Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Gemäß seinen Angaben reiste er am 13. Mai 2002 in das Bundesgebiet ein, wo er in der Folge die Gewährung von Asyl beantragte. Hiezu befragt gab er an, sich von Juni 1993 bis August 2001 mit seiner Familie (Ehegattin und drei minderjährige Kinder) in Deutschland aufgehalten zu haben, von wo aus er nach "Ablehnung" eines Asylantrages in den Kosovo abgeschoben worden sei; dort, in Mitrovice, habe er bis Anfang Mai 2002 gewohnt, nunmehr suche er aus wirtschaftlichen Gründen um Asyl an.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 18. September 2002 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass die "Zurückweisung, Zurückschiebung" des Beschwerdeführers in die autonome Provinz Kosovo der Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.). In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er vor Kriegsbeginn im Norden der Stadt Mitrovice gewohnt habe. Sein Eigentum sei zerstört worden, für nicht serbische Einwohner sei es gefährlich, in den Norden der Stadt Mitrovice zu gehen und dort zu wohnen. Im Fall einer Rückkehr wüsste er nicht, wo er mit seiner Familie leben könnte, da das Haus zerstört worden sei und er und seine Familie in Lebensgefahr geraten würden, sollten sie in den serbischen Teil der Stadt Mitrovice zurückkehren.
Die belangte Behörde führte am 22. Oktober 2002 eine mündliche Berufungsverhandlung durch. In deren Zuge präzisierte der Beschwerdeführer, dass er bereits ein erstes Mal im Oktober 2000 von der deutschen Polizei - gemeinsam mit seinem damals zehnjährigen Sohn - in den Kosovo abgeschoben worden sei. Nach acht Monaten habe er versucht, wieder in Deutschland einzureisen und sei dann zum zweiten Mal - diesmal ohne seinen Sohn - in den Kosovo abgeschoben worden. Der Beschwerdeführer gab weiter - im Folgenden wörtlich - an:
"Im Kosovo konnte ich nicht nach Hause gehen, weil mein Haus sich im nördlichen Teil von Mitrovica befindet. ... Ich habe damals meiner Frau und meinen Töchtern gesagt, es gibt keinen Weg zurück, versucht in Deutschland zu bleiben, sonst werdet ihr obdachlos sein. Dann haben wir unser Glück in Österreich versucht. Meine Frau reiste mit den Kindern von Deutschland nach Österreich, ich kam aus dem Kosovo.
Über Befragen: Ich gehöre der albanischen Volksgruppe an und bin moslemischen Glaubens. Ich habe Verwandte im Kosovo, und zwar meine Eltern, einen Bruder, die in einem Haushalt leben im südlichen Teil von Mitrovica, bei den Albanern. Vor dem Krieg lebten wir alle im Norden Mitrovicas. Weiters habe ich 4 Schwestern, die verheiratet sind, drei leben im Kosovo (...), eine in Deutschland. In der Zeit meines Aufenthaltes im Kosovo, nach meiner ersten Abschiebung, hatte ich keinen festen Wohnsitz, ich war bei verschiedenen Verwandten, es gibt noch Onkeln mütterlicherseits."
Über Frage, was er für den Fall der Rückkehr in den Kosovo befürchten würde, führte der Beschwerdeführer aus, er würde mit der ganzen Familie auf der Straße stehen. Auf weitere Frage, was aus seinem Haus im Norden Mitrovicas geworden sei, antwortete er, er habe bei seiner Rückkehr in den Kosovo mit Hilfe der KFOR-Truppen zu dem Haus gelangen wollen, "wir wurden aber beschossen und sind daher zurück".
Mit Bescheid vom 5. November 2002 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie traf Feststellungen zur allgemeinen Lage im Kosovo, ua. zur Situation in Kosovska-Mitrovica. Diese lauten (auszugsweise) dahin, dass die Stadt faktisch geteilt sei, dass die albanische Bevölkerung im Nordteil der Stadt "im Rahmen der Unruhen" zuerst belagert worden sei und dass über 2000 albanische Bewohner unter KFOR-Schutz hätten evakuiert werden müssen. Bei Zusammenstößen im Februar 2000 seien neun Menschen getötet und mehr als 20 verletzt worden, am 7. März 2000 hätten neue Anschläge zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit 40 Verletzten, darunter 16 KFOR-Soldaten, geführt. Auch 2001 sei es immer wieder zu Spannungen und Demonstrationen gekommen, eine Lösung dieses lokalen Kosovo-Konfliktes sei nicht in Sicht, auch in jüngster Vergangenheit seien keine nennenswerte Fortschritte erzielt worden. Im April 2002 sei es im Gefolge einer Verhaftung zu massiven Straßenschlachten gekommen, bei denen 22 internationale Polizisten und fünf Serben durch Steine, Kugeln und Granaten verletzt worden seien, einer lebensgefährlich. Seither gruppiere sich die dortige serbische Bevölkerung zu Demonstrationen, UNMIK ziehe das im Norden postierte zivile Personal zurück und die Polizei patrouilliere nicht mehr auf den Straßen des Nordteils. Zusätzliche KFOR-Truppen seien mit Panzern eingerückt, erst am 1. Mai habe die Polizei begonnen, wieder auf Streife zu gehen, das UNMIK-Personal sei am 23. Mai in den Nordteil der Stadt zurückgekehrt.
