Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d idF 2001/I/137;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d idF 2001/I/137;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind aus Teheran stammende Geschwister und iranische Staatsbürger; sie sind Angehörige der armenischen Volksgruppe und gregorianischen Glaubens. Sie kamen am 23. November 1999 gemeinsam nach Österreich und stellten noch an diesem Tag Anträge auf Gewährung von Asyl. Zur Begründung brachten sie vor, die Zweitbeschwerdeführerin habe den Heiratsantrag eines "muslimischen Burschen", eines Sepah-Angehörigen, abgelehnt, weil eine armenische Christin keinen Moslem heiraten könne. Deshalb sei sie von dem abgewiesenen Verehrer sowohl telefonisch als auch "auf der Straße" immer wieder belästigt worden. Der Erstbeschwerdeführer habe versucht, seine Schwester vor diesen Nachstellungen zu schützen. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit diesem "Burschen" sei der Erstbeschwerdeführer Anfang November 1999 auf einem Kommissariat in Teheran von den Sicherheitsbehörden siebzehn Stunden festgehalten und nur gegen Zahlung einer Kaution von einer Million Toman mit der Ankündigung, er werde eine Gerichtsladung erhalten, freigelassen worden. Im Hinblick auf diese Vorkommnisse hätten beide Beschwerdeführer den Iran verlassen. Für den Fall der Rückkehr fürchten sie vor allem, von diesem "Burschen" (und dessen Freunden) getötet zu werden.
Das Bundesasylamt wies die Asylanträge der beiden Beschwerdeführer mit Bescheiden vom 17. Juli 2000 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG (in der damals geltenden Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) fest, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran zulässig sei. Es hielt das Vorbringen der Beschwerdeführer aufgrund der bei den (getrennt durchgeführten) Vernehmungen hervorgekommenen Widersprüche - insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns der Belästigungen und betreffend den Namen des "muslimischen Burschen" - für nicht glaubwürdig.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer (in einem Schriftsatz) Berufung, mit der sie sich im Einzelnen gegen die von der Erstbehörde vorgenommene Beweiswürdigung wandten, indem sie den im erstinstanzlichen Bescheid herangezogenen Argumenten konkret entgegentraten und die angenommenen Widersprüche mit erläuternden Erklärungen, wie die unterschiedlichen Angaben der Beschwerdeführer gemeint und zu verstehen gewesen wären, aufzulösen versuchten. Darüber hinaus erstatteten die Beschwerdeführer - unter Bezugnahme auf ihre gregorianische Glaubenszugehörigkeit - ein Vorbringen zu der ihnen im Iran wegen ihres Religionsbekenntnisses (als armenische Christen) drohenden Verfolgungsgefahr, wobei sie diesbezüglich auf in der Berufung wörtlich wiedergegebenes Berichtsmaterial verwiesen. Offenbar zu beiden Themenbereichen beantragten die Beschwerdeführer auch ihre "persönliche Einvernahme".
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen - ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erlassenen - Bescheid vom 25. März 2002 hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer den Iran aus den von ihnen angegebenen Gründen verlassen hätten. Dem Bundesasylamt könne - so die belangte Behörde beweiswürdigend - nicht entgegen getreten werden, wenn es das von den Beschwerdeführern erstattete Vorbringen aufgrund von Widersprüchen zwischen ihren Angaben als nicht den Tatsachen entsprechend erachtet habe. Das begründete die belangte Behörde im Einzelnen wie folgt:
"Denn in der Tat lässt sich das Vorbringen der Zweitberufungswerberin, die Schwierigkeiten hätten 15 Tage vor ihrer Ausreise aus dem Iran Mitte November 1999 begonnen, nicht mit der Aussage ