VwGH 2004/06/0104

VwGH2004/06/01041.4.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des A W in St. R, vertreten durch Dörner & Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91/I, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Mai 2004, GZ.: FA13B-

12.10 R 94 - 04/19, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
BauG Stmk 1995 §22 Abs3;
BauG Stmk 1995 §22;
BauG Stmk 1995 §5 Abs1 Z4;
BauG Stmk 1995 §5 Abs1 Z5;
BauRallg;
B-VG Art15 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §22 Abs3;
BauG Stmk 1995 §22;
BauG Stmk 1995 §5 Abs1 Z4;
BauG Stmk 1995 §5 Abs1 Z5;
BauRallg;
B-VG Art15 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 22. August 2001, bei der Baubehörde erster Instanz eingelangt am 23. August 2001, beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer landwirtschaftlichen Betriebsstätte zur Pferdehaltung auf dem Grundstück Nr. 468, KG R.

In der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2002 erstattete der bautechnische Sachverständige folgende - auszugsweise wiedergegebene - Stellungnahme:

"Als Einreichunterlagen liegen vor: Die Einreichpläne ... sowie ein bodenmech. Gutachten des Dipl.-Ing. Dr.techn. W. P. vom 20.04.2002.

...

Das Bauvorhaben entspricht somit im Wesentlichen den gesetzlichen Bestimmungen. Gegen die Erteilung der Baubewilligung bestehen seitens der SV keine Einwände, wenn nachstehende Auflagen erfüllt bzw. eingehalten werden:

1.) Vor Baubeginn ist der gesamte Bauplatz entsprechend den Bescheiden der Wasserrechtsbehörden herzustellen und sind die geplanten Objekte abzustecken und ist dies der Baubehörde zwecks Überprüfung anzuzeigen.

2.) Erst nach Genehmigung des Bauplatzes durch die Gemeinde darf mit den Bauarbeiten begonnen werden.

...

4.) Der statische Standsicherheitsnachweis ist durch einen Befugten vor Baubeginn der Behörde mittels Bestätigung desselben anzuzeigen. ..."

In dem vom Sachverständigen angeführten Privatgutachten vom 20. April 2002 heißt es, eine ausreichende Standsicherheit sei nachgewiesen, die Anschüttung in Bezug auf das "Last-Setzungsverhalten" jedoch mehrheitlich als mindertragfähig und setzungsanfällig zu klassifizieren.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 26. Juni 2003 das Bauansuchen des Beschwerdeführers ab und begründete dies nach Wiedergabe des § 5 Stmk. BauG 1995 damit, dass die Baubehörde eine Prüfung der Eignung der Grundstücksfläche als Bauplatz durchführen müsse, bevor eine Baubewilligung erteilt werden dürfe. Eine Überprüfung des Bauplatzes sei jedoch derzeit nicht möglich, weil das "erlaubte Niveau des Bauplatzes (Vorgabe der Wasserrechtsbehörde)" nicht mit dem bei der mündlichen Verhandlung festgestellten übereinstimme.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 17. Dezember 2003 als unbegründet ab und führte aus, Veränderungen der natürlichen Höhenlage im Freiland (wie hier vorliegend) bedürften einer Baubewilligung, um die der Beschwerdeführer jedoch niemals angesucht habe. Das eingereichte Bauvorhaben gehe somit von einem Bodenniveau aus, das "zwar in der Natur (unzulässigerweise)" existiere, "rechtlich aber nicht vorhanden" sei. Schon deshalb sei die Abweisung des Bauansuchens gerechtfertigt gewesen. Gleichzeitig seien die vom Beschwerdeführer vorgenommenen Schüttungen aber auch wasserrechtlich unzulässig. Eine Auflage dahingehend, dass vor Baubeginn der gesamte Bauplatz gemäß den Bescheiden der Wasserrechtsbehörde herzustellen wäre, sei nicht möglich, weil dadurch alle eingereichten Bauwerke von ihrer Lage und Konstruktion her verändert würden. Dabei handle es sich nicht um eine Modifikation des Projektes, sondern um eine wesentliche Änderung, welche nicht in der Disposition der Behörde liege. Es sei zwar zutreffend, dass die Baubehörde nur baurechtliche Vorschriften zu beurteilen habe, im gegenständlichen Fall sei jedoch auf Grund der ohne Bewilligung vorgenommenen Schüttungen eine Prüfung der Bauplatzeignung nicht möglich. Das Niveau des Bauplatzes stehe nicht fest, weil damit gerechnet werden müsse, dass sich der Bauplatz auf Grund "wasserrechtlicher Beseitigungsaufträge in einem Maße verändert, dass die Bauwerke 'in der Luft' stehen würden." Vor einer Klärung dieser Situation sei die Erteilung einer Baubewilligung auf Basis des Niveaus der illegalen Schüttungen nicht zulässig.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Mai 2004 keine Folge und begründete dies damit, dass zwar entgegen der Auffassung der Berufungsbehörde eine Niveauveränderung im Freiland keiner Baubewilligung bedürfe, diese Rechtswidrigkeit jedoch nicht geeignet sei, zu einer Aufhebung des Berufungsbescheides zu gelangen. Weiters führte die belangte Behörde wörtlich aus:

