VwGH 2003/13/0158

VwGH2003/13/015831.3.2004

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. Richard Köhler und Dr. Anton Draskovits, Rechtsanwälte in 1060 Wien, Amerlingstraße 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 3. März 1999, Zl. RV/49- 16/04/99, betreffend Einkommensteuer 1996, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1346;
BAO §119 Abs1;
EStG 1988 §34 Abs3;
EStG 1988 §34;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2004:2003130158.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war seit 1986 Eigentümerin eines Hauses in W. und erzielte aus der Vermietung von darin gelegenen Wohnungen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin betrieb ein Einzelunternehmen, das im Jahre 1994 einer Umschuldung in Form eines Wechsels der "Hausbank" unterzogen wurde, wobei in einen der mit der neuen "Hausbank" abgeschlossenen Kreditverträge vom 16. August 1994 über den Betrag von 3,100.000 S mit einer Laufzeit bis zum 30. Juni 1995 die Bestimmung aufgenommen wurde, dass sämtliche Erlöse aus dem Verkauf des im Hause der Beschwerdeführerin befindlichen Dachbodens und der vier Wohnungen auf das Kreditkonto einzuzahlen seien. Zur Sicherstellung der Kreditverträge forderte und erhielt die Bank die Einräumung einer Rangordnung der Verpfändung der der Beschwerdeführerin gehörenden Liegenschaft. Die Beschwerdeführerin unterfertigte diese zwischen ihrem Ehemann und der Bank abgeschlossenen Kreditverträge mit der Bemerkung "als Liegenschaftseigentümer zur Kenntnis genommen." Mit Schreiben vom 3. Juli 1995 gab die Bank dem Ehemann der Beschwerdeführerin bekannt, dass sie nunmehr von der Rangordnung der Verpfändung der Liegenschaft Gebrauch gemacht und die ihr seinerzeit ausgestellte Pfandbestellungsurkunde im Range der Anmerkung der Verpfändung vom 6. September 1994 habe intabulieren lassen. Dies veranlasste die Beschwerdeführerin zum Verkauf von drei Wohnungen, wobei die Überweisungen der Erlöse aus diesen Verkäufen im Jahr 1996 durch die Treuhänder unmittelbar an die Bank erfolgten.

Unter Hinweis auf diesen Sachverhalt machte die Beschwerdeführerin mit der Einkommensteuererklärung 1995 außergewöhnliche Belastungen im Ausmaß von 1,300.000 S geltend. Gleichzeitig erklärte sie für 1995 einen Spekulationsgewinn in Höhe von 299.459 S. Die von der Beschwerdeführerin gegen die im Instanzenzug erfolgte Verweigerung der Anerkennung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg. Der Gerichtshof wies in seinem Erkenntnis vom 15. Juli 1998, 98/13/0083, darauf hin, dass die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach § 34 EStG 1988 einen tatsächlich aus dem Einkommen des jeweiligen Jahres geleisteten Aufwand voraussetzt. Da die Überweisungen an die Bank dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zufolge erst im Jahr 1996 erfolgt waren, sei ein berücksichtigbarer Aufwand im Jahr 1995 nicht entstanden.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 1996 erklärte die Beschwerdeführerin neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Arbeitnehmerin ihres Ehemannes und negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Spekulationsgewinn von 2,776.803 S und machte außergewöhnliche Belastungen aus der Bürgschaft für ihren Ehemann in Höhe von 2,300.000 S geltend. Mit einer berichtigten Einkommensteuererklärung für 1996 machte sie kurze Zeit später außergewöhnliche Belastungen aus demselben Titel in Höhe von 3,600.000 S geltend. Im Übrigen verwies die Beschwerdeführerin auf die "Korrespondenz zu den Steuererklärungen 1995".

