VwGH 2004/05/0013

VwGH2004/05/00139.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Haus und Grund Wohnbau GmbH & Co KG in Wien, vertreten durch Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwalt in Wien 1, Mahlerstraße 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 2003, Zl. RU1-V-03130/00, betreffend das Erlöschen einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Brunn am Gebirge, vertreten durch Beck Krist Bubits Rechtsanwälte-Partnerschaft in Mödling, Elisabethstraße 2), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §103 Abs1;
BauO NÖ 1976 §103;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §103 Abs1;
BauO NÖ 1976 §103;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. August 1998 eine Baubewilligung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf einem bestimmten Grundstück im Gemeindegebiet erteilt wurde. Dagegen erhoben verschiedene Nachbarn Berufung. Nach verschiedenen Verfahrensschritten wurden diese Berufungen mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 31. August 2000 teils als unzulässig zurückgewiesen und teils als unbegründet abgewiesen. Dieser Berufungsbescheid wurde gemäß den in den Verwaltungsakten befindlichen Rückscheinen den verschiedenen Adressaten teils am 3. und teils am 4. August 2000 zugestellt.

In einer u.a. an die Beschwerdeführerin adressierten Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Oktober 2000 heißt es, die mitbeteiligte Gemeinde teile mit, dass die fragliche Berufungsentscheidung am 19. August 2000 in Rechtskraft erwachsen sei. Es werde aber darauf hingewiesen, dass der Bescheid zwar in Rechtskraft erwachsen sei, jedoch das außerordentliche Rechtsmittel einer Vorstellung erhoben worden sei. Etwaige Baumaßnahmen ergingen daher "auf eigenes Risiko" (anzumerken ist, dass die Vorstellung als unbegründet abgewiesen und die gegen die Vorstellungsentscheidung erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/05/0677, dem der nähere Verfahrensgang zu entnehmen ist, ebenfalls als unbegründet abgewiesen wurde).

Mit der bei der mitbeteiligten Gemeinde am 9. August 2002 eingelangten Eingabe vom 8. August 2002 gab ein Bauunternehmen "die Bauführung" zur Errichtung des fraglichen Hauses für die Beschwerdeführerin bekannt und erstattete zugleich eine Baubeginnanzeige.

In einer Eingabe vom 22. Dezember 2002 zog ein Nachbar in Zweifel, dass ein Baubeginn im Sinne der gesetzlichen Vorschriften erfolgt sei.

Nach verschiedenen Verfahrensschritten erging der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juli 2003, mit welchem festgestellt wurde, dass das mit dem Berufungsbescheid vom 31. Juli 2000 in Verbindung mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 10. August 1998 erteilte Recht der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung des fraglichen Vorhabens erloschen sei. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die von der Beschwerdeführerin behaupteten Fundierungsarbeiten auf sechs "Betonflecken" in der Größe von ca. je einem A 4-Blatt beschränkten, die im vorderen Bereich des Grundstückes verteilt seien. Diese zusammenhanglosen Betonflecken seien in bautechnischer Hinsicht keinesfalls als Teil einer Fundamentierung anzusehen und es seien auch die restlichen von der Beschwerdeführerin als Bauwerberin gesetzten Veranlassungen, nämlich die Auspflockung der Begrenzungen des bewilligten Vorhabens, ebenso wenig als Baubeginn "im Sinne des § 103 Abs. 1 in Verbindung mit § 106 NÖ BO 1976" zu werten. Da auch kein Antrag auf Verlängerung der Ausführungsfrist gestellt worden sei, sei demnach (innerhalb von zwei Jahren) ab Rechtskraft der Baubewilligung kein Baubeginn erfolgt.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. September 2003 als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst teilte die Berufungsbehörde (mit eingehenderer Begründung) die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Nach Darstellung des Verfahrensganges heißt es begründend, es sei zunächst zu klären, wann der Berufungsbescheid vom 31. Juli 2000 rechtskräftig geworden sei. Bei Berufungs- und Vorstellungsbescheiden sei ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr zulässig. Ein derartiger Bescheid erwachse daher mit seiner Zustellung in Rechtskraft. Da der Berufungsbescheid am 3. August 2000 dem damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei, sei er in diesem Zeitpunkt erlassen worden und in Rechtskraft erwachsen.

Zu prüfen sei nunmehr, ob rechtzeitig mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen worden sei. Im Beschwerdefall sei die Baubewilligung nach der NÖ BO 1976 erteilt worden, weshalb auch die darin normierten Ausführungsfristen zu gelten hätten. Gemäß § 103 Abs. 1 NÖ BO 1976 erlösche das Recht aus Baubewilligungsbescheiden, wenn die Ausführung des Vorhabens nicht binnen zwei Jahren nach Rechtskraft der Bescheide begonnen worden sei. Gemäß § 106 Abs. 1 leg. cit. dürfe vor Rechtskraft solcher Baubewilligungsbescheide mit der Ausführung des Vorhabens nicht begonnen werden. Als Zeitpunkt des Beginns gelte jener Tag, an dem mit den Erd- oder Bauarbeiten begonnen werde, die der Verwirklichung des Vorhabens dienten. Von diesem Zeitpunkt an bis zur Bauvollendung dürfe die zur Ausführung des Vorhabens erforderliche Baustelleneinrichtung ohne weitere Bewilligung aufgestellt werden.

