VwGH 2004/01/0591

VwGH2004/01/059122.8.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde 1. des S R,

2. der F R, 3. des F R, 4. des D R und 5. des A R, alle in R und vertreten durch Dr. Philipp E. Lettowsky, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Getreidegasse 50, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 5. August 2004, Zl. 0/912-18142/5-2004, betreffend Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z4 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z4 idF 1998/I/124;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 17. Mai 2004 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben auf seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder (die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer) gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) iVm § 10 Abs. 1 Z 4, 16 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 18 StbG ab.

Sie stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft Salzburg am 27. Juli 2004 beim Bezirksgericht R die Bestrafung des Erstbeschwerdeführers wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) beantragt habe. Dem Beschwerdeführer werde vorgeworfen, im Herbst 2003 in R den bestehenden Vorschriften zuwider ca. vier Kilogramm Cannabiskraut an eine namentlich genannte Person weitergegeben zu haben. Rechtlich folgerte die belangte Behörde daraus, dass gegen den Erstbeschwerdeführer ein Strafverfahren wegen einer Vorsatztat anhängig sei, die mit einer Freiheitsstrafe bedroht sei. Deshalb liege das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 4 StbG vor, weshalb weder dem Verleihungsantrag des Erstbeschwerdeführers noch den bezughabenden Erstreckungsanträgen Berechtigung zukomme.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof lehnte dieser mit Beschluss vom 30. November 2004, B 1220/04-6, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift erwogen:

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass gegen den Erstbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein gerichtliches Strafverfahren wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG anhängig gewesen und dieses Delikt mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht ist. Sie vertritt jedoch die Rechtsauffassung, dass ungeachtet dessen der Einbürgerung der Beschwerdeführer das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 4 StbG nicht entgegenstehe, weil dieses nur bei anhängigen Strafverfahren wegen Straftaten herangezogen werden dürfe, die "allein" mit Freiheitsstrafen bedroht seien. Zu diesem Interpretationsergebnis will die Beschwerde unter Berücksichtigung des § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG kommen, weil die Norm des § 10 Abs. 1 Z 4 StbG, die nur an den Verdacht einer Straftat anknüpfe, nicht strenger ausgelegt werden dürfe als die zuvor genannten Bestimmungen. Im Übrigen habe die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung zuwarten müssen, wenn absehbar gewesen sei, dass das Strafverfahren einem Ende zugeführt werde. Diese Möglichkeit habe sie nicht einmal in Erwägung gezogen.

Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - unter Hinweis auf den Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z 4 StbG - entgegen, dieser Bestimmung könne nicht entnommen werden, dass nur Strafverfahren wegen eines Deliktes heranzuziehen seien, für die das Gesetz ausschließlich eine Freiheitsstrafe vorsehe. Im gegenständlichen Fall sei das Ende des anhängigen Strafverfahrens bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht absehbar gewesen.

Die angesprochenen Bestimmungen des StbG 1985 (in der hier maßgeblichen Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006) lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

...

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist ...;

3.er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist;

4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

..."

Der Wortlaut dieser Bestimmungen geht auf die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, zurück. Bis dahin sah das StbG 1985, mit dem das StbG 1965 wiederverlautbart worden war, bereits basierend auf der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983, BGBl. Nr. 170, in § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. vor, dass einem Fremden die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden konnte, wenn er durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten (lit. a) oder wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden war. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 StbG idF vor der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 lag ein Verleihungshindernis auch dann vor, wenn gegen den Einbürgerungswerber wegen des Verdachtes einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbaren Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht waren (lit. a), oder wegen des Verdachtes eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens (lit b) bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig war.

Die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 bezweckte - so die Gesetzesmaterialen - eine Verschärfung dieser Rechtslage bei Straffälligkeit des Verleihungswerbers. Dazu führten Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1283 BlgNR 20.GP 7) wörtlich aus:

"Das Verleihungshindernis in Abs. 1 Z 2 wird insofern verschärft, als künftighin eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten zu - bedingter oder unbedingter - Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten ein Verleihungshindernis darstellen wird .... Außerdem werden die Verleihungshindernisse in Abs. 1 Z 2 und 4 lit. a einander angeglichen: Durchwegs soll es auf die Verhängung oder Bedrohung mit Freiheitsstrafe ankommen. Das Verleihungshindernis des anhängigen Strafverfahrens gilt nur während der Dauer des Verfahrens. Die Behörde hat - wenn absehbar ist, daß das Verfahren einem Ende zugeführt wird - mit ihrer Entscheidung zuzuwarten. Wird der Betroffene freigesprochen oder das Verfahren eingestellt, fällt das Verleihungshindernis unverzüglich weg"