Gegen den Bescheid über die Einkommensteuer 1996 berief die Beschwerdeführerin. Die Bescheidbegründung, die geltend gemachten Aufwendungen wären mangels tatsächlicher, rechtlicher oder sittlicher Gründe nicht zwangsläufig erwachsen und hätten deshalb bei der Einkommensermittlung nicht berücksichtigt werden können, stehe in Widerspruch zur herrschenden Lehre und ständigen Rechtsprechung. Sämtliche Zahlungen, nämlich die bereits 1995 geltend gemachten 1,300.000 S wie auch die in der (ersten) Steuererklärung 1996 geltend gemachten 2,300.000 S, seien tatsächlich erst 1996 an die Hausbank geflossen. Daraus ergebe sich der nunmehr geltend gemachte Betrag von 3,600.000 S an außergewöhnlicher Belastung.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung des § 34 EStG 1988 und von Auszügen aus dem Kreditvertrag zwischen dem Ehemann der Beschwerdeführerin und der neuen "Hausbank" sowie des Schreibens der Bank vom 3. Juli 1995 an den Ehemann der Beschwerdeführerin zitiert die belangte Behörde ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 25. Jänner 1996 an die Bank, wonach die Beschwerdeführerin die Bank ersuchte, gegen Teilzahlung von zusammen 2,300.000 S die Teilfreilassung von einer angeführten Anzahl von Anteilen an der Liegenschaft der Beschwerdeführerin durchzuführen, welche auf drei verkaufte Wohnungen entfielen. Die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass sie durch die Inanspruchnahme aus Haftungen für das Einzelunternehmen ihres Ehemannes gezwungen gewesen sei, die Wohnungen wegen des massiven Druckes der Bank zur steuerlich ungünstigsten Zeit, nämlich innerhalb der Spekulationsfrist, zu verkaufen. Sie sehe die außergewöhnliche Belastung aus dem daraus erzielten Einkommen "finanziert". Die Einnahmen aus dem Verkauf der Wohnungen im Jahr 1995 stellten nach Ansicht der belangten Behörde jedoch kein laufendes Einkommen dieses Jahres dar, sondern es habe eine Vermögensveräußerung und eine damit verbundene Realisierung des Kaufpreises stattgefunden. Aufwendungen, die nicht die Einkommens-, sondern die Vermögenssphäre der Beschwerdeführerin betreffen, und mögen sie nur zur Abwehr eines drohenden Vermögensverlustes getätigt worden sein, könnten als außergewöhnliche Belastung nicht berücksichtigt werden.

Weiters entstehe die Verschuldung aus einer gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des mit dieser verbundenen Wagnisses. Die Berücksichtigung von Schulden oder Bürgschaften als außergewöhnliche Belastung bedürfe besonderer Umstände. Solche Umstände seien weder in den Berufungen noch im Vorlageantrag (die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1995 betreffend) dargetan worden. Es sei lediglich auf auch unmittelbar vor der Insolvenz des Ehemannes bei der Beschwerdeführerin eingegangene hohe Erlöse und darauf hingewiesen worden, dass der G. Bank die Verbindlichkeiten im Verhältnis zu den Erlösen doch zu hoch gewesen seien und die Bank auf Teilabdeckung bestanden habe. Im Vorlageantrag sei die Beschwerdeführerin zwar auf die Thematik des Unternehmerwagnisses eingegangen, eine Darlegung, ob eine Notlage ihres Ehemannes ohne besondere Notwendigkeit oder leichtfertig herbeigeführt worden sei, sei jedoch nicht erfolgt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  1. 1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
  2. 2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
  3. 3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

    Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

    Zwangsläufig erwächst dem Steuerpflichtigen die Belastung nach § 34 Abs. 3 leg.cit. dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

    Handelt es sich um Belastungen aus Anlass eingegangener Bürgschaften, so muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zwangsläufigkeit schon für das Eingehen der Bürgschaftsverpflichtungen gegeben gewesen sein, wofür es u.a. erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige glaubt, durch die Übernahme der Bürgschaft eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können. Eine existenzbedrohende Notlage liegt dabei aber nicht schon dann vor, wenn nur die Fortführung einer selbständigen Betätigung ohne die Übernahme von Bürgschaften nicht mehr möglich scheint, sondern nur dann, wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen droht, dieser seine berufliche Existenz also nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. März 2003, 98/13/0072). Für eine grundbücherlich sichergestellte Haftung gilt insoweit nichts anderes als für die Übernahme einer Bürgschaft.