"Zum Vorbringen des (Beschwerdeführers), wonach das Grundstück Nr. 468, KG R., niemals von einem Behandlungsauftrag betroffen worden sei, wird darauf hingewiesen, dass das Grundstück Nr. 468 ursprünglich laut Katasterplan das Grundstück Nr. 467 der KG R. gewesen ist und ... sehr wohl vom Behandlungsauftrag gemäß § 32 Abs. 1 AWG betroffen war. Der Bescheid hinsichtlich § 32 Abs. 1 AWG wurde deshalb behoben, da faktisch eine grundstückscharfe Trennung für Schüttungen auf Grundstücken, die dem Forstgesetz und solche die dem AWG unterliegen, nicht möglich war. Die Behebung erfolgte aber nicht deshalb, weil für dieses Grundstück kein Auftrag nach dem AWG hätte erlassen werden dürfen.

Korrekt ist nämlich, dass für diese Schüttung auf dem nunmehrigen Grundstück Nr. 468 ... kein rechtskräftiger Beseitigungsauftrag gemäß dem AWG vorliegt. Allerdings, und dies wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgehalten, liegt für die ausgeführte Schüttung (die genehmigte Schüttung wurde überschüttet) keine rechtskräftige Bewilligung nach dem AWG vor.

Dass aber eine Überschüttung vorliegt, ergibt sich aus den Erhebungen aus dem Jahre 1998, die als Grundlage für den Bescheid (der Wasserrechtsbehörde) vom 04.05.1999 ... herangezogen wurden. Dieser Bescheid wurde zwar in weiterer Folge behoben, doch haben die diesbezüglichen Feststellungen hinsichtlich der getätigten Schüttungen nach wie vor Gültigkeit (ständige Kontrollen). Dies hat aber zur Folge, dass die auf diesem Grundstück getätigten Schüttungen rechtlich gesehen nicht vorhanden sind.

Daraus ergibt sich aber weiters, dass eine Bauplatzeignungsprüfung im Sinne des § 5 des Steiermärkischen Baugesetzes (Tragfähigkeit des Untergrundes) nicht durchführbar ist, weil der in der Natur vorhandene Untergrund de iure nicht vorhanden sein dürfte bzw. ein Verfahren nach dem AWG anhängig ist. Erst nach einer eventuellen Bewilligung nach dem AWG bzw. nach einer völligen Realisierung eines eventuell ergehenden abfallrechtlichen Beseitigungsauftrages könnte in eine Bauplatzeignungsprüfung eingetreten werden. Eben aus diesen Gründen kann bzw. darf eine Baubewilligung, wie dies (der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei) völlig korrekt ausgeführt hat, für dieses Grundstück nicht erteilt werden, da die Frage der Bauplatzeignung nicht in ausreichendem Maße geprüft werden kann."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie eine Gegenschrift mit dem Antrag die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59/1995 (Stammfassung), lauten auszugsweise:

"§ 5

Bauplatzeignung

(1) Eine Grundstücksfläche ist als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn

...

4. der Untergrund tragfähig ist sowie die vorgesehene Bebauung keine Gefährdung der Standsicherheit benachbarter baulicher Anlagen zur Folge hat,

5. Gefährdungen durch Lawinen, Hochwasser, Grundwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.dgl. nicht zu erwarten sind und

...

§ 22

Ansuchen

(1) Um die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich anzusuchen.

(2) Dem Ansuchen sind folgende Unterlagen anzuschließen:

...