Die belangte Behörde führte weiter aus, dass nach Ansicht des UNHCR Kosovo-Albaner aus Orten im Kosovo, in denen die Angehörigen ihrer Volksgruppe die Mehrheit bildeten, im Allgemeinen ohne individuelle Schutzprobleme zurückkehren könnten. Insgesamt ergebe sich, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation angesichts hoher Arbeitslosigkeit sehr schlecht sei. In Anbetracht der Hilfe internationaler Organisationen sei jedoch nicht zweifelhaft, dass zumindest die lebensnotwendigste Grundversorgung, Unterkunft, Verpflegung und medizinische Mindestversorgung gewährleistet seien. Hinsichtlich des Beschwerdeführers, der verschiedene Verwandte im Kosovo habe, seien keine Gründe hervorgekommen, dass ihm und seiner Familie die erwähnten Hilfen durch internationale Organisationen vorenthalten würden; er sei weiters grundsätzlich im Stande, Gelegenheitsarbeiten auszuführen, sodass davon auszugehen sei, dass zumindest die Existenzgrundlage gesichert sei. Er gehöre keiner von UNHCR angeführten besonders schutzbedürftigen Personengruppe an und habe auch - bezogen auf den Kosovo außerhalb des Nordens der Stadt Mitrovica - keine persönliche Bedrohung vorgebracht.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, dass ihm im Kosovo (außerhalb des von Serben bewohnten Nordens der Stadt Mitrovica) asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 7 AsylG drohe. Soweit er wirtschaftliche Gründe für das Verlassen des Kosovo ins Treffen geführt habe, sei darauf hinzuweisen, dass alleine in allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen keine staatliche Verfolgung gesehen werden könne und der Beschwerdeführer eine ihm aus Gründen der FlKonv im gesamten Gebiet des Kosovo drohende Verfolgung nicht behauptet habe; eine solche sei auch nicht ersichtlich. Es komme daher weder die Gewährung von Asyl noch die Einräumung von Refoulement-Schutz - angesichts familiärer Bindungen im Kosovo im Zusammenhang mit den dargestellten internationalen Hilfsprogrammen sei davon auszugehen, dass jedenfalls die existentiellen Grundbedürfnisse gesichert seien - in Betracht.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung "gemäß §§ 7, 8 AsylG" abgewiesen. Sie hat damit den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. September 2002 vollinhaltlich bestätigt, obwohl dieser insoweit an einem Mangel leidet, als er in seinem Spruchpunkt II. lediglich über die Zulässigkeit der Zurückweisung und Zurückschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat, nicht aber auch über die Zulässigkeit der Abschiebung abspricht.
Davon abgesehen ist der belangten Behörde folgende, ihre Entscheidung zur Gänze betreffende Rechtswidrigkeit unterlaufen:
Sie hat ihren Bescheid ua. darauf gegründet, dass der Beschwerdeführer keiner von UNHCR angeführten besonders schutzbedürftigen Personengruppe angehöre. Sie hat sich dabei auf die in den Verwaltungsakten erliegende und in der Verhandlung vom 22. Oktober 2002 erörterte "UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" vom April 2002 bezogen, der zufolge es "einige Kategorien" von Kosovo-Albanern gebe, die mit ernsten Problemen, einschließlich physischer Gefahr, konfrontiert werden könnten, wenn sie nach Hause zurückkehren würden. Als erste "Kategorie" sind Kosovo-Albaner aus Gebieten, in denen sie eine ethnische Minderheit bilden, genannt. In diesem Sinn wird auch - an anderer Stelle des bekämpften Bescheides - umgekehrt formuliert, dass Kosovo-Albaner aus Orten, in denen die Angehörigen ihrer Volksgruppe die Mehrheit bilden, im Allgemeinen ohne individuelle Schutzprobleme zurückkehren könnten. Die belangte Behörde hat indes nicht beachtet, dass der Beschwerdeführer gemäß seinem unbestrittenen Vorbringen aus dem Norden der Stadt Mitrovice (Kosovsaka-Mitrovica) stammt, der serbisch dominiert ist und für den die belangte Behörde (siehe oben) ua. festgestellt hat, dass die albanische Bevölkerung "belagert" worden sei und dass über 2000 albanische Bewohner unter KFOR-Schutz hätten evakuiert werden müssen. Der Beschwerdeführer selbst hat in der Verhandlung vor der belangten Behörde ein mit diesen Feststellungen kompatibles Vorbringen erstattet, wonach er bei dem Versuch, nach seiner Rückkehr in den Kosovo mit Hilfe der KFOR-Truppen zu seinem Haus im Norden zu gelangen, beschossen worden sei und zurückweichen habe müssen. Er würde daher nicht nur einer im genannten UNHCR-Bericht aufgezählten "Schutzkategorie" unterfallen, sondern es hätte sich bei ihm sogar das für die Bildung dieser "Kategorie" maßgebliche Risiko verwirklicht. Davon ausgehend hätte die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Verlassen des Kosovo nicht - wie jedoch im Ergebnis geschehen - auf die Geltendmachung wirtschaftlicher Gründe reduzieren dürfen. Indem sie dies verkannte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. zu einem ähnlich gelagert Fall das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zlen. 2003/01/0186, 0289, 0290; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. August 2004, Zlen. 2003/01/0210, 0213 bis 0216).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Kostenmehrbegehren (20% USt bezüglich des Schriftsatzaufwandes und Ersatz der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG) war abzuweisen, weil neben dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht und weil der Beschwerdeführer im Hinblick auf die bewilligte Verfahrenshilfe von der Entrichtung der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG befreit war.
Wien, am 24. Mai 2005
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