VwGH 2004/21/0195

VwGH2004/21/019521.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerden 1. der H D,

2. des M D, und 3. der A D, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide jeweils des Bundesministers für Inneres vom 18. Februar 2004, 1. Zl. 139.770/4-III/4/03, 2. Zl. 139.770/3- III/4/03 und 3. Zl. 139.770/2-III/4/03, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §20 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §6 Abs1 Z3;
EMRK Art8;
VwRallg;
ARB1/80;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §20 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §6 Abs1 Z3;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die am 12. April 1999 geborene Erstbeschwerdeführerin und der am 10. September 1995 geborene Zweitbeschwerdeführer sind die minderjährigen Kinder der Drittbeschwerdeführerin und des seit 1989 in Österreich aufhältigen Birol Demirci. Alle sind türkische Staatsangehörige.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 18. Februar 2004 wies die belangte Behörde die am 27. August 2003 (primär) gestellten Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 und § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.

Diese Bescheide begründete die belangte Behörde im Wesentlichen gleichlautend dahin, dass die Beschwerdeführer mit einem bis 5. September 2003 gültigen "Visum C" (Visum für den kurzfristigen Aufenthalt) in das Bundesgebiet eingereist seien. Sie seien noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen. Die gegenständlichen Anträge seien daher als solche auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen zu werten, welche die Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus hätten stellen müssen. Die Beschwerdeführer hätten sich zum Zeitpunkt der Antragstellung aber in Österreich aufgehalten. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, bei deren Vorliegen (ausnahmsweise) eine Inlandsantragstellung zulässig sei, seien jedoch im gegenständlichen Fall nicht erfüllt, weil keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG gegeben seien. Im Hinblick darauf sei auch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119, 120/03, wonach "eine Familienzusammenführung außerhalb der Quote" in Ausnahmefällen zu "gewähren" sei, für die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Die Anträge der Beschwerdeführer seien daher gemäß § 14 Abs. 2 FrG abzuweisen. In diesem Zusammenhang führte die belangte Behörde in dem die Drittbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid noch aus, sie habe sich bereits 1994 im Anschluss an die Einreise mit einem Touristensichtvermerk in Österreich unerlaubt aufgehalten, was zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Dauer von fünf Jahren geführt habe. Es hätte der Drittbeschwerdeführerin somit bewusst sein müssen, dass sie auf diese Weise ihr Ziel, mit ihrem Ehemann in Österreich leben zu können, nicht erreichen könne. Dennoch habe sie durch dieselbe Vorgangsweise die Behörden "vor vollendete Tatsachen" stellen und sich ein Aufenthaltsrecht erzwingen wollen. Hätte sie einen Aufenthaltstitel ordnungsgemäß vom Ausland aus beantragt, so wären die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "selbst bei der im Bundesland Vorarlberg bekannten Quotenproblematik" und danach ein "problemloser Zuzug" möglich gewesen.

Darüber hinaus liege, so die belangte Behörde weiter, im vorliegenden Fall hinsichtlich aller Beschwerdeführer auch der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 2 FrG vor, dem zufolge die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen sei, wenn dieser - wie hier - zeitlich an den durch ein Reisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll. Das führe für sich alleine zur zwingenden Versagung der beantragten Niederlassungsbewilligungen, sodass sich insoweit ein Eingehen auf private und familiäre Interessen der Beschwerdeführer erübrige.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschlüsse vom 28. Juni 2004) mit weiteren Beschlüssen vom 30. Juli 2004, B 447, 448, 449/04, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzten, im Wesentlichen inhaltsgleichen Beschwerden, die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, erwogen:

Die Beschwerdeführer bestreiten die erwähnten Sachverhaltsannahmen - Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Inland im Anschluss an den nur durch ein Reisevisum ermöglichten Aufenthalt - nicht. Die belangte Behörde hat die Anträge der Beschwerdeführer daher zu Recht als solche auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung (§ 19 FrG) qualifiziert. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch in der Beschwerde nicht bezweifelt, sie steht jedoch auf dem Standpunkt, im Hinblick auf die (durch den langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und die ununterbrochene Beschäftigung bewirkte) Integration des Vaters bzw. Ehemannes der Beschwerdeführer stünde diesen ein Anspruch auf Familiennachzug und somit auch das Recht zu, die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung in Österreich zu beantragen und sich während des Verfahrens hier aufzuhalten.

Dem kann nicht beigepflichtet werden:

Der erwähnte § 19 FrG und die damit im Zusammenhang stehende Bestimmung des § 14 Abs. 2 FrG, auf den die belangte Behörde ihre Entscheidung (zunächst) gestützt hat, lauten in der hier maßgeblichen Fassung der FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126, (auszugsweise):

"Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung

§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).

