VwGH 2004/03/0221

VwGH2004/03/02218.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Berger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des GS in T, Deutschland, vertreten durch Dr. Birgit Streif, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Oktober 2004, Zl. uvs- 2003/19/146-4, betreffend eine Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

GütbefG 1995 §23 Abs1 Z6 idF 2002/I/032;
GütbefG 1995 §9 Abs3;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §51e Abs6;
VStG §51h;
VwRallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z6 idF 2002/I/032;
GütbefG 1995 §9 Abs3;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §51e Abs6;
VStG §51h;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 9 Abs 3 GütbefG für schuldig erkannt und es wurde über ihn gemäß § 23 Abs 1 Z 6 GütbefG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.450,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) verhängt. In der ihm durch den angefochtenen Bescheid gegebenen Fassung lautet der Spruch des Straferkenntnisses wörtlich wie folgt:

"Der Beschuldigte, (G S), hat es als Inhaber der Firma (J) ..., die Zulassungsbesitzerin des Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen (...) (D) ist unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass für die durchgeführte ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich vom Grenzübergang Brennerpass, Einreise am 28.11.2002 Richtung Deutschland fahrend ein ausreichend funktionierender Umweltdatenträger verwendet wurde, weil der EcoTAG nicht ordnungsgemäß angebracht war, weshalb es bei der Einreise nach Österreich am Brenner zu keiner Abbuchung der erforderlichen Anzahl von Ökopunkten gekommen ist.

Der Beschuldigte ist insbesonders verpflichtet, vor Fahrtbeginn dafür zu sorgen, dass die Fahrt ohne Verletzung der Ökopunkte-Verordnung durchgeführt werden kann. Hierzu hat er dem Lenker eine entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Wurde ein Umweltdatenträger benützt, so hat er sich davon zu überzeugen, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen und dass der Umweltdatenträger ausreichend funktioniert. Dies hat der Beschuldigte als Verantwortlicher des Unternehmens unterlassen."

Nach dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt sei bei der gegenständlichen Transitfahrt ein Umweltdatenträger mitgeführt worden, der auf die "Firma" MH initialisiert gewesen sei; dies sei für das gegenständliche Fahrzeug der erste Ecotag gewesen. Zu einer Kommunikation mit der Abbuchungsstation in Österreich sei es im Zuge der Einreise dieses Fahrzeugs nach Österreich nicht gekommen. Die Fahrt sei über Auftrag des Beschwerdeführers erfolgt, der sich nicht ausreichend davon überzeugt habe, dass der verwendete Umweltdatenträger auch funktioniere.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter anderem aus, dass der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe vom 19. Oktober 2004 selbst eingeräumt habe, dass der Fahrer sein Arbeitnehmer sei; damit sei klar gestellt, dass der Auftrag zur entsprechenden Fahrt - wie vom Lenker behauptet - auch durch den Beschwerdeführer erfolgt sei. Der Firma MH seien keine Weisungsbefugnisse gegenüber dem Lenker zugekommen. Auf Grund der ausdrücklichen Bestätigung des Beschwerdeführers, dass der Lenker sein Dienstnehmer sei, dass es sich bei der gegenständlichen Fahrt um eine ökopunktepflichtige Transitfahrt gehandelt habe, dass der Ecotag nicht in der bestimmungsgemäßen Art verwendet worden sei und dass der Beschwerdeführer mögliche und zumutbare Vorsorgemaßnahmen zur Sicherstellung der Entrichtung von Ökopunkten unterlassen habe, sei erwiesen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe; demgemäß habe von weiteren Beweiserhebungen Abstand genommen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 9 Abs 3 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) lautet:

"(3) Jeder Unternehmer, der veranlasst, dass eine Fahrt durch Österreich durchgeführt wird, für die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 , zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2012/2000 , (Ökopunkteverordnung) Ökopunkte zu entrichten sind, hat dem Fahrer vor Antritt der Fahrt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Wird ein Umweltdatenträger benützt, hat sich der Unternehmer davon zu überzeugen, dass ausreichend Ökopunkte zur Verfügung stehen und dass der Umweltdatenträger einwandfrei funktioniert. Er hat weiters den Fahrer darüber zu belehren, welche Maßnahmen dieser zur Einhaltung der Ökopunkteverordnung zu treffen hat."

