VwGH 2004/02/0294

VwGH2004/02/029425.1.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des HD in Wien, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gluckgasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Juli 2004, Zl. UVS- 07/S/4/3090/2003/18, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:

Normen

ArbIG 1993 §23 Abs1;
ASchG 1994 §118 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
ASchG 1994;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AVG §37;
BArbSchV 1994 §87 Abs3;
BArbSchV 1994 §87 Abs5 Z1;
BArbSchV 1994 §87 Abs5;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9;
ArbIG 1993 §23 Abs1;
ASchG 1994 §118 Abs3;
ASchG 1994 §130 Abs5 Z1;
ASchG 1994;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AVG §37;
BArbSchV 1994 §87 Abs3;
BArbSchV 1994 §87 Abs5 Z1;
BArbSchV 1994 §87 Abs5;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs3;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der D GmbH mit Sitz in W zu verantworten, dass diese Gesellschaft vom 15. Juli 2002 bis 16. Juli 2002 auf der Baustelle in W, es unterlassen habe, geeignete Schutzeinrichtungen wie zB. Dachfanggerüste anzubringen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, obwohl für die Arbeitnehmer im Zuge eines Dachmansardenzubaues bei den Spenglerarbeiten (Brustverblechung, Schopfverblechung, Spenglerarbeiten im Bereich einer Mansardenöffnung) auf dem Dach, dessen Dachneigung ca. 80 Grad und ca. 35 Grad im Firstbereich beträgt, Absturzgefahr aus ca. 4,5 m bzw. 7,7 m Absturzhöhe gegeben gewesen sei.

Er habe eine Übertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 iVm § 118 Abs. 3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (AschG) iVm § 87 Abs. 3 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.800,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, es sei gemäß § 9 Abs. 2 VStG ein verantwortlicher Beauftragter bestellt gewesen. Die belangte Behörde hat dazu festgestellt, dass keine Bestellungsurkunde beim Arbeitsinspektorat eingelangt sei. Dies lässt der Beschwerdeführer unwidersprochen, bringt aber vor, er habe sich auf Grund der Auskunft seines "ehemaligen Rechtsvertreters", dass die Bestellung "generell auch ohne schriftliche Übersendung an das AI" (= Arbeitsinspektorat) rechtswirksam sei, in einem "jedenfalls entschuldbaren Rechtsirrtum" befunden.

Hiezu genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das denselben Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/02/0293, zu verweisen.

Der Beschwerdeführer rügt sodann, sein zuständiger Bauleiter M habe als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2004 ausgesagt, die Absturzhöhe habe "etwa 3 m betragen". Er habe die Höhe "vermessen". Daraus leitet der Beschwerdeführer ab, die Absturzhöhe sei "nicht höher als drei Meter gewesen". Zuerst ist dem Beschwerdeführer zu entgegen, dass er die Aussage insofern uminterpretiert, als der Zeuge angegeben hat, er habe "die Baustelle ausgemessen", woraus sich nicht zwingend ableiten lässt, er habe die Absturzhöhe vermessen. Davon abgesehen ist aus einem "etwa"-Ergebnis, gleich auf welcher Grundlage es beruht, auch nicht erkennbar, dass die Absturzhöhe, die laut Angabe des Zeugen D (des eingeschrittenen Organes des Arbeitsinspektorates) "ca. 4,5 m" (also das 1 ½ fache) betragen habe, "nicht mehr als drei Meter" betragen habe, zumal der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, im Verwaltungsverfahren die angelastete Absturzhöhe bestritten zu haben.

Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf das in der mündlichen Verhandlung vorgekommene, im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebene Gutachten des DI K im Verfahren des Bezirksgerichtes Döbling vor, es habe sich nur um kurzfristige Arbeiten gehandelt, weshalb die "Absturzsicherungsgerüste in diesem Fall nicht notwendig gewesen seien".

Wie die belangte Behörde aus der ihrem Inhalt nach unbestrittenen Aussage des Bauleiters M festhält, hatte die D GmbH an gegenständlicher Baustelle bei der Neuerrichtung des Daches des Zubaus alle Spengler- und Dachdeckerarbeiten zu erbringen. Die Arbeiten seien am 15. Juli 2002 an Ort und Stelle mit der Montage des Vogelschutzgitters begonnen worden. Über Veranlassung des Bauleiters sei die Anbringung des Vogelschutzgitters aus betriebsorganisatorischen Gründen vorgezogen worden, da es auf einer anderen Baustelle zum Stillstand gekommen sei. Externe Ursachen für eine Arbeitsunterbrechung seien keine vorgebracht worden. Nach den diesbezüglich ebenfalls unbestrittenen Angaben des Zeugen D habe die Fertigstellung aller Arbeiten noch ca. 2 bis 3 Wochen gedauert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15. Juli 2004, Zl. 2001/02/0042, zu einem vergleichbaren Vorbringen Folgendes ausgeführt:

"Der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 87 Abs. 5 (Z. 1) BauV ist gleichfalls verfehlt: Er übersieht dabei, dass die dort angeführten 'geringfügigen' Arbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, nach dem Sinngehalt dieser Vorschrift insgesamt nicht länger als einen Tag dauern dürfen. Es ist daher unzulässig, eine Arbeit (hier: Decken eines Daches, das ca. eine Woche in Anspruch nimmt - vgl. die Zeugenaussage des Arbeitnehmers K.L. vom 13. Juli 2000) in einzelne Arbeitsvorgänge, die nicht länger als einen Tag dauern (vom Beschwerdeführer als 'Vorbereitungsarbeiten' bezeichnet) zu 'zerlegen', um so die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 3 BauV zu vermeiden. Von daher gesehen können die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmängel nicht wesentlich sein."