(2) Keiner Quotenpflicht unterliegt die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die

  1. 1. (...)
  2. 6. die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 erfüllen und entweder Familienangehörige (§ 20 Abs. 1) eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden sind oder (...).

    Verfahren bei der Erteilung der Einreise- und Aufenthaltstitel

§ 14. (2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; (...). Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden."

Die Z 6 des § 19 Abs. 2 FrG und der letzte Satz des § 14 Abs. 2 FrG wurden erst durch die FrG-Novelle 2002 angefügt. Der in beiden Bestimmungen angesprochene § 10 Abs. 4 FrG hat (in seinem hier relevanten Teil) folgenden Wortlaut:

"§ 10. (4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. (...)."

Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich, dass bei Vorliegen der im § 10 Abs. 4 FrG genannten Voraussetzungen, somit in (aus humanitären Gründen) "besonders berücksichtigungswürdigen Fällen", ausnahmsweise einerseits der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG im Inland gestellt werden darf und andererseits gemäß § 19 Abs. 2 Z 6 FrG für (die im § 20 Abs. 1 erster Satz FrG genannten) Familienangehörige eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden auch keine "Quotenpflicht" besteht. Kommt die Niederlassungsbehörde bei der Prüfung, ob die materiellen Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG vorliegen, zum Ergebnis, dass ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" gegeben ist, so schließt dies somit die Abweisung des Antrages auf Erstniederlassungsbewilligung wegen Inlandsantragstellung aus. Ist hingegen nach Ansicht der Behörde das Vorliegen eines solchen Falles zu verneinen, dann hat sie den im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung nach dem "Grundsatz der Auslandsantragstellung" (§ 14 Abs. 2 erster Satz FrG) abzuweisen (vgl. dazu ausführlich unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2003, Zl. 2003/18/0037).

Unter welchen Bedingungen "besonders berücksichtigungswürdige Fälle" vorliegen, wird im Gesetz - abgesehen von der Verknüpfung mit "humanitären Gründen" und von dem beispielsweise erwähnten Fall einer Bedrohung der Fremden im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG - nicht näher umschrieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2003/18/0320, in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Text des § 10 Abs. 4 FrG wie auch die für sein Verständnis maßgeblichen Gesetzesmaterialien zeigten, dass diese Regelung auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden abstelle. "Die Frage des Zusammenlebens von Ehegatten" könne damit für sich genommen - ohne dass derartige besondere Umstände in den Blick treten würden - nicht die Grundlage dafür bieten, einen "besonders berücksichtigungswürdigen Fall" anzunehmen. Im Sinne der in der Parenthese gemachten Einschränkung hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren anderen Entscheidungen (vgl. etwa die zur Rechtslage nach der FrG-Novelle 2002 ergangenen Erkenntnisse vom 8. Juli 2004, Zl. 2004/21/0075, und vom 31. August 2004, Zl. 2004/21/0074), bei der Prüfung der Richtigkeit der behördlichen Annahme, es lägen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG nicht vor, unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK auch auf die familiären Interessen Bedacht genommen. Das gründet sich auf folgende Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G 119, 120/03, Punkt V.3.:

"Die Bundesregierung verweist ferner auf die durch die FrG-Novelle 2002, BGBl. I 126, geänderte Rechtslage. Die Bundesregierung vermeint nun, dass die FrG-Novelle 2002 es Fremdenbehörden ermögliche, besonders berücksichtigungswürdige Fälle von der Quotenpflicht auszunehmen. Wenn eine Familienzusammenführung nach Art 8 EMRK dringend geboten scheint, so würde sich allein daraus ein ausreichender humanitärer Grund im Sinne des § 10 Abs 4 FrG ableiten lassen. Auf § 19 Abs 2 Z 6 FrG in der Fassung der Novelle BGBl. I 126/2002 hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Prüfungsbeschluss hingewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht der Bundesregierung, dass die Aufnahme der oben zitierten Z 6 in § 19 Abs 2 FrG nunmehr die - verfassungskonforme - Auslegung ermöglicht, einen nach Art 8 EMRK gebotenen Familiennachzug als besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Grund im Sinne des § 10 Abs 4 FrG anzusehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.12.2001, Zl. 2001/18/0232) vor der FrG-Novelle 2002 bestand nach dem Wortlaut des § 10 Abs 4 FrG (arg: 'von Amts wegen') kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Aufnahme des letzten Satzes in § 14 Abs 2 FrG in Verbindung mit der Aufnahme der Ziffer 6 in § 19 Abs 2 FrG durch die FrG-Novelle 2002 bewirkt nun seit 1. Jänner 2003 nicht nur die Möglichkeit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen, sondern auch, dass in den dort genannten Fällen auf Grund eines entsprechenden Antrags ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ohne Berücksichtigung von Quoten aus humanitären Gründen besteht (vgl. Muzak in Muzak/Taucher/Pinter/Lobner, Fremden- und Asylrecht, 1. Teil:

Fremdenrecht (2003) 67; Schumacher, Fremdenrecht (2003) 86)."

