VwGH 2003/21/0093

VwGH2003/21/009325.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der V, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 28. April 2003, Zl. Fr-422-1/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie § 39 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde darauf, dass die Beschwerdeführerin erstmals im Jahr 1995 mit einem Touristensichtvermerk nach Österreich gereist sei und sich hier seit dem Jahr 1997 "mit Unterbrechungen durchgehend" aufhalte. Sie habe am 23. April 1997 einen österreichischen Staatsangehörigen geheiratet; diese Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 28. Juni 2001 für nichtig erklärt worden. Aus dem Gerichtsurteil gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin die Ehe nur aus dem Grund geschlossen habe, eine unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit in Österreich sowie den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erreichen. Ihr Ehemann hätte die Ehe aus Mitleid geschlossen, weil er von der Beschwerdeführerin und deren Schwester darum gebeten worden wäre.

Die Beschwerdeführerin sei am 30. April 1997 nach Rumänien gereist, dort ca. ein halbes Jahr aufhältig gewesen und schließlich im November 1997 in schwangerem Zustand nach Klagenfurt zurückgekehrt. Ihr Sohn sei am 26. März 1998 geboren worden; der Vater dieses Kindes sei ein rumänischer Staatsangehöriger, mit ihrem Ehemann habe die Beschwerdeführerin nie geschlechtlich verkehrt.

Am 10. August 2001 sei die Beschwerdeführerin wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass sie ihren "Ehemann" im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ihrer Schwester durch Kratzen und Versetzen von Schlägen am 24. Mai 1999 sowie am 2. September 1999 vorsätzlich am Körper verletzt habe. Weiters habe sie ihn am 2. September 1999 dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie gegenüber Beamten der Bundespolizeidirektion Klagenfurt behauptet habe, ihr "Ehemann" hätte ihren Sohn mit beiden Händen am Kopf erfasst, ihn etwa fünf Minuten unter ständigem Schreien heftig geschüttelt und Schläge (Ohrfeigen) ins Gesicht versetzt. Sie habe gewusst, dass die Verdächtigung falsch sei.

Es bestehe - so die belangte Behörde weiter - kein Zweifel, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorlägen. Es sei die Annahme gerechtfertigt, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, stelle eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften dar und rechtfertige grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung gefährden.

Die Verurteilung zu einer derart hohen bedingten Strafe stelle für sich allein zweifellos einen jener Fälle dar, bei denen die Ausübung des in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zum Nachteil des Fremden auf der Hand liege, wobei erschwerend die rechtsmissbräuchlich eingegangene Ehe hinzukomme.

Die von der Beschwerdeführerin getätigten Hinweise auf ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich sehe die belangte Behörde als gegeben an. Die Beschwerdeführerin sei berufstätig, verfüge über eine aufrechte Krankenversicherung und lebe im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Schwester, die österreichische Staatsbürgerin sei. Ihr Sohn besuche in Österreich den Kindergarten.

Somit werde mit dem Aufenthaltsverbot zweifellos in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen. Das Gewicht des inländischen Aufenthalts und der Berufstätigkeit werde jedoch dadurch gemindert, dass die Berechtigungen dazu zum Großteil auf die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zurückzuführen seien. Unter Bedachtnahme auf diese Interessenlage sei das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und es würden die privaten Interessen die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht überwiegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Die Beschwerdeführerin tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen und bestreitet somit weder die Nichtigerklärung ihrer Ehe noch ihre festgestellte strafrechtliche Verurteilung. Mit weitwendigen Ausführungen bekämpft sie jedoch die Richtigkeit dieser Urteile und behauptet, es hätte entgegen dem Ergebnis des Ehenichtigkeitsverfahrens doch ein Familienleben gegeben und es habe sich der zur strafrechtlichen Verurteilung führende Sachverhalt ganz anders abgespielt. Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, dass die belangte Behörde sowohl an die zivilgerichtlichen Feststellungen über das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 99/21/0312) als auch an die strafgerichtlichen Feststellungen über die der rechtskräftigen Verurteilung zu Grunde liegenden Handlungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2003, Zl. 2003/21/0048) gebunden ist. Schon aus diesem Grund gehen die Verfahrensrügen ins Leere, wonach die Beschwerdeführerin, hätte sie Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, ihre "Geschichte früher erzählt" hätte und die belangte Behörde "bei Abführung eines gesetzmäßigen Ermittlungsverfahrens - insbesondere auch ohne antizipierende Beweiswürdigung - zu einem anderen Bescheid hätte kommen können".

Nach den insoweit mängelfrei ermittelten Feststellungen bestehen keine Bedenken, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt ist. Nicht nachvollziehbar ist die Beschwerdemeinung, dass die belangte Behörde in rechtswidriger Weise das Verhalten unter den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG subsumiert habe.

Zutreffend durfte die belangte Behörde aus dem festgestellten Sachverhalt ableiten, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Aus dem festgestellten Fehlverhalten der Beschwerdeführerin ist nämlich durchaus die Gefahr abzuleiten, dass sie weiterhin gegen fremdenrechtliche und strafrechtliche Vorschriften verstoßen könnte.

Es ist aber auch die weitere Ansicht der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass das Aufenthaltsverbot nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und als Ergebnis einer Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Auch wenn die Beschwerdeführerin nämlich durch ihren längeren inländischen Aufenthalt im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Schwester und durch ihre Berufstätigkeit Interessen an einem Verbleib in Österreich aufzuzeigen vermag, so ist doch diese Integration - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - durch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ermöglicht worden. Dazu kommt, dass laut Berufungsvorbringen die außereheliche Abstammung des Sohnes der Beschwerdeführerin mit Urteil vom 28. Juni 2001 festgestellt worden sei und dieser nicht mehr die österreichische Staatsangehörigkeit aufweise. Somit sprechen keine Umstände dagegen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn ein Familienleben in Rumänien führen könnte. Das Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin an einer seltenen Knochenerkrankung leide und es in Rumänien an jeder Behandlungsmöglichkeit mangle, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige und somit unbeachtliche Neuerung dar.

Die Beschwerde spricht zwar das der belangten Behörde eingeräumte Ermessen an, zeigt aber keinen Gesichtspunkt auf, der die belangte Behörde zur Ausübung dieses Ermessens zu Gunsten der Beschwerdeführerin hätte veranlassen müssen.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Ein Fall des § 125 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 25. Oktober 2006

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