VwGH 2004/15/0100

VwGH2004/15/010023.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der C in G, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25/III, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Mai 2004, Zl. FA7A-485-116/01-1, betreffend Kommunalsteuer April bis Dezember 1999 samt Säumniszuschlag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde L in L), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §34;
KommStG 1993 §8 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
BAO §34;
KommStG 1993 §8 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Von der Beschwerdeführerin, einer Körperschaft öffentlichen Rechts, wurde im Streitzeitraum eine Nähstube und ein Kleiderladen in X. betrieben. Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde vom Prüfer die Auffassung vertreten, dass Nähstube und Kleiderladen als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts anzusehen seien und die im Rahmen dieses Betriebes gewährten Arbeitslöhne der Kommunalsteuer unterlägen.

Das Stadtamt X. folgte dem Prüfer und setzte die Kommunalsteuer für den Zeitraum April bis Dezember 1999 samt Säumniszuschlag fest.

Die Beschwerdeführerin berief gegen den Kommunalsteuerbescheid und brachte vor, sie betreibe in X. ein Arbeitsprojekt. Dieses Projekt bestehe aus Nähstube und Kleiderladen und diene dazu, Langzeitarbeitslose durch Arbeitstherapie und sozial-pädagogische Betreuung bei der Behebung ihrer psychischen und sozialen Defizite zu unterstützen, sodass diese in die Lage versetzt würden, sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies geschehe durch eine möglichst wirklichkeitsnahe Tätigkeit unter der pädagogischen Aufsicht des Projektleiters und durch Einzelbetreuungsstunden, in denen die persönlichen, psychischen und sozialen Behinderungen der Langzeitarbeitslosen gezielt therapiert und behandelt würden.

Das Arbeitsprojekt stelle keinen Betrieb gewerblicher Art dar, da mit diesem Projekt eine der Beschwerdeführerin gemäß ihren Statuten übertragene Aufgabe verfolgt würde.

Das Stadtamt X. habe das Arbeitsprojekt, in Anlehnung an den Erlass des Bundesministers für Finanzen betreffend die umsatzsteuerliche Behandlung von beschützenden Werkstätten für körperlich und geistig behinderte erwachsene Menschen, als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts eingestuft. Gemäß § 8 Z 2 KommStG seien Körperschaften, wozu auch Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts zählten, von der Kommunalsteuer befreit, soweit sie mildtätigen und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Kinder-, Jugend- , Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienten. Folge man der Argumentation des Stadtamtes X. fiele der hier strittige Betrieb unter die Befreiungsbestimmung des § 8 Z 2 KommStG, da unter Behindertenfürsorge alle Maßnahmen zu verstehen seien, die der Eingliederung von Behinderten dienten. Die Aufgabe des Projektes bestehe darin, den durch psychische und soziale Defizite behinderten Langzeitarbeitslosen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt wiederum zu ermöglichen.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen, woraufhin von der Beschwerdeführerin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt wurde.

Im Vorlageantrag wurde ergänzend ausgeführt, der Hauptzweck von Beschäftigungsprojekten liege in der Vorbereitung Langzeitarbeitsloser auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Aus dieser Zielsetzung heraus resultierten eine Reihe von Faktoren, die im Gegensatz zu einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit stünden. Die betreuten Personen würden zwar in einem regulären Dienstverhältnis zur Beschwerdeführerin stehen. Im Unterschied zu normalen Dienstverhältnissen sei aber für diese Art von Beschäftigung der Begriff "sekundärer Arbeitsmarkt" eingeführt worden.

"Die wesentlichsten Merkmale des sekundären Arbeitsmarktes sind:

- Hauptziel ist die Reintegration langzeitarbeitsloser

Personen in den regulären Arbeitsmarkt.

- Das ökonomische Prinzip ist vollkommen untergeordnet

und beträgt der Anteil der Eigenerwirtschaftung nur zwischen 15

bis 25% der Gesamtkosten des Projektes.

- Die 'Arbeitszeit' unterteilt sich in

Arbeitstrainingseinheiten, sozialpädagogische Maßnahmen und

Weiterbildung in Hinblick auf eine erfolgreiche Vermittlung. Das

sogenannte 'Training on the job' dient der Ermittlung von

möglichen Potentialen und der Erkennung von Defiziten der

Teilnehmer und bildet die Ausgangsbasis für die

sozialpädagogischen Maßnahmen, wobei der Grundsatz gilt, je

wirklichkeitsnäher die Trainingseinheiten sind, desto

wahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Integration. Der Anteil des

'Training on the job' an der Gesamtarbeitszeit beträgt nur ca. 50%.

- Die Teilnehmer absolvieren Praktika bei

verschiedenen Firmen und werden auch in dieser Zeit vom

Beschäftigungsprojekt entlohnt.

