich seien mag", sei diese Hilfeleistung gesetzwidrig gewesen; das habe dem Beschwerdeführer bewusst sein müssen, da er selbst Ausländer und mit fremdenpolizeilichen Vorschriften vertraut sei. Er habe sich "aktiv an den Schlepperaktionen beteiligt". Besonders schwer wiege, dass er diese Handlungen während des laufenden Verleihungsverfahrens und nach Erlassung des Zusicherungsbescheides gesetzt habe. Sein Geständnis sei bei der Verurteilung berücksichtig worden; da er zweimal an "Schlepperaktionen" beteiligt gewesen sei, habe das Strafgericht immer noch den halben Strafrahmen (der Geldstrafe) ausgeschöpft. Im Hinblick darauf, dass er mit gewerbsmäßigen Schleppern zusammengearbeitet habe, somit zu solchen Personen Kontakt habe, und die Tathandlungen erst ein Jahr zurücklägen, biete der Beschwerdeführer noch keine Gewähr, dass er sich in Zukunft gemäß der österreichischen Rechtsordnung verhalte. Dass er bisher nur eine Verwaltungsübertretung aufweise und mit seiner Familie 14 Jahre in Österreich wohne und arbeite, sei berücksichtigt worden. Auf Grund der Schwere der Tat und der erst kürzlichen Tatbegehung könne aber derzeit keine günstige Prognose abgegeben werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.

Bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers, insbesondere auch von ihm begangene Straftaten Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls negative - Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetze zum Ausdruck (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 22. August 2007, Zl. 2005/01/0067, und die darin angegebene Judikatur).

Mit dem Beschwerdevorbringen, die Behörde hätte bei der ihr eingeräumten "Ermessensentscheidung" näher bezeichnete Umstände berücksichtigen müssen, verkennt der Beschwerdeführer, dass die in der angefochtenen Entscheidung herangezogene zwingende Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG der Behörde kein Ermessen einräumt. Diese Bestimmung normiert einen Ausschließungstatbestand, bei dessen Erfüllung die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden darf (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. August 2007, Zl. 2005/01/0067, und vom 19. Jänner 2000, Zl. 98/01/0468).

Entgegen dem anderslautenden Beschwerdevorbringen sind bei der nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorzunehmenden Prognose auch Straftaten zu berücksichtigen, die nicht unter die zwingenden Verleihungshindernisse des § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG fallen; § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. umschreibt ein eigenständiges Verleihungshindernis ohne Bedachtnahme auf andere Verleihungshindernisse (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0341).

Zum herangezogenen Verleihungshindernis bringt die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vor, die belangte Behörde habe sich allein auf die (strafgerichtliche) Verurteilung gestützt, aber keine ausgewogene Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers seit seinem Aufenthalt in Österreich (1991) vorgenommen. Die (einzige) strafgerichtliche Verurteilung sei für eine negative Prognose nicht ausreichend. Das Strafgericht habe keine Haftstrafe über den Beschwerdeführer verhängt; dies zeige seinen untergeordneten Beitrag. Diesen Tatbeitrag an der Schlepperei habe die belangte Behörde überbewertet. Sie hätte aber von dem Verhalten während des 14jährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere seiner geordneten beruflichen und familiären Situation ausgehen müssen. Das Verleihungshindernis liege daher nicht vor.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten (Vergehen der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 Fremdengesetz 1997) sind gravierende Rechtsverletzungen, die nur mit Vorsatz begangen werden konnten. Der Begründung des rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils zufolge wurde "die Wiederholung der Schlepperei" beim Beschwerdeführer als erschwerend gewertet. Die Straftaten, die seiner strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegen, waren ihrer Art und Schwere nach ausreichend gravierend für eine negative Prognose. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (25. April 2005) lag dieses, vom Beschwerdeführer im März 2004 begangene Fehlverhalten derart kurz zurück, dass eine ausreichende Zeitspanne zwischen dem letzten Fehlverhalten und dem Beurteilungszeitpunkt nicht vorhanden ist, um zu einer für den Einbürgerungswerber positiven Prognose gelangen zu können (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 2005, Zl. 2003/01/0184, und vom 22. August 2006, Zl. 2005/01/0309). Insoweit die Beschwerde ein langjähriges Wohlverhalten vor seiner strafgerichtlichen Verurteilung ins Treffen führt, ist zu erwidern, dass sich die Persönlichkeit des Beschwerdeführers gegen Ende des Aufenthalts gravierend zum Schlechteren entwickelt hat, sodass die (negative) Prognose der belangten Behörde gerechtfertigt ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2000, Zl. 99/01/0377, und die darin angegebene Judikatur).

Nach dem Gesagten ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, gegen die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, es sei das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gegeben, Bedenken zu erwecken.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 6. Dezember 2007

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