Normen
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
FischereiG NÖ 2001 §3 Z12;
FischereiG NÖ 2001 §4 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
FischereiG NÖ 2001 §3 Z12;
FischereiG NÖ 2001 §4 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte am 5. Juni 2002 beantragt, ein auf einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft befindliches Fischwasser ("Uteich") als Eigenrevier anzuerkennen. Gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt einer früheren Kundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung (mit der dieses Fischwasser dem Fischereieigenrevier M I/5 zur Mitbewirtschaftung zugewiesen worden war) hätten sich die Eigenschaften des Gewässers durch den Ausbau und die Erhöhung des Bahndammes der Nordbahn und durch die zusätzliche Errichtung eines Hochwasserschutzdammes dahingehend geändert, dass ein oberirdischer Zusammenhang des Teiches mit dem übrigen Fischereirevier nicht mehr gegeben sei. Das Gewässer sammle ausschließlich das Wasser aus den Zuflüssen des Grundwassers, es fehle an einer geeigneten Verbindung zum Wechsel der Fische zu einem natürlichen oder künstlichen Gerinne. Es sei daher als künstliche Wasseransammlung zu beurteilen, wobei das Fischereirecht gemäß § 4 Abs 4 des Niederösterreichischen Fischereigesetzes 2001, LGBl. 6550-0 (FG), dem Eigentümer, also der Beschwerdeführerin, zustehe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 68 Abs 1 AVG iVm § 22 Abs 1 FG als unzulässig zurück.
In der Begründung traf die belangte Behörde - nach auszugsweiser Wiedergabe der Revierbeschreibung laut Fischereikataster - folgende Feststellungen zur Situierung des Gewässers:
"Das Gewässer im Ausmaß von ca. 3,5 ha ist bodenförmig in Nord-Südrichtung ausgerichtet, wobei die maximale Breite ca. 100 m und die Länge ca. 400 m beträgt. An der Westseite ist das Gewässer durch eine bewaldete, ca. 30 Meter hohe Lößwand begrenzt. An der Ostseite ist das Gewässer durch den Bahndamm der zweigleisig geführten Nordbahn und einem zusätzlichen Hochwasserschutzdamm von dem ursprünglichen Altarm und vom Überschwemmungsgebiet der March abgeriegelt.
Am nördlichen Ende ist unterirdisch ein Betonrohr mit einem Durchmesser von 0,5 Metern unter dem Bahndamm verlegt. Das Betonrohr endet vor dem Hochwasserschutzdamm und hat keinerlei Verbindung mit der March oder dem Überschwemmungsgebiet der March. Das Betonrohr hat die Funktion bei einem etwaigen Dammbruch des zwei Kilometer nördlich gelegenen Sulzbachdammes zwischen der Nordbahn und dem Hochwasserschutzdamm der March das Wasser abzuleiten. Dieser Fall tritt bei einem Hundertjahr-Hochwasser ein. Seit dem Bestehen der Anlage ist er noch nicht eingetreten.
Am südlichen Ende ist unterirdisch ein Betonrohr mit einem Durchmesser von 0,9 Metern unter dem Bahndamm und unter dem Hochwasserschutzdamm verlegt. An seinem ostseitigen Ende befindet sich ein Verschluss in Form einer rund 100 kg schweren Rückschlagklappe aus 20 mm dickem Panzerstahl. Das Betonrohr hat die Funktion bei einem etwaigen Dammbruch des 2 1/2 Kilometer nördlich gelegenen Sulzbachdamms zwischen der Bernsteinstraße und dem Hochwasserschutzdamm das Wasser abzuleiten.
Dieser Fall tritt bei einem Hundertjahr-Hochwasser ein. Seit dem Bestehen der Anlage ist er noch nicht eingetreten."
Hinsichtlich der Möglichkeit eines Fischwechsels gab die belangte Behörde das Vorbringen des Vertreters der Beschwerdeführerin wieder, ein solcher sei auszuschließen, weil bei Normalwasser die Fische der March durch einen zwei Meter höher gelegenen Uferweg, anschließend durch ein ca 100 m breites Überschwemmungsgebiet, einen 14 m breiten und 5 m hohen Schutzdamm und einem 20 m breiten und 3 m hohen Bahndamm vom gegenständlichen Gewässer getrennt würden. Weder bei einem 10-jährigen noch bei einem 50-jährigen Hochwasser könne ein Fischwechsel stattfinden, auch gebe es keinerlei Verbindung im Bereich des Zu- und des Ablaufs, weil diese durch eine Rückschlagklappe für jeglichen Austausch gesperrt seien. Die einzige Möglichkeit des Fischwechsels ergebe sich bei einem Dammbruch des Sulzbaches. Da ein solcher aber bisher nicht stattgefunden habe und eine Generalsanierung dieses Dammes kurz bevorstehe, liege die Wahrscheinlichkeit eines Fischwechsels über den Zeitabständen eines 100-jährigen Hochwassers.