Ausgehend davon ist der Beschwerde zunächst zuzugeben, dass die Verleihungshindernisse des § 10 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 StbG in einem systematischen Zusammenhang stehen. Nur eine Verurteilung wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten oder einem Finanzvergehen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten schließt gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einem Fremden - unter der Einschränkung des § 10 Abs. 2 StbG - von vornherein aus; andere Straftaten könnten lediglich unter dem Blickwinkel des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG (auf den sich die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht gestützt hat) von Bedeutung sein. Wenn § 10 Abs. 1 Z 4 StbG als weiteres Verleihungshindernis ein anhängiges Strafverfahren wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat festlegt, so soll damit offenkundig dem Umstand Rechnung getragen werden, dass während eines anhängigen Strafverfahrens noch nicht verlässlich beurteilt werden kann, ob und in welchem Ausmaß der Verleihungswerber gerichtlich bestraft werden wird und damit die zuvor erwähnten Einbürgerungshindernisse des § 10 Abs. 1 Z 2 und 3 StbG vorliegen (vgl. in diesem Sinne auch schon die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983:

"Solange das Strafverfahren noch anhängig ist, kann allerdings nicht verlässlich beurteilt werden, ob und in welchem Ausmaß die Strafe festgesetzt wird. ... Die vorliegende Lösung (Anm.:

Einführung des Verleihungshindernisses schon bei einem anhängigen Strafverfahren vor der rechtskräftigen Verurteilung( ist deshalb vertretbar, weil bei einer niedrigeren Strafe das Einbürgerungshindernis mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens wegfällt."; 1272 BlgNR 15. GP 11)

Auf Grund des dargestellten Zusammenhanges der §§ 10 Abs. 1 Z 2, 3 und Z 4 StbG wollte der Gesetzgeber mit der zuletzt genannten Bestimmung alle jene Strafverfahren erfassen, in denen letztlich eine Verurteilung wegen einer (oder mehrerer) Vorsatztaten bzw. wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten erfolgen kann. Damit erweist sich aber die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, Z 4 leg. cit. erfasse nur solche Straftaten, die ausschließlich mit Freiheitsstrafe bedroht sind, als unrichtig, kann doch auch im Falle der alternativen gesetzlichen Androhung einer Freiheits- oder Geldstrafe das Strafgericht am Ende des Verfahrens auf eine Freiheitsstrafe (in der Dauer von über drei Monaten) erkennen. Somit ist im Ergebnis festzuhalten, dass nach dem Wortlaut und der Zielsetzung des Gesetzes jedes anhängige Strafverfahren vor einem inländischen Gericht, das wegen des Verdachtes einer zumindest auch mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat geführt wird, gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 StbG für die Dauer des Strafverfahrens ein (zwingendes) Einbürgerungshindernis darstellt.

Richtig ist allerdings, dass nach den bereits zitierten Materialien die Staatsbürgerschaftsbehörde von diesem Einbürgerungshindernis nur dann Gebrauch machen solle, wenn der Abschluss des Strafverfahrens noch nicht absehbar sei. Anderenfalls solle sie mit der Entscheidung bis dahin "zuwarten". Ob dieses Anliegen im Gesetzeswortlaut Deckung findet, braucht im gegenständlichen Fall nicht näher überprüft werden. Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid aus, dass gegen den Erstbeschwerdeführer am 27. Juli 2004 ein Strafantrag beim Bezirksgericht R gestellt worden war. Dass über diesen in absehbarer Zeit die Hauptverhandlung geführt werden würde, lässt sich weder dem Bescheid noch dem Verwaltungsakt entnehmen und wird Derartiges von der Beschwerde auch nicht dargelegt. Erst mit Bekanntgabe vom Oktober 2005 (somit mehr als ein Jahr nach Erlassung des angefochtenen Bescheides) teilte der Erstbeschwerdeführer mit, dass er in dem beim Bezirksgericht S (vormals R) zu AZ 7 U 10/05m geführten Strafverfahren mit rechtskräftigem Urteil nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Ausgehend davon kann der belangten Behörde aber nicht entgegen getreten werden, wenn sie - in ihrer Gegenschrift - anmerkte, es sei ihr im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht möglich gewesen, den Abschluss des Strafverfahrens zeitlich abzusehen.

Da der Erstbeschwerdeführer im (auch für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblichen) Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 4 StbG nicht erfüllte, wurde sein Verleihungsantrag von der belangten Behörde daher zu Recht abgewiesen. Damit konnte gemäß § 18 StbG auch den Erstreckungsanträgen der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer kein Erfolg beschieden sein.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. August 2006

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