    Der Gerichtshof hat im gegebenen Zusammenhang wiederholt ausgesprochen, dass nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen grundsätzlich niemand verpflichtet und damit aus sittlichen Gründen gezwungen ist, einem Angehörigen das von diesem eingegangene Unternehmerwagnis abzunehmen, zu dem auch die Insolvenzgefahr gehört. § 34 EStG 1988 hat nicht die Funktion, wirtschaftliche Misserfolge eines Unternehmers, die verschiedenste Ursachen haben können, durch die Ermäßigung der Einkommensteuer anderer Steuerpflichtiger zu berücksichtigen und in einem solchen Fall die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen (vgl. das erwähnte Erkenntnis vom 26. März 2003).

    Desgleichen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 26. März 2003).

    Vor diesem rechtlichen Hintergrund gelingt es der Beschwerde nicht, die Rechtswidrigkeit des von der belangten Behörde gefundenen Ergebnisses aufzuzeigen:

    Im Umstand allein, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin von der Gefahr der Insolvenz bedroht war, kann noch keine existenzbedrohende Notlage gesehen werden. Die Beschwerde erschöpft sich in der bloßen Behauptung, dass eine existenzbedrohende Notlage des Ehemannes der Beschwerdeführerin vorgelegen sei, ohne darzulegen, worin diese - abgesehen von der drohenden Konkurseröffnung - bestanden hätte. Weshalb die ohne Haftungsübernahme durch die Beschwerdeführerin gegebenenfalls erforderliche Beendigung der Betriebsführung durch ihren Ehemann bei diesem eine existenzbedrohende Notlage hervorgerufen hätte, wäre von der Beschwerdeführerin darzustellen gewesen. Das von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren dazu erstattete Sachvorbringen beschränkte sich auf den in einem einer berichtigten Einkommensteuererklärung für 1996 beigefügten Schriftsatz vom 28. August 1998 enthaltenen Hinweis auf die "Korrespondenz zu den Steuererklärungen 1995". Den vorgelegten Verwaltungsakten ist lediglich zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag betreffend die Einkommensteuer 1995 ausgeführt hatte, die existenzbedrohende Notlage manifestiere sich in einer Überweisungssperre der damaligen Hausbank, die ohne Umschuldung den Konkurs des Ehemannes der Beschwerdeführerin bewirkt hätte. Es kann der belangten Behörde schon deshalb nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt hat.

    Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen, die belangte Behörde habe die geltend gemachten Aufwendungen zu Unrecht nicht der Einkommens-, sondern der Vermögenssphäre zugeordnet.

    Zum Beschwerdevorbringen, die der Bank zugeflossenen Beträge stellten Werbungskosten dar (was im Übrigen ihre Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ausschlösse), erschöpft sich die Beschwerde in der Rüge, die belangte Behörde hätte sich damit auseinandersetzen müssen, weil die Bürgschaftsübernahme beruflich veranlasst gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei auch im Betrieb ihres Ehemannes angestellt gewesen. Dass die Bürgschaftsübernahme aber nicht im Verhältnis zwischen Eheleuten, deren einer als Unternehmer die Unterstützung des anderen erlangt, begründet, sondern beruflich veranlasst gewesen wäre, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und stünde auch im Widerspruch zu ihrem gesamten Vorbringen im Verwaltungsverfahren und zum übrigen Beschwerdevorbringen.

    Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 31. März 2004

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