5. Angaben über die Bauplatzeignung;

...

(3) Wenn aus den im Abs. 2 angeführten Unterlagen allein nicht beurteilt werden kann, ob das geplante Bauvorhaben den Vorschriften dieses Gesetzes entspricht, sind auf Verlangen der Behörde weitere Nachweise, insbesondere über die Standsicherheit, die Tragfähigkeit des Bodens ... zu erbringen."

Der Beschwerdeführer bringt gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Gemeindebehörden seien zu Recht davon ausgegangen, dass eine Überprüfung der Bauplatzeignung im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, (zusammengefasst) vor, auf Grund des Kumulationsprinzips sei es den Baubehörden nicht erlaubt, auf andere Bewilligungen bzw. Beseitigungsaufträge abzustellen. Sie hätten vielmehr die Bauplatzeignung anhand der eingereichten Pläne überprüfen müssen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist die Eignung einer Grundstücksfläche als Bauplatz grundsätzlich (§ 22 Abs. 3 Stmk BauG) anhand der vom Bauwerber eingereichten Unterlagen zu überprüfen. Das Vorliegen der Tragfähigkeit des Untergrundes (§ 5 Abs. 1 Z 4 leg. cit.) sowie das Nichtvorliegen einer allfälligen Gefährdung durch Rutschungen (§ 5 Abs. 1 Z 5 leg. cit.) ist auf Grundlage dieser Unterlagen und - sofern die Behörden eine ausreichende Beurteilung nicht selbst vornehmen können - durch Sachverständige abzuklären. Kommt die Baubehörde zur Auffassung, dass diese Unterlagen unrichtig sind oder dass auf Grund der eingereichten Unterlagen nicht beurteilt werden kann, ob die Tragfähigkeit des Geländes bzw. die Standsicherheit gegeben ist, hat sie den Bauwerber zu einer Ergänzung dieser Unterlagen gemäß § 22 Abs. 3 Stmk. BauG aufzufordern.

Im gegenständlichen Bauverfahren war nicht zu prüfen, ob die Aufschüttungen auf dem projektierten Bauplatz möglicherweise nach anderen Materiengesetzen einer Bewilligung bedürfen bzw. zukünftig allenfalls Gegenstand eines Beseitigungsauftrages sein können. Für ein und dasselbe Vorhaben kann nämlich unter verschiedenen Gesichtspunkten die Zuständigkeit verschiedener Behörden gegeben sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2007, Zl. 2006/05/0176), wobei die Frage nach der Tragfähigkeit des Grundes bzw. die allfällige Gefährdung durch Rutschungen im gegenständlichen Bauverfahren in keiner Weise von dem Umstand berührt wird, dass möglicherweise noch andere Bewilligungen einzuholen sind. Gemäß dem sich aus der Regelung der Kompetenzverteilung im B-VG ergebenden Kumulationsprinzip sind jeweils die sich aus den verschiedenen Rechtsmaterien ergebenden Anforderungen einzuhalten. Den Regelungen des § 5 Abs. 1 Z 4 und 5 Stmk. BauG ist aber nicht zu entnehmen, dass die Baubehörde bei der Prüfung der Bauplatzeignung hypothetische Überlegungen in Bezug auf Verfahren nach anderen Materiengesetzen anzustellen hat. Die Annahme der Baubehörden, dass eine Überprüfung der Bauplatzeignung auf Grund wasserrechtlicher bzw. - wie von der belangten Behörde angenommen - abfallwirtschaftsrechtlicher Unstimmigkeiten nicht möglich sei, war somit rechtswidrig.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass das Baugenehmigungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist, das sich nur auf das eingereichte, vom ausdrücklichen Antrag des Bauwerbers umfasste Projekt beziehen kann. Nur dieses ist demnach Gegenstand der Baubewilligung. Würde das Bauvorhaben in der Folge anders gebaut oder verwendet werden, hätte dies Gegenstand entsprechender baupolizeilicher Maßnahmen zu sein. Stimmen Pläne mit der Ausführung nicht überein, trägt das Risiko der Bauwerber (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. März 2003, Zl. 2001/06/0098).

Die belangte Behörde hätte aus den dargelegten Gründen den Bescheid des Gemeinderates im Vorstellungsverfahren aufzuheben gehabt. Da sie dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser - gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unter Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 1. April 2008

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