Normen
EStG §20 Abs1 Z2 litd;
VwGG §42 Abs2 Z1;
EStG §20 Abs1 Z2 litd;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der sich in seinen Erklärungen zur Einkommen- und Umsatzsteuer als Musiker und Lehrbeauftragter bezeichnet, erzielte in den Streitjahren in dieser Eigenschaft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus selbständiger Arbeit.
In den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 machte der Beschwerdeführer Aufwendungen für ein Arbeitszimmer geltend.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom 2. Februar 2004 lehnte das Finanzamt die Anerkennung dieser Aufwendungen ab. Die Beurteilung, ob ein Arbeitszimmer den Tätigkeitsmittelpunkt im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 darstelle, habe nach der Verkehrsauffassung, somit nach dem typischen Berufsbild zu erfolgen. Lasse sich eine Betätigung in mehrere Komponenten zerlegen, erfordere eine Beurteilung nach der Verkehrsauffassung eine wertende Gewichtung dieser Teilkomponenten. Nach der Judikatur sei der Mittelpunkt einer Lehrtätigkeit nicht im häuslichen Arbeitszimmer, sondern an jenem Ort gelegen, an dem die Vermittlung von Wissen und technischem Können selbst erfolge. Diese Überlegungen hätten auch für die Berufsgruppe der Musiker zu gelten.
In seinem Antrag auf Vorlage der Berufungen an die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte der Beschwerdeführer dazu aus, die Finanzbehörde gehe zu Unrecht davon aus, dass der berufliche Mittelpunkt der Tätigkeit eines Musikers auf der Bühne liege. Die Behörde gehe davon aus, dass die Übungstätigkeit nicht "im Mittelpunkt des Musikers" stehe, selbst dann, wenn - wie in seinem Fall unstrittig - eine Probentätigkeit im häuslichen, ausschließlich betrieblich genutzten Arbeitszimmer im Ausmaß von täglich sechs Stunden erforderlich sei. Die Behörde übersehe dabei, dass ohne dieser zumindest sechsstündigen täglichen Übungstätigkeit und notwendiger zusätzlicher Beschäftigung mit der Werkinterpretation eine künstlerische Tätigkeit auf der Bühne vor Publikum gar nicht möglich sei. Eine derartige Übungsmöglichkeit sei zur Berufsausübung zwingend notwendig, weil an den Aufführungsorten selbst durch die dortigen Einschränkungen eine solche Übungsmöglichkeit für Einstudierung und Aufrechterhaltung des künstlerischen Status nicht gegeben sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 und der Zitierung von Rechtssätzen aus der Rechtsprechung aus, die für die Berufsgruppen der Richter (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1997, 93/14/0087), der Lehrer (Erkenntnis vom 20. Jänner 1999, 98/13/0132) und der Vertreter (Erkenntnis vom 28. November 2000, 99/14/0008) entwickelten Grundsätze fänden auch auf Berufsmusiker, Dirigenten oder Schauspieler Anwendung. Dies bedeute, dass der Tätigkeitsmittelpunkt jedenfalls als außerhalb des Arbeitszimmers gelegen anzusehen sei. Mittelpunkt der Tätigkeit nach den Lebenserfahrungen und dem Allgemeinwissen sei bei einem Schauspieler, Sänger, Musiker oder Regisseur die Bühne, das Studio oder der Drehort, also jener Ort, an dem die Präsentation stattfinde. Das zentrale Tatbestandsmerkmal "Mittelpunkt der Tätigkeit" werde im gegenständlichen Fall deshalb verneint, weil nach der zum häuslichen Arbeitszimmer ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dieser Begriff nach dem materiellen Schwerpunkt der Tätigkeit auszulegen sei und sohin das Zentrum der Aktivität des Beschwerdeführers nicht in seinen vier Wänden, sondern in den Räumlichkeiten der jeweiligen Aufführung gegeben sei. In diesem Zusammenhang führe auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, die im Vorfeld einer Aufführung erforderlichen Proben stellten sich derart umfangreich und zeitintensiv dar, weshalb das Arbeitszimmer zur Einkunftserzielung unbedingt notwendig sei, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Die vorgebrachten zeitlichen Angaben zur Übungstätigkeit seien daher nicht näher zu überprüfen und würdigen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer hält im Wesentlichen seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren aufrecht, wonach er an keinem Veranstaltungsort der Welt einen Arbeitsplatz zur Verfügung habe, der ihm die Erfüllung seiner beruflichen Aufgaben ermöglichen würde. Außerhalb der üblichen Proben an den jeweiligen Veranstaltungsorten sei er auf das Vorhandensein eines Übungszimmers angewiesen. Die Übung und Einstudierung von Musikstücken und die Beschäftigung mit Werkinterpretationen seien eine unabdingbare Notwendigkeit um den künstlerischen Status aufrecht zu erhalten. Die Übungstätigkeit von zumindest sechs Stunden täglich übersteige das zeitliche Ausmaß der Werkaufführungen an den Veranstaltungsorten bei weitem. Weiters wird geltend gemacht, dass der angefochtene Bescheid Feststellungen über die konkreten Tätigkeitsbereiche vollständig vermissen lasse.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996, dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände in der Wohnung nicht bei den einzelnen Einkünften abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, dass das in Rede stehende Arbeitszimmer im Wohnungsverband gelegen ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn eine Einkunftsquelle den Aufwand für das Arbeitszimmer bedingt, die andere aber nicht, der Mittelpunkt im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 nur aus der Sicht der einen Einkunftsquelle zu bestimmen.
In seinem die Tätigkeit einer Vertragslehrerin an der Universität Mozarteum Salzburg und Konzertpianistin betreffenden Erkenntnis vom 24. Juni 2004, 2001/15/0052, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Mittelpunkt der Lehrtätigkeit nicht im im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer, sondern an jenem Ort gelegen ist, an dem die Vermittlung von Wissen und technischem Können selbst erfolgt, weil die damalige Beschwerdeführerin ihre Schüler nicht im in Rede stehenden Arbeitszimmer unterrichtete. Im Bezug auf die Tätigkeit einer Konzertpianistin brachte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zum Ausdruck, dass die damals belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannt habe, als sie im Üben und im Proben (der damaligen Beschwerdeführerin) lediglich Hilfsleistungen gesehen habe, während die Darbietung vor Publikum die "Basis" des Berufes der Beschwerdeführerin darstelle, die berufliche Tätigkeit einer Konzertpianistin allerdings ein musikalisches Niveau erfordere, welches durch regelmäßige Arbeit am Instrument zu erreichen und zu halten ist. Dergestalt erschöpft sich die Tätigkeit des "Übens und Probens" eines Künstlers nicht im Einstudieren eines bestimmten Stückes oder Programmes für ein konkretes Konzert, sondern erfordert eben ein regelmäßig und dauerhaft ausgeübtes Spielen des Instrumentes, um die künstlerischen Fertigkeiten zu erhalten und zu steigern. Solcherart ist der Mittelpunkt der Tätigkeit einer Konzertpianistin nach der Verkehrsauffassung an dem Ort anzusehen, an dem sie die überwiegende Zeit an ihrem Instrument verbringt, im damaligen Beschwerdefall in dem in Rede stehenden Arbeitszimmer.
Im hg. Erkenntnis vom 16. März 2005, 2000/14/0150, wurde diese Sichtweise auf einen Orchestermusiker übertragen und unter Bezugnahme auf die von der dort belangten Behörde ins Treffen geführte Vorjudikatur ausgeführt, dass eine Vorbereitungs- und Korrekturtätigkeit eines Lehrers mit dem Üben der Fertigkeit eines Musikers nicht vergleichbar sei.
An der in diesen beiden Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem, einem Berufsmusiker und Mitglied der Wiener Philharmoniker betreffenden, Erkenntnis vom 21. September 2005, 2001/13/0241, festgehalten und sie vertieft. Auf die nähere Begründung der genannten Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Die belangte Behörde hat ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht keinerlei Feststellungen über das Arbeitszimmer und die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers getroffen. Sie hat damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. Oktober 2006
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