- Die Arbeitsbereiche von Beschäftigungsprojekten

orientieren sich nicht am Markt, sondern werden in Abhängigkeit von der Zielgruppe, für die das Projekt konzipiert ist, festgelegt. Eingestellt werden in der Regel nicht Personen mit entsprechender Berufsausbildung bzw. -erfahrung, sondern angelernte Kräfte, ohne jegliche Vorerfahrung mit meist schlechtem Bildungsniveau. Dies führt z.B. in der Nähstube zu einer Minderleistung von 60 bis 80%.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 8 Z 2 Kommunalsteuergesetz 1993 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung sind Körperschaften, Personenvereinigung oder Vermögensmassen von der Kommunalsteuer befreit, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§ 34 bis 37, §§ 39 bis 47 BAO).

Die Beschwerde trägt vor, zentrales Argument der Unterinstanzen, das von der belangten Behörde mitgetragen werde, sei der Umstand, dass beschützende Werkstätten für körperlich oder geistig behinderte Menschen nicht in den Hoheitsbereich fielen, was umso mehr für Einrichtungen zu gelten habe, die Personen beschäftigten, die nicht körperlich oder geistig behindert seien. Dabei werde verkannt, dass der Gesetzgeber, wie dem Ausschussbericht 1302 BlgNR 18. GP zu entnehmen sei, klargestellt habe, dass nicht auf Gewinn gerichtete Unternehmen unter die Befreiungsbestimmung des § 8 Z 2 Kommunalsteuergesetz 1993 fielen, soweit sie unmittelbar mildtätigen Zwecken dienten oder gemeinnützig auf dem Gebiet der Gesundheitspflege und der sozialen Fürsorge tätig würden. Im angeführten Ausschussbericht werde weiters festgehalten, dass zu den in § 8 Z 2 leg. cit. angeführten Behinderteneinrichtungen nach Maßgabe der §§ 34ff BAO auch geschützte Werkstätten gehörten, in denen Behinderte beschäftigt würden, weshalb die Schlussfolgerung der Vorinstanzen bereits im Ansatz unrichtig sei.

Aus dem Ausschussbericht ergebe sich zudem, dass der Gesetzgeber die Gesundheitspflege und soziale Fürsorge habe abgabenfrei stellen wollen. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sei unter § 8 Z 2 Kommunalsteuergesetz 1993 zu subsumieren, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Mangelhaftigkeit der bisherigen Verfahren, die die belangte Behörde in unrichtiger rechtlicher Beurteilung verkannt habe, aufzuheben wäre. Es fehlten weitere Feststellungen zum Inhalt der Fürsorgetätigkeit, obwohl die Beschwerdeführerin ein entsprechendes Vorbringen erstattet habe.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Die Beschwerdeführerin brachte bereits in der Berufung vor, dass das strittige Arbeitsprojekt - so es überhaupt als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts anzusehen sei - unter die Befreiungsbestimmung des § 8 Z 2 Kommunalsteuergesetz 1993 falle, weil es dazu diene, "den durch psychische und soziale Defizite behinderten Langzeitarbeitslosen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt wiederum zu ermöglichen". Im Vorlageantrag wurden jene Faktoren aufgezeigt, durch die sich normale Dienstverhältnisse von den hier in Rede stehenden unterschieden, und es wurde darauf hingewiesen, "daß die Zielgruppe der beschützenden Werkstätten in der Regel konstante Beeinträchtigungen bzw. Behinderungen aufweisen, während in den Beschäftigungsprojekten Personen mit veränderbaren Defiziten Aufnahme finden und die Verminderung dieser Defizite im Projekt im Vordergrund stehen". In der Vorstellung schließlich wurde vorgebracht, dass unter Behindertenfürsorge alle Maßnahmen zu verstehen seien, die der Eingliederung, Beschäftigungstherapie und persönlichen Hilfe von Behinderten dienten und die Behindertenfürsorge sicherlich auch die Unterstützung von Personen, die aufgrund geistiger oder psychischer Defizite in einem lebenswichtigen sozialen Beziehungsfeld erheblich beeinträchtigt seien, umfasse, weshalb das hier in Rede stehende Beschäftigungsprojekt, welches für den Abbau von psycho-sozialen Behinderungen eingerichtet worden sei, unter diesen Begriff zu subsumieren sei.

Die mitbeteiligte Gemeinde und ihr folgend die belangte Behörde haben die Befreiungsbestimmung des § 8 Z 2 Kommunalsteuergesetz für nicht anwendbar gehalten und sich mit dem diesbezüglich gegenteiligen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II. Nr. 455/2008.

Wien, am 23. September 2010

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