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um zusammengehörende Arbeiten. Eine "Zerlegung" in einzelne Abschnitte, um in den Anwendungsbereich des § 87 Abs. 5 Z. 1 BauV zu gelangen, ist sohin nicht berechtigt. Das im Gerichtsverfahren erstattete Gutachten steht dem schon aus dem Grund nicht entgegen, als der Gutachter dort eine Rechtsfrage (nämlich, ob die Arbeiten unter § 87 Abs. 3 oder Abs. 5 Z. 1 BauV zu subsumieren sind) löste, wozu er nicht berechtigt war. Denn der Sachverständige muss im Bereich der Tatsachen bleiben; Rechtsfragen zu lösen, ist der Behörde vorbehalten (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0019). Die belangte Behörde war daher auch nicht gehalten, ein vom Beschwerdeführer gefordertes "Gegengutachten" einzuholen.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es sei aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen, was unter "ordnungsgemäßen Schutzausrüstungen" zu verstehen sei, weil doch ein Gerüst auf der Baustelle vorhanden gewesen sei, so ist er zunächst auf den Inhalt des Spruches hinzuweisen und sodann auf die in der Begründung enthaltene Aussage des Zeugen D, aus der klar hervorgeht, dass dieses als "Gerüstfragment" bezeichnete Gerüst als Schutzeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 3 BauV nicht in Frage kommt; dass dieses Gerüst als Schutzeinrichtung entsprechend dem letzten Satz dieser Vorschrift geeignet gewesen sei, wird überdies vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet.

Sodann bringt der Beschwerdeführer vor, auf Grund des von ihm vorgebrachten Kontrollsystems sei ihm (abgesehen von der bereits behandelten behaupteten Übertragung der Verantwortlichkeit) entgegen der Ansicht der belangten Behörde kein Verschulden vorzuwerfen, weshalb er "nicht zu bestrafen" gewesen wäre "bzw. hätte auf Grund des Sachverhaltes jedenfalls § 21 VStG zu Anwendung gelangen müssen bzw. hätte die Strafe weit niedriger angesetzt werden müssen."

Das vom Beschwerdeführer behauptete Kontrollsystem entspricht - wie die belangte Behörde richtig ausführt - de facto jenem, das auch dem den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2001, Zl. 2000/02/0228, zu Grunde lag und vom Verwaltungsgerichtshof als ungeeignet angesehen wurde. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im genannten Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Der Beschwerdeführer ist darüber hinaus noch - mit der belangten Behörde - darauf hinzuweisen, dass sich dieses Kontrollsystem schon deshalb als ungeeignet darstellt, weil - wie der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge Bauleiter M unwidersprochen ausgeführt hat - dieser Zeuge selbst als vom Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen eingesetztes Glied der Kontrollkette die Durchführung der gegenständlichen Arbeit ohne Anbringung der im Spruch genannten Schutzeinrichtungen angeordnet hat. Der Beschwerdeführer hat selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe die gegenständliche Baustelle nie gesehen und auch keine Auftragsunterlagen eingesehen, weshalb er über die Gegebenheiten (Dachneigung und Absturzhöhe) keine Angaben machen könne. Fehlt es aber an einer Kontrolle des innerbetrieblich zur Durchführung der Arbeiten Anordnungsbefugten, so kann nicht vom Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems, das die Einhaltung der (arbeitnehmerschutzrechtlichen) Vorschriften mit gutem Grund erwarten lässt, ausgegangen werden. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch keinen Grund erkennen, dass die belangte Behörde § 21 VStG hätte anwenden oder eine geringere Strafe verhängen müssen (vgl. im Übrigen auch dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/02/0293).

Der Beschwerdeführer behauptet eine "Aktenwidrigkeit" in Bezug auf die "Feststellung, wonach M bestätigt hätte, dass die 'vorhandenen Schutzausrüstungen mangelhaft' gewesen seien". Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn die in den Verwaltungsakten aufliegenden Unterlagen eindeutig und offenkundig den Feststellungen im Bescheid widersprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 97/04/0137). Die belangte Behörde hat aber lediglich aus der - vom Beschwerdeführer inhaltlich nicht in Frage gestellten - Aussage des Zeugen M - vgl. etwa die oben stehenden Ausführungen - einen Schluss gezogen.

Der Beschwerdeführer rügt als weitere "Aktenwidrigkeit" die Feststellung, wonach weder der Beschwerdeführer noch der Bauleiter nach dem Arbeitsunfall am 15. Juli 2002 auf die Baustelle gefahren seien. Selbst wenn dies eine Aktenwidrigkeit wäre, führt eine aktenwidrige Sachverhaltsannahme der Behörde für sich allein noch nicht zur Aufhebung des Bescheides, sondern nur dann, wenn ihr eine solche in einem wesentlichen Punkt (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG) unterlaufen ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 97/04/0137). Ob der Beschwerdeführer oder sein Bauleiter M am 15. Juli 2002 noch zur Baustelle gefahren sind oder nicht, ist unerheblich, weil am 16. Juli 2002 ohnehin in gleicher ungesicherter Weise gearbeitet wurde wie am 15. Juli 2002 und die obigen Ausführungen zur Unwirksamkeit des behaupteten Kontrollsystems für beide Tage in gleicher Weise gelten.

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 25. Jänner 2005

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