VwGH 2002/21/0163

VwGH2002/21/016315.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des EH in V, geboren am 9. Juli 1978, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Moritschstraße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 13. August 2002, Zl. Fr-537/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. (Die Bezeichnung des Aufenthaltsverbotes als unbefristetes zu Beginn der Bescheidbegründung erfolgte offenkundig irrtümlich.)

Diese Maßnahme begründete die belangte Behörde im Wesentlichen folgendermaßen: Der Beschwerdeführer sei 1993 nach Österreich eingereist und lebe seither bei seiner Mutter. Sein Vater lebe derzeit in Slowenien. Der Beschwerdeführer sei weder von klein auf im Inland aufgewachsen noch hier langjährig niedergelassen, weshalb der Verfestigungstatbestand des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG dem Beschwerdeführer nicht zugute komme. Der Beschwerdeführer gehe derzeit einer geregelten Arbeit nach.

Die gegen den Beschwerdeführer in den Jahren 1995 und 1996 erstatteten Anzeigen wegen des Verdachts des Betruges, der Körperverletzung und der Sachbeschädigung seien von der Staatsanwaltschaft gemäß § 6 Jugendgerichtsgesetz zurückgelegt worden. Diese Anzeigen seien jedoch bei der Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG zu berücksichtigen.

Am 11. Juni 2001 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Klagenfurt rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten, davon 15 Monate bedingt nachgesehen, wegen des Verbrechens nach dem § 28 Abs. 2 und 3 (erster und zweiter Fall) Suchtmittelgesetz und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe als Mitglied einer Bande in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in der Zeit von Anfang 2000 bis 30. Oktober 2000 in Kärnten mindestens 3 kg Cannabiskraut und mindestens 500 Stk. Ecstasytabletten, somit Suchtgift in einer großen Menge, durch Verkauf an einen Unbekannten in Verkehr gesetzt bzw. zum Verkauf nach Italien verbracht. Der Beschwerdeführer sei selbst süchtig und habe eine unbekannte Menge Kokain, Heroin und Ecstasytabletten zum anschließenden Eigenkonsum und gemeinsamen Suchtgiftkonsum mit unbekannten Personen erworben, besessen bzw. anderen überlassen. In Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und des großen öffentlichen Interesses an deren Bekämpfung gefährde der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bzw. andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen, insbesondere den Schutz der Gesundheit und die Verhinderung von strafbaren Handlungen. Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Gefährlichkeitsprognose erscheine gerechtfertigt. Die Vorhersehbarkeit des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei nicht vor der von der erstinstanzlichen Behörde gewählten Dauer von drei Jahren möglich.

Wegen der familiären Bindung des Beschwerdeführers zu seiner im Inland lebenden Mutter und seiner Beschäftigung im Bundesgebiet sei ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei aber ein Aufenthaltsverbot dringend notwendig und demnach im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich seien nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären als das besagte öffentliche Interesse, weshalb die Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG nicht zu seinen Gunsten ausgehen könne, zumal die ihm angelastete Straftat nach dem SMG mehrfach qualifiziert gewesen sei. Bei Suchtgiftdelikten stünde wegen deren großer Sozialschädlichkeit selbst eine ansonsten volle soziale Integration des Fremden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Die belangte Behörde habe im fremdenrechtlichen Verfahren ihre Entscheidung frei von jeglicher Bindung an die Erwägungen, die dieses Gericht zu einem teilbedingten Nachsehen der Strafe veranlasst hätten, eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel der fremdenrechtlichen Normen zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen und lässt die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (zweiter Fall) FrG erfüllt sei, unbekämpft.

Sie bringt vor, dass die belangte Behörde auf die zurückgelegten Anzeigen nicht hätte Bedacht nehmen dürfen. Entgegen ihrer Ansicht darf zwar die Behörde ein einer Strafanzeige zu Grunde liegendes Fehlverhalten bei der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 2000, Zl. 99/21/0357), ist aber zu einer konkreten Darstellung dieses Fehlverhaltens verpflichtet. Durch die im vorliegenden Fall unterlassene Konkretisierung wurde der Beschwerdeführer aber nicht in Rechten verletzt, weil bereits sein strafbares Verhalten im Suchtgiftbereich - wie noch aufzuzeigen sein wird - die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt. Bei dieser Prognose kommt es auf ein Verschulden des Fremden nicht an; ein Aufenthaltsverbot stellt nämlich eine administrativ-rechtliche Maßnahme und keine - vom Verschulden abhängige - Strafe dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 98/21/0380). Aus diesem Grund stehen der genannten Prognose weder die vom Beschwerdeführer behaupteten Erlebnisse als Kriegsflüchtling noch der Umstand seiner eigenen Suchtgiftabhängigkeit entgegen.

Entgegen der Beschwerdeansicht hatte die belangte Behörde diese Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FrG - unabhängig von der teilweisen bedingten Strafnachsicht - vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 99/21/0215), weshalb angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 99/21/0215) der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie sich außer Stande sah, eine für den Beschwerdeführer positive Zukunftsprognose abzugeben.

Zutreffend verneinte die belangte Behörde das Vorliegen einer Aufenthaltsverfestigung des erst im Alter von ca. 15 Jahren eingereisten Beschwerdeführers nach § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG; dem tritt die Beschwerde auch nicht entgegen.

Letztlich wendet sich die Beschwerde gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Interessenabwägung. Auch diesbezüglich haftet dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit an. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 99/21/0215) steht wegen der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten volle Integration einem Aufenthaltsverbot nicht entgegen. Angesichts der gewerbsmäßig über einen längeren Zeitraum als Mitglied einer Bande verübten Suchtgiftdelikte vermag die Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers auszugehen. Der von der Beschwerde ins Treffen geführte Zeitraum des rechtstreuen Verhaltens des Beschwerdeführers seit seiner Enthaftung am 11. April 2002 ist noch zu kurz, um das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes mindern zu können.

Die ohnehin mit lediglich drei Jahren befristete Dauer des Aufenthaltsverbotes wird in der Beschwerde nicht releviert.

Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 2002

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