Im Weiteren gab die belangte Behörde die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei (Fischereiberechtigte des Fischereireviers M I/5) wieder, wonach "keine Änderungen in den topografischen Gegebenheiten des sogenannten Uteiches" erfolgt seien, und bezog sich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1967, Zl 1114/67. Mit diesem Erkenntnis war die Beschwerde der damaligen Eigentümer des auch nun beschwerdegegenständlichen Teiches gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 1967, mit dem der Antrag auf Aufhebung der Zuweisung dieses Fischwassers zur Mitbewirtschaftung zurückgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses heißt es (auszugsweise):
"Unbestritten ist, dass das ... Gewässer zuletzt mit Kundmachung der belangten Behörde vom 16. April 1924 dem Besitzer des Eigenreviers M I/5 zur Mitbewirtschaftung zugewiesen wurde. Voraussetzung einer solchen Zuweisung war einerseits nach § 9 Abs. 1 des NÖ Fischereigesetzes, dass es sich um ein fließendes Gewässer, einschließlich jener künstlichen Gerinne, Altwässer und Ausstände, welche mit diesem Gewässer auch nur periodisch in einer zum Wechsel der Fische geeigneten Verbindung stehen, handelte, andererseits, dass die Bedingungen für die Anerkennung als Eigenrevier ebensowenig erfüllt waren wie für die Zuordnung zu einem Pachtrevier. ... Es konnte daher dieser Verwaltungsakt im Sinne des von den Beschwerdeführern erhobenen Anspruches einer Abänderung in seinem Spruche nur bei einer Änderung jenes Sachverhaltes zugänglich sein, welcher dieser Entscheidung über die Revierbildung und Mitbewirtschaftung zu Grunde gelegt worden war. ... Der durch die belangte Behörde durchgeführte Sachverständigenbeweis hat ergeben, dass zwischen dem 'Uteich' und den Ausständen der March zufolge der vorhandenen Rohrverbindung ein periodischer Zusammenhang besteht, bei dem ein Wechsel von Fischen gegeben ist und auch bei Verbesserung der bestehenden Vorrichtungen nicht verhindert werden könnte."
Die belangte Behörde folgerte, dass auch im Beschwerdefall der "rechtskräftig verfügte Auftrag zur Mitbewirtschaftung" nur bei wesentlich geändertem Sachverhalt aufgehoben werden könnte. Im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass zwischen dem Uteich und den Ausständen der March zufolge einer vorhandenen Rohrverbindung ein periodischer Zusammenhang bestehe, bei dem ein Wechsel von Fischen gegeben sei und auch bei Verbesserung der bestehenden Vorrichtungen nicht verhindert werden könnte. Eben dieser Sachverhalt sei auch Gegenstand des im Beschwerdeverfahren durchgeführten Lokalaugenscheines gewesen. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes ergeben, von der Beschwerdeführerin seien "keine Aussagen von Sachverständigen beigebracht" worden, welche "die seinerzeitigen Sachverständigenfeststellungen erschüttern könnten". Der Antrag sei deshalb als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:
Die belangte Behörde hat den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen, weil das Ermittlungsverfahren keine wesentlichen Änderungen des Sachverhaltes ergeben habe.
Nach § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die (außer den Fällen der §§ 69 und 71) die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (von hier nicht zu erörternden weiteren Ausnahmen abgesehen) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" iS § 68 Abs 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren vom früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen -
berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückzuweisen (vgl das Erkenntnis vom 19. Oktober 2004, Zl 2001/03/0329; siehe dazu auch die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, zu § 68 AVG, E 73 ff wiedergegebene Rechtsprechung).
Die Rechtskraftwirkung eines Bescheides, die das Prozesshindernis der entschiedenen Sache bewirkt, ist in Bezug auf die Frage des Vorliegens einer Sachverhaltsänderung an dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt (und nicht unbedingt am damaligen Vorbringen) zu messen (vgl etwa Walter/Thienel, aaO, E 77).
Was die Konsequenzen einer Änderung der Rechtslage anlangt, berechtigen bzw verpflichten ebenfalls nur wesentliche Änderungen zu einer neuen Sachentscheidung: Von einer geänderten Rechtslage, die es der Behörde verwehren würde, das neue Ansuchen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich nach Erlassung des Vorbescheides die gesetzlichen Vorschriften, die tragend für diese Entscheidung gewesen waren, so geändert haben, dass sie, hätten sie bereits früher bestanden, eine anders lautende Entscheidung ermöglicht hätten (vgl Walter/Thienel, aaO, E 96).