Gemäß § 23 Abs 1 Z 6 GütbefG in der Fassung BGBl I Nr 32/2002 begeht - abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen - eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu EUR 7.267,-

- zu ahnden ist, wer § 9 Abs 3 GütbefG zuwiderhandelt.

§ 23 Abs 4 zweiter Satz GütbefG in der Fassung BGBl I Nr 32/2002 sieht vor, dass bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs 1 Z 3, Z 6 und Z 8 bis 10 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 die Geldstrafe mindestens EUR 1.453,-- zu betragen hat.

2. Unstrittig ist, dass es sich bei der beschwerdegegenständlichen Fahrt um eine ökopunktepflichtige Transitfahrt handelte. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, seinen Fahrer über die von ihm einzuhaltenden Verpflichtungen ausreichend und eingehend aufgeklärt zu haben. Es hätten regelmäßig Schulungen stattgefunden und der Lenker habe mit dem Ecotag-Gerät umzugehen gewusst. Der Beschwerdeführer stellt jedoch nicht in Abrede, dass der Umweltdatenträger, wie von der belangten Behörde festgestellt, bloß "mitgeführt" wurde und nicht im Kraftfahrzeug eingebaut war, wie dies Art 1 Abs 1 lit b, Abs 2 und 3 sowie Anhang G der Verordnung (EG) Nr 3298/94 über ein System von Ökopunkten für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr 2012/2000, vorsieht. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - die nach der Begründung des angefochtenen Bescheides offenbar auch von der belangten Behörde geteilt wird - kommt es daher nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer ausreichend von der Funktion des Umweltdatenträgers überzeugt und ob er den Fahrer diesbezüglich ausreichend belehrt hat. Da im Fahrzeug kein Umweltdatenträger eingebaut war, war der Unternehmer, der die Transitfahrt veranlasst hat, vielmehr verpflichtet, dem Lenker eine entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Die Verletzung dieser Verpflichtung wurde dem Beschwerdeführer auch im Spruch des Straferkenntnisses vorgeworfen.

3. Soweit der Beschwerdeführer Verfolgungsverjährung geltend macht, da weder die Aufforderung zur Rechtfertigung noch das erstinstanzliche Straferkenntnis das wesentliche Tatbestandsmerkmal enthalten hätten, dass er die ökopunktepflichtige Transitfahrt veranlasst habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter die "durchgeführte ökopunktepflichtige Transitfahrt" vorgehalten wurde; dies umfasst aber auch den Vorwurf, diese Transitfahrt veranlasst zu haben, sodass die behauptete Verfolgungsverjährung nicht vorliegt (vgl das hg Erkenntnis vom 15. Dezember 2003, Zl 2003/03/0244).

4. Das weitere Beschwerdevorbringen bezieht sich auf den vom Beschwerdeführer erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 14. September 2004 behaupteten Umstand, die gegenständliche Transitfahrt sei nicht von ihm veranlasst worden, da das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an ein anderes Unternehmen vermietet gewesen sei. Dieses Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer - nach Vorhalt einer telefonisch eingeholten Aussage des Lenkers durch die belangte Behörde - in einer Stellungnahme vom 19. Oktober 2004 noch dahingehend ergänzt, dass auch die "Fahrdienstleistung des Fahrpersonals des Vermieters dem Mieter zur Verfügung gestellt" worden sei. Sowohl in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2004 als auch mit der Stellungnahme vom 19. Oktober 2004 wurden zum Beweis dieses Vorbringens Kopien von Mietverträgen vorgelegt. In der zuletzt genannten Stellungnahme wurde zum Beweis des Vorbringens die Einvernahme des Lenkers sowie des Beschwerdeführers beantragt.

Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde ergibt, wurde in der am 14. September 2004 durchgeführten mündlichen Verhandlung auf Grund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden die Vertagung auf unbestimmte Zeit "zur Aufnahme weiterer Beweise" verfügt. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreterin ein Aktenvermerk der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, in dem ein Telefonat mit einem Polizeibeamten dokumentiert wurde, der seinerseits von einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Lenker berichtete; der Lenker habe dabei mitgeteilt, dass die gegenständliche Fahrt im Auftrag des Unternehmens des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei, er bei diesem Unternehmen beschäftigt sei und niemals für die Firma MH gearbeitet habe.