Die Zweijahresfrist des § 103 Abs. 1 NÖ BO 1976 für den Beginn der Ausführung des Vorhabens sei daher bereits am 12. August 2002, den die Beschwerdeführerin wiederholt als Datum des Baubeginns angegeben habe, verstrichen gewesen. Da zuvor nicht um eine Fristverlängerung angesucht worden sei, sei nicht rechtzeitig mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen worden und es sei daher die Baubewilligung erloschen. Damit erübrige es sich, auf das übrige Vorstellungsvorbringen einzugehen. Abgesehen davon seien die von der Beschwerdeführerin durchgeführten Bauarbeiten keinesfalls als Erd- oder Bauarbeiten, die der Verwirklichung des Vorhabens dienten, zu qualifizieren. Dies sei bereits für einen Laien bei einem Vergleich der durchgeführten Arbeit mit der Baubeschreibung erkennbar. Auch deshalb wäre die Baubewilligung erloschen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten dieses Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgebliche Rechtslage wurde von der belangten Behörde zutreffend wiedergegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2003, Zl. 2002/05/0772, in welchem der Verwaltungsgerichtshof näher begründet dargelegt hat, dass zur Klärung der Frage, ob das Recht aus einem auf die NÖ BO 1976 gestützten Baubewilligungsbescheid nicht aus § 24 Abs. 1 NÖ BauO 1996 abgeleitet werden kann, vielmehr auf die NÖ BO 1976 zurückgegriffen werden muss). Strittig ist, ob innerhalb der maßgeblichen Zweijahresfrist ein Baubeginn erfolgte.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihr sei mit Erledigung vom 24. Oktober 2000 eine Rechtskraftbestätigung dahin erteilt worden, dass die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides am 19. August 2000 eingetreten sei. Sie habe darauf vertrauen können, dass diese Auskunft richtig ist. Sie habe davon ausgehen können, dass die Zustellung der Ausfertigung des Berufungsbescheides an die damaligen Berufungswerber "auch für die Rechtskraft maßgeblich" sei und die Auskunft der Gemeinde über den Eintritt der Rechtskraft richtig sei "und eben diesen Zustellungszeitpunkt darstellte".

Nach der ausdrücklichen Rechtskraftbestätigung der Gemeinde vom 24. Oktober 2000 sei die Rechtskraft des Berufungsbescheides nicht am 3. August 2000 sondern erst am 19. August 2000 eingetreten, weshalb die Mitteilung vom 8. August 2002 und der am 12. August 2002 erfolgte Baubeginn innerhalb der maßgeblichen Zweijahresfrist gelegen seien.

Im Übrigen sei die Auffassung der belangten Behörde, die tatsächlich durchgeführten Arbeiten stellten keinen Baubeginn im Rechtssinne dar, unzutreffend (wird näher ausgeführt).

Dem ist Folgendes zu entgegnen: Die Auffassung der belangten Behörde, dass die formelle Rechtskraft des Berufungsbescheides bereits mit seiner Zustellung eintrat, weil dagegen ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr zulässig war, trifft zu. Das heißt, dass der Ablauf der Vorstellungsfrist für den Eintritt der Rechtskraft des Berufungsbescheides rechtlich irrelevant war (vgl. dazu auch Hauer/Zaussinger, NÖ Bauordnung4, Anmerkung 2 zu § 103 BO 1976). Im Beschwerdefall kann die von der Beschwerdeführerin der Sache nach angesprochene Frage, ob es für den Beginn des Laufes der Zweijahresfrist auf den Zeitpunkt der Rechtskraft gegenüber dem Bauwerber oder gegenüber allen Parteien des Bauverfahrens ankommt ("einseitige" oder "allseitige" Rechtskraft), dahingestellt bleiben, weil die Zustellungen dieses Berufungsbescheides am 3. und 4. August 2000 erfolgten, also jeweils vor dem 8. August 2000 (und damit umso mehr vor dem 12. August 2000 als dem Tag, an welchem nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Jahr 2002 mit dem Bau begonnen worden sei).

Das bedeutet, dass die "Rechtskraftbestätigung" vom 24. Oktober 2000 (Mitteilung, dass der Berufungsbescheid am 19. August 2000 in Rechtskraft erwachsen sei) inhaltlich unrichtig ist. Eine normative Wirkung dahin, dass hiedurch der Eintritt der Rechtskraft des Berufungsbescheides verschoben worden wäre, kommt dieser Erledigung nicht zu (zum Wesen der Rechtskraftbestätigung als Beurkundung siehe das hg. Erkenntnis vom 17. November 1999, Zl. 99/12/0199). Auch § 103 Abs. 1 BO 1976 macht den Fristbeginn nicht von einer Rechtskraftbestätigung abhängig.

Darauf, dass die Beschwerdeführerin auf die Richtigkeit der "Rechtskraftbestätigung" vom 24. Oktober 1999 vertraute, kommt es für den Beginn des Laufes der Zweijahresfrist nicht an.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von der Beschwerdeführerin gesetzten Maßnahmen als "Baubeginn" im Sinne des § 106 Abs. 1 BO 1976 anzusehen sind, hat demgemäß zu unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. November 2004

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