VwGH 2004/21/0045

VwGH2004/21/004530.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Matthias Strampfer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiser-Franz-Josef-Kai 70, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. Oktober 2003, Zl. Fr 135/2002, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 16. Jänner 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen armenischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die Erstbehörde aus, der Beschwerdeführer sei am 4. Juli 2001 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 21. Dezember 2001 sei der Beschwerdeführer wegen §§ 127 und 130 erster und zweiter Deliktsfall zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (davon sechs Monate bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von drei Jahren) rechtskräftig verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe am 3. November 2001 in einem Geschäft in Graz gemeinsam mit zwei weiteren armenischen Staatsangehörigen mehrere Videorekorder und CD-Player gestohlen. Die gewerbsmäßige Begehung führe einerseits zur Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und schließe andererseits die Ausübung des behördlichen Ermessens im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers aus. Zu berücksichtigen sei, dass sich die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und das gemeinsame minderjährige Kind sowie die Mutter und zwei Brüder des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhielten. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes führe daher zu einem Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 FrG. Dieser Eingriff sei allerdings zur Wahrung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen notwendig, weil vom Beschwerdeführer eine eminente Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, insbesondere für fremdes Vermögen, ausgehe. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers seien daher weniger schwerwiegend als die nachteiligen Folgen bei Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und verwies in der Begründung auf die Ausführungen im Erstbescheid. Ergänzend stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer am 18. April 2002 einen Antrag auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung gestellt habe und zu diesem Zweck einen armenischen Führerschein vorgewiesen habe. Eine kriminaltechnische Untersuchung dieses Dokumentes habe ergeben, dass es sich um eine "Totalfälschung" handle. Behördliche Ladungen zur Vernehmung über den gefälschten Führerschein habe der Beschwerdeführer nicht befolgt. Die Behörde habe daher den kriminaltechnischen Untersuchungsbericht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Das zuletzt genannte Fehlverhalten des Beschwerdeführers bestätige nicht nur die erstinstanzlich getroffene Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG, sondern lasse auch eine Ausübung des behördlichen Ermessens nach der letztgenannten Bestimmung zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht zu. Der Umstand, dass der Kontakt des Beschwerdeführers zu seiner Familie durch das Aufenthaltsverbot erschwert und auf Besuche im Ausland reduziert werde, sei eine unvermeidbare Konsequenz seines Fehlverhaltens. Das Aufenthaltsverbot sei im Grunde des § 37 FrG zulässig, weil die Art und Weise der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten ein Charakterbild erkennen lasse, das den Schluss rechtfertige, der Beschwerdeführer sei gegenüber der österreichischen Rechtsordnung, speziell gegenüber den Vorschriften zum Schutz fremden Eigentums, negativ eingestellt und stelle daher eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen daher schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG sei das Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Erlassung weggefallen sein werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

In der Beschwerde bleibt die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 21. Dezember 2001 zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe unbestritten, sodass gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (zweiter Fall) FrG verwirklicht, keine Bedenken bestehen.

In der Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, dass die belangte Behörde ihrer Beurteilung auch die Benützung eines gefälschten Führerscheins zu Grunde legte, weil sie sich damit vom "zu beurteilenden erstinstanzlichen Sachverhalt" entfernt habe. Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde die bei Erlassung ihres Bescheides gegebene Sachlage zu berücksichtigen hatte und daher als Berufungsbehörde berechtigt war, auch auf neue, erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretene Umstände Bedacht zu nehmen (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 unter E 281 ff zu § 66 AVG referierte hg. Judikatur).

Im Übrigen bemängelt der Beschwerdeführer, dass er keine Gelegenheit gehabt habe, zum Vorwurf der Verwendung einer gefälschten Urkunde Stellung zu nehmen, und dass hinsichtlich dieses Vorwurfs ein Strafverfahren weder eingeleitet noch abgeschlossen worden sei. Der Beschwerdeführer behauptet allerdings nicht konkret, dass der von ihm der Behörde vorgelegte armenische Führerschein keine Fälschung gewesen sei und zeigt somit die Relevanz eines (allfälligen) Verfahrensmangels nicht auf. Mangels konkreter Bestreitung des Vorwurfs der Verwendung eines gefälschten Führerscheins kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, dass die belangte Behörde dieses Fehlverhalten auf Grund des Ergebnisses der kriminaltechnischen Untersuchung als gegeben angenommen und - auch wenn es (noch) nicht zu einer Bestrafung geführt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2002, Zl. 2002/21/0163) - als Teil des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose des § 36 Abs. 1 FrG berücksichtigt hat.

Gegen die Prognose, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, bestehen beim Verwaltungsgerichtshof somit unter Einbeziehung der genannten Verurteilung nach den §§ 127 und 130 StGB keine Bedenken. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf sein "Wohlverhalten" verweist, so kann damit nur der Zeitraum seit dem 18. April 2002 (Verwendung des gefälschten Führerscheins) gemeint sein, der allerdings im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch zu kurz war, um der genannten Prognose entgegen zu stehen.

Gegen die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 FrG verweist die Beschwerde lediglich auf die "lange Aufenthaltsdauer" des Beschwerdeführers in Österreich. Dem ist mit Blick auf § 37 Abs. 2 Z. 1 FrG zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer nach den (mit der Aktenlage übereinstimmenden) Feststellungen der Fremdenpolizeibehörde erst im Juli 2001 nach Österreich eingereist ist. Dennoch ist, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, im vorliegenden Fall von einem erheblichen Eingriff des Aufenthaltsverbotes jedenfalls in das Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, weil sich die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und das gemeinsame Kind (nach der Aktenlage aber ebenfalls erst seit dem Juli 2001) in Österreich aufhalten. Dieser Eingriff wird dadurch relativiert, dass hinsichtlich der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/21/0338). Im Übrigen kommt dem Eingriff des Aufenthaltsverbotes in die Beziehungen des erwachsenen Beschwerdeführers zu seiner in Österreich lebenden Mutter und seinen Brüdern deutlich geringeres Gewicht zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2002/21/0196, mwN).

Diesen familiären Interessen steht bei der Interessenabwägung gegenüber, dass sich der Beschwerdeführer schon kurz nach seiner Einreise in das Bundesgebiet des gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig gemacht und schon bald danach den verfälschten Führerschein verwendet hat. Vor diesem Hintergrund vermag es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG für dringend geboten erachtete und bei der Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG die privaten Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen nicht höher bewertete als das gegenläufige öffentliche Interesse.

Hinsichtlich der Ausübung des behördlichen Ermessens zeigt die Beschwerde keine besonderen Aspekte auf, welche zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes hätten führen müssen.

Schließlich hegt der Verwaltungsgerichtshof auch gegen die Dauer des Aufenthaltsverbotes keine Bedenken, zumal die Beschwerde dagegen nichts ins Treffen führt und keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar sind, auf Grund derer anzunehmen wäre, die Gründe für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes würden vorhersehbarerweise zu einem früheren Zeitpunkt wegfallen.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der Beschwerde ein Erfolg zu versagen und diese somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war. Ein Fall des § 125 Abs. 4 FPG liegt gegenständlich nicht vor.

Der Kostenzuspruch gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. Jänner 2007

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