Nach dem Beschwerdevorbringen - dem die belangte Behörde nicht entgegentritt - sei am 22. Oktober 2004 am Vormittag kurzfristig eine telefonische Ladung für eine Verhandlung am selben Tag nachmittags erfolgt. Auf Grund dieser kurzfristigen Ladung sei es nicht möglich gewesen, den Beschwerdeführer und den Lenker zur Verhandlung stellig zu machen.

Im vorgelegten Verwaltungsakt lässt sich eine Ladung zur (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2004 nicht nachvollziehen.

Der belangten Behörde kann nicht darin gefolgt werden, dass das - vom Beschwerdeführer ausdrücklich zugestandene - Dienstverhältnis des Lenkers zum Beschwerdeführer alleine geeignet wäre, die Veranlassung der gegenständlichen Transitfahrt durch den Beschwerdeführer zu beweisen. Ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen betreffend die Vermietung des gegenständlichen Fahrzeugs samt Bereitstellung des Fahrpersonals erst zu einem späten Zeitpunkt im Verwaltungsstrafverfahren erstattet hat und dieses Vorbringen auch zu früheren Ausführungen des Beschwerdeführers im Widerspruch zu stehen scheint, konnte die belangte Behörde daher jedenfalls nicht davon Abstand nehmen, zu der ausdrücklich zur Aufnahme weiterer Beweise vertagten mündlichen Verhandlung den Beschwerdeführer - wie von diesem beantragt - zu laden, zumal auch seit der ersten durchgeführten Verhandlung weitere Beweise aufgenommen worden waren.

Nach § 51e Abs 6 VStG sind die Parteien so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.

Nach § 51h VStG ist das Verfahren möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. Wenn sich die Einvernahme des von der Verhandlung ausgebliebenen Beschuldigten oder die Aufnahme weiterer Beweise als notwendig erweist, dann ist die Verhandlung zu vertagen.

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1999, Zl 99/07/0070, muss die Vorbereitungsfrist des § 51e Abs 6 VStG im Falle einer Vertagung mangels eines Bedürfnisses nach einer neuerlichen Vorbereitung nicht abermals eingehalten werden; es mag jedoch Fälle geben, in denen der Beschuldigte eines Verwaltungsstrafverfahrens auch für die fortgesetzte Verhandlung einer entsprechenden Vorbereitung bedarf, sodass zwischen der Ladung zu dieser fortgesetzten Verhandlung und deren Durchführung ein entsprechender Zeitraum zu liegen hat. Auch wenn man im vorliegenden Fall davon ausgehen wird können, dass dem Beschwerdeführer zur Vorbereitung auf die (fortgesetzte) mündliche Verhandlung nicht zwingend die volle zweiwöchige Frist des § 51e Abs 6 VStG zur Verfügung stehen musste, so setzt eine ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers auch zur fortgesetzten mündlichen Verhandlung doch jedenfalls voraus, dass sie so rechtzeitig erfolgt, dass nicht nur dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers - dessen Kanzlei sich am Sitz der belangten Behörde befindet -, sondern auch dem Beschwerdeführer selbst die Teilnahme an der Verhandlung objektiv möglich ist. Von einer rechtzeitigen Ladung des - im Ausland wohnhaften - Beschwerdeführers kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, erfolgte hier doch nach dem unwidersprochenen Beschwerdevorbringen eine telefonische Ladung nur rund vier Stunden vor Verhandlungsbeginn.

Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Stellungnahme vom 19. Oktober 2004 ausgeführt, was er durch seine Einvernahme - sowie durch die ebenfalls beantragte Einvernahme des Lenkers - anlässlich der fortgesetzten mündlichen Verhandlung unter Beweis zu stellen beabsichtigte; dieses Beweisthema - Veranlassung der Fahrt nicht durch den Beschwerdeführer, sondern durch ein Unternehmen, dem das Fahrzeug samt "Fahrdienstleistung" vermietet worden war - war auch für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung relevant. Vor diesem Hintergrund stellt die unterlassene rechtzeitige Ladung des Beschwerdeführers zur (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 8. Juni 2005

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