Vor diesem normativen Hintergrund ist der Beschwerdefall zu untersuchen.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Sachantrag vom 5. Juni 2002 - auf Anerkennung des "Uteiches" als Eigenrevier - darauf gestützt, dass dieses Gewässer als künstliche Wasseransammlung zu beurteilen sei, weil es an einer geeigneten Verbindung zum Wechsel der Fische zu einem natürlichen oder künstlichen Gewässer fehle; das Fischereirecht stehe deshalb gemäß § 4 Abs 4 FG ihr als Eigentümerin der Liegenschaft zu. Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich gegenüber der Kundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. April 1924 geändert (was im Antrag näher konkretisiert wurde). In der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2002 knüpfte der Vertreter der Beschwerdeführerin an die Feststellungen der belangten Behörde zur Situierung des Gewässers an und folgerte, die Möglichkeit eines Fischwechsels sei nunmehr auszuschließen.
Die belangte Behörde entzog sich einer Prüfung dieses (entscheidenden: steht eine künstliche Wasseransammlung zumindest fallweise in einer den Wechsel der Fische gestattenden Verbindung mit einem Gewässer, gehört sie gemäß § 3 Z 12 FG zu diesem Fischwasser; in künstlichen Wasseransammlungen ohne eine derartige Verbindung steht gemäß § 4 Abs 4 letzter Satz FG das Fischereirecht dem Eigentümer der Anlage zu) Vorbringens mit dem Hinweis darauf, das Ermittlungsverfahren habe keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes ergeben; die Beschwerdeführerin habe lediglich "im Wesentlichen ähnliche Argumente ins Treffen geführt", die bereits im zitierten Vorverfahren vorgebracht worden seien.
Diese Beurteilung ist an Hand der Aktenlage nicht nachvollziehbar: Ausgehend von dem von der belangten Behörde wiedergegebenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1967 war im Vorverfahren, das zu dem Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Mai 1967 geführt hatte, angenommen worden, dass "zwischen dem 'Uteich' und den Ausständen der March zufolge der vorhandenen Rohrverbindung ein periodischer Zusammenhang besteht, bei dem ein Wechsel von Fischen gegeben ist und auch bei Verbesserung der bestehenden Vorrichtungen nicht verhindert werden könnte"; der entscheidende Sachverhalt sei also gegenüber jenem, der im Jahr 1924 zur Zuweisung dieses Teiches zur Mitbewirtschaftung geführt habe, unverändert geblieben.
Im nunmehrigen Verfahren aber hat die belangte Behörde festgestellt, dass das am südlichen Ende des "Uteiches" unterirdisch verlegte Betonrohr an seinem ostseitigen Ende mit einer Rückschlagklappe verschlossen ist. Dieses Rohr habe die Funktion, bei einem etwaigen Dammbruch des 2,5 Kilometer nördlich gelegenen Sulzbachdammes das Wasser abzuleiten. Dieser Fall trete bei einem Hundertjahr-Hochwasser ein und sei seit dem Bestehen der Anlage noch nicht eingetreten.
Damit bleibt aber offen, auf welche Weise nunmehr ein (zumindest fallweiser, und zwar in Zeitabständen, die unter den zehnjährigen Hochwässern liegen, iS des § 3 Z 12 FG) Wechsel von Fischen stattfinden kann: Am nördlichen Ende des Teiches ist zwar ebenfalls ein unterirdisches Betonrohr verlegt, dieses endet den Feststellungen der belangten Behörde nach aber vor dem Hochwasserschutzdamm und hat keinerlei Verbindung mit der March oder ihrem Überschwemmungsgebiet. Wenn über das am südlichen Ende des Teiches verlegte Rohr nur aus einem Dammbruch resultierendes Hochwasser abgeleitet werden soll, ein derartiger Fall aber (nur) bei einem hundertjährigen Hochwasser eintrete und seit dem Bestehen der Anlage noch nicht eingetreten sei, bleibt - die entscheidende Frage - offen, auf welche Weise denn dann ein Fischwechsel stattfinden soll (was die belangte Behörde offenbar angenommen hat, wenn sie von "keiner wesentlichen Änderung des Sachverhaltes" ausgegangen ist).
Trifft es zu, dass nunmehr ein Fischwechsel im Sinne des § 3 Z 12 letzter Halbsatz FG nicht mehr möglich ist, wäre vor dem dargestellten normativen Hintergrund des § 68 Abs 1 AVG von einer wesentlichen Änderung des Sachverhaltes auszugehen, die es der belangten Behörde verwehren würde, den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Indem die belangte Behörde es unterlassen hat, den entscheidenden Sachverhalt festzustellen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet. Er war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.
Wien, am 12. September 2006
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