Ausgehend von diesen Überlegungen liegt den zuvor erwähnten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung zugrunde, § 10 Abs. 4 FrG sei (verfassungskonform) dahin auszulegen, dass "besonders berücksichtigungswürdige Fälle" auch dann vorliegen, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht. In den genannten Entscheidungen wurde das am Maßstab der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in sogenannten "Nachzugsfällen", die in dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003 (durch Verweisung auf die entsprechenden Ausführungen im Prüfungsbeschluss) zusammengefasst wurde, jeweils fallbezogen verneint ("Eine dem in der Beschwerde angesprochenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (...) zu Grunde liegende Konstellation ist im vorliegenden Fall nicht gegeben." - vgl. in diesem Sinne auch die Erkenntnisse vom 27. Jänner 2004, Zlen. 2002/21/0138 bis 0140, und daran anschließend etwa die Erkenntnisse vom 30. März 2004, Zlen. 2002/21/0069, 0079 und Zl. 2003/21/0077).

Die Beschwerdeführer machten unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK im Besonderen geltend, Birol Demirci, der Vater bzw. Ehemann der Beschwerdeführer, sei 1989 nach Österreich gekommen, er sei im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung und eines gültigen Befreiungsscheines. Im Hinblick darauf und angesichts seiner ununterbrochenen Beschäftigung seit Mitte Februar 1990 stünden ihm die Rechte aus dem Beschluss Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) zu. Die Beschwerdeführer wohnten seit der mit einem gültigen Titel erfolgten Einreise nach Österreich bei ihm und er sorge auch für ihren Lebensunterhalt.

Diese Umstände wurden von der belangten Behörde aber ohnehin ausreichend berücksichtigt und es kann ihr - am Maßstab der Rechtsprechung des EGMR - im Ergebnis nicht entgegen getreten werden, wenn sie fallbezogen einen aus Art. 8 EMRK ableitbaren Anspruch auf Familiennachzug verneint hat, zumal hier entgegen der Meinung in der Beschwerde keine mit dem dort mehrfach angesprochenen Fall "Sen" (Urteil des EGMR vom 21. Dezember 2001) vergleichbare besondere Konstellation gegeben ist. Ein solcher Fall liegt gegenständlich einerseits wegen des Fehlens von Anhaltspunkten für Hindernisse zur Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Heimatstaat der Beschwerdeführer und andererseits deshalb nicht vor, weil nicht ersichtlich ist, dass für den Vater bzw. Ehemann der Beschwerdeführer die (gemeinsame) Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar wäre (vgl. dazu auch die den oben zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegenden Beschwerdefälle, in denen ebenfalls ein jeweils langjähriger Aufenthalt der "Ankerperson" im Inland gegeben war). Demzufolge ist mit der Versagung einer Niederlassungsbewilligung für die Beschwerdeführer kein (unzulässiger) Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte verbunden. Verfehlt ist im Übrigen die Beschwerdeansicht, dass ein Recht auf Inlandantragstellung bereits dann bestehe, wenn bloß "in vertretbarer Weise" behauptet werde, aus Art. 8 EMRK einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ableiten zu können. Es ist daher nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn die belangte Behörde im Hinblick darauf das Vorliegen von "besonders berücksichtigungswürdigen Gründen" im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG verneint und die Abweisung der gegenständlichen Anträge unter Berufung auf § 14 Abs. 2 (erster Satz) FrG vorgenommen hat.

In den zitierten Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof auch seine ständige Rechtsprechung wiederholt, dass in Fällen der vorliegenden Art Angehörige von türkischen Staatsbürgern, die mit einem Reisevisum (§ 6 Abs. 1 Z 3 FrG) nach Österreich zu einer hier aufhältigen "assoziationsintegrierten Ankerperson" gereist und nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums weiter im Inland verblieben sind, weder Rechte aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB noch aus dem Gemeinschaftsrecht ableiten können. Damit gehen die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen ins Leere. Aber auch der Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004, Rechtssachen C-482/01 und C-493/01 "Orfanopoulos und Oliveri" vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, sind doch die Beschwerdeführerin nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union.

Beim Beschwerdehinweis auf die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung wird schließlich übergangen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 20 dieser RL bis 3. Oktober 2005 Zeit haben, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 21. Dezember 2004

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