Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, gelangte am 22. Mai 2002 gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrer Tochter in das Bundesgebiet und beantragte am 23. Mai 2002 Asyl. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 8. August 2002 gab sie zu ihren Fluchtgründen an, sie gehöre der uigurischen Volksgruppe an und sei Muslimin. Von 1982 bis 1997 habe sie im "Freundschaftsspital" der Stadt Yining als Krankenschwester gearbeitet. Als am 5. Februar 1997 eine Demonstration (der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung) stattgefunden habe, sei im Spital die behördliche Weisung erteilt worden, keine Verletzten zu behandeln. Als die Eltern der bei der erwähnten Demonstration Inhaftierten am nächsten Tag vor dem Polizeigebäude für deren Freilassung demonstriert hätten, sei wieder Feuer auf die Demonstranten - Mitglieder der uigurischen Unabhängigkeitsbewegung - eröffnet worden und es habe wieder Verletzte gegeben. Sechs davon habe die Beschwerdeführerin bei sich zuhause aufgenommen, einen habe sie verpflegt, die anderen habe sie zum Schutz untergebracht. Diese Personen seien am 26. März 1997 anlässlich einer Razzia aufgegriffen worden; sie hätten sich zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr in der Wohnung der Beschwerdeführerin befunden, weil diese von einem engen Freund ihres Ex-Mannes - der Freund sei Vorstand der Nachrichtenabteilung der lokalen Polizei in Yining gewesen - gewarnt worden sei. Nach der Verhaftung der Männer sei die Beschwerdeführerin von diesem Informanten aufgefordert worden, sich in Sicherheit zu bringen, da davon auszugehen sei, dass die Männer unter dem Druck der Polizei früher oder später aussagen würden, dass sie von der Beschwerdeführerin versteckt worden wären, und diese mit ihrer Verhaftung zu rechnen hätte. Am 30. März 1997 habe die Beschwerdeführerin die Flucht nach Kasachstan angetreten. Eine Woche nach ihrer Ankunft habe sie telefonisch von einer Bekannten erfahren, dass ein Haftbefehl gegen sie existiere. Ihre Mutter sei wiederholt von der Polizei befragt worden, wo die Beschwerdeführerin sei, und aufgrund dieses permanenten behördlichen Drucks am 22. Dezember 1998 verstorben. Im Falle ihrer Rückkehr müsste die Beschwerdeführerin mit ihrer Verhaftung und einem Todesurteil rechnen. Sie habe von Fällen gehört, wonach Leute, die von Kasachstan nach China zurückgekehrt seien, erschossen worden seien. Den Dolmetscher (für die chinesische Sprache) habe sie "einwandfrei" verstanden.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 6. November 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Volksrepublik China fest.
Am 22. Jänner 2003 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und erhob gleichzeitig Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. November 2002. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete sie damit, dass sie "Uigure" sei; die chinesische Sprache könne sie "halbwegs" verstehen. Sie könne aber die chinesische Schriftsprache, in die der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides übersetzt gewesen sei, nicht lesen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Februar 2003 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.
Nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 9. September 2003 wies die belangte Behörde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 7, 8 AsylG ab. Die Begründung der schriftlichen Ausfertigung besteht - nach Wiedergabe des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides und der Erwähnung, dass die Beschwerdeführerin dagegen Berufung erhoben habe und am Ende der hierüber am 9. September 2003 durchgeführten Verhandlung der Berufungsbescheid verkündet worden sei - zunächst aus einer "mangels weiter reichender Kapazitäten" vorgenommenen bloßen Verweisung, und zwar "hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens" auf die im erstinstanzlichen Bescheid gegebene Darstellung und "hinsichtlich des Geschehens in der Berufungsverhandlung" auf die Verhandlungsschrift. Die weitere Begründung hat folgenden Inhalt (Auslassungen im Original):
"Lediglich aus Gründen der leichteren Nachvollziehbarkeit wird im Folgenden die gleichfalls bereits in der Verhandlungsschrift aufscheinende Begründung (im engeren Sinne) dieses Bescheides im Wortlaut wiedergegeben:
Bereits unter Zugrundelegung des (erstinstanzlichen wie in der Berufungsverhandlung erstatteten) tatsächlichen Vorbringens der Berufungswerberin hat der Sachverständige in konkreter Würdigung sowohl der Art des der Berufungswerberin allenfalls zur Last legbaren Verhaltens wie des Zusammenhanges dieses Verhaltens mit dem Beruf (sowie familiärer Bezüge) der Berufungswerberin wie insbesondere des seit Setzung dieses Verhaltens mittlerweile verstrichenen langen Zeitraumes, letzteres vor dem Hintergrund einer zwischenzeitlichen Beruhigung der Lage in der autonomen Region Yinjiang, eine künftige Gefährdung der Berufungswerberin im Falle ihrer Rückkehr in ihre Heimat, nicht mehr als wahrscheinlich
bezeichnet ('... für mich schwer vorstellbar, dass der BW ... auch
jetzt noch ... ein Vorwurf gemacht werden würde').
Das Ergebnis der Berufungsverhandlung, insbesondere die Reaktion der Berufungswerberin auf den umfänglichen Vorhalt des die Verhandlung geleitet habenden Mitglieds, einer inhaltlichen Auseinandersetzung durch vorgeschützte Sprachschwierigkeiten auszuweichen (zur mangelnden Glaubwürdigkeit dieser Sprachschwierigkeiten vergleiche sowohl die diesbezüglichen Hinzufügungen des Sachverständigen wie die in der Verhandlung gegebene Beurteilung des verhandlungsleitenden Mitglieds wie auch die bezeichnende spontane Reaktion der zunächst problemlos als Relais-Dolmetsch verwendeten Tochter der Berufungswerberin dieses Verfahrens), hat jedoch das hier entscheidende Mitglied überhaupt zu der Auffassung gelangen lassen, dass, wie im Vorhalt bereits zusammengefasst, 'der angebliche fluchtauslösende Vorfall vom 6.2.1997 jedenfalls in Bezug auf die' Berufungswerberin dieses Verfahrens 'niemals existiert habe', weshalb hieraus auch keine spezielle Gefährdung abgeleitet werden kann.
Da auch, aufgrund der diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen, eine Gefährdung der Berufungswerberin weder im Zusammenhang mit der in Österreich erfolgten Asylantragstellung, noch im Zusammenhang mit einer allfälligen (gerade bei Nichtzutreffen des Vorbringens der Berufungswerberin nicht auszuschließenden) illegalen Ausreise noch hinsichtlich einer allfälligen existenziellen Notlage zu befürchten ist, war die Berufung spruchgemäß vollinhaltlich abzuweisen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der tragende Begründungsteil der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich auf eine - "lediglich aus Gründen der leichteren Nachvollziehbarkeit" vorgenommene - wörtliche Wiederholung der bei der Bescheidverkündung gegebenen Begründung (vgl. zur Problematik dieses Vorgehens das Erkenntnis vom 4. November 2004, Zl. 2003/20/0349).
Gemäß §§ 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grund gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und weshalb sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. März 2006, Zl. 2002/20/0055). Dieser Grundsatz gilt auch für einen mündlich verkündeten Bescheid und dessen schriftliche Ausfertigung (vgl. dazu das Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0596, mwH).
Eine diesen Anforderungen genügende Bescheidbegründung - in der Beschwerde wird die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Verhandlungsschrift und Lesbarkeit des angefochtenen Bescheides gerügt - ist im vorliegenden Fall nicht gegeben:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid insofern eine Negativfeststellung getroffen, als "der angebliche fluchtauslösende Vorfall vom 6.2.1997 (...) in Bezug auf die (Beschwerdeführerin) (...) niemals existiert" habe, womit die belangte Behörde dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerin offensichtlich keinen Glauben schenkt. Die Begründung für diese Ansicht, die Beschwerdeführerin sei "einer inhaltlichen Auseinandersetzung durch vorgeschützte Sprachschwierigkeiten (ausgewichen)", ist aber nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde hat nämlich weder Feststellungen hinsichtlich des Umfanges der chinesischen Sprachkenntnisse der Beschwerdeführerin getroffen - vielmehr hat die belangte Behörde in der Verhandlungsschrift einleitend festgehalten, dass die Beschwerdeführerin "zu einer flüssigen Konversation über mit ihrem Verfahrensgegenstand notwendiger Weise verbundene Themen (in der chinesischen Sprache) nur mit Einschränkungen fähig" sei, sodass deren Tochter als "Relais-Dolmetsch" beigezogen habe werden müssen -, noch hat sie näher erläutert, welche "Hinzufügungen des Sachverständigen", welche "in der Verhandlung gegebene Beurteilung des verhandlungsleitenden Mitglieds" bzw. welche "bezeichnende spontane Reaktion der zunächst problemlos als Relais-Dolmetsch verwendeten Tochter der (Beschwerdeführerin) dieses Verfahrens" Argumente für die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin darstellen sollten. Dass allenfalls weitere Anhaltspunkte für deren mangelnde Glaubwürdigkeit hervorgekommen wären - etwa Widersprüche in ihrem Vorbringen - ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Da sich der Verhandlungsschrift überdies entnehmen lässt, dass seitens der belangten Behörde "einer Verwendung der (Tochter der Beschwerdeführerin) als Relais-Dolmetsch … (in dem zunächst mit dem Verfahren der Beschwerdeführerin verbundenen Asylverfahren des Cousins der Beschwerdeführerin) Bedenken hinsichtlich sachlicher Richtigkeit der Übersetzung entgegen stehen", ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die Tochter der Beschwerdeführerin "zunächst problemlos" für eine zuverlässige Übersetzung der Aussagen der Beschwerdeführerin - die im Zuge der Verhandlung ausdrücklich die Beiziehung eines Dolmetschers für Uigurisch begehrt hatte - gesorgt haben könnte. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erscheint auch aus diesem Grund nicht schlüssig.
Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Juni 2004, Zl. 2003/09/0002).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die Ausführungen des Sachverständigen Bezug genommen hat, der "in konkreter Würdigung (...) der Art des der (Beschwerdeführerin) allenfalls zur Last legbaren Verhaltens wie des Zusammenhanges dieses Verhaltens mit dem Beruf (sowie familiärer Bezüge) der (Beschwerdeführerin) wie insbesondere des seit Setzung dieses Verhaltens mittlerweile verstrichenen langen Zeitraumes, letzteres vor dem Hintergrund einer zwischenzeitlichen Beruhigung der Lage in der autonomen Region Yinjiang, eine künftige Gefährdung der (Beschwerdeführerin) im Falle ihrer Rückkehr in ihre Heimat, nicht mehr als wahrscheinlich bezeichnet" habe. Welcher konkrete Sachverhalt dieser Annahme zu Grunde gelegt wurde - insbesondere hinsichtlich des angesprochenen "Verhaltens" der Beschwerdeführerin und der Lage in der genannten Region -, wird im angefochtenen Bescheid nicht dargestellt. Der Hinweis, der Sachverständige habe das Vorbringen der Beschwerdeführerin "konkret gewürdigt", ist im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung unzureichend, zumal die Beschwerdeführerin vor der Berufungsverhandlung eine ausführliche schriftliche Stellungnahme eingebracht hat, die im Widerspruch zu dieser Einschätzung stand.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführerin für die von ihr verzeichnete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG mit hg. Beschluss vom 19. Mai 2004 die Verfahrenshilfe bewilligt wurde.
Wien, am 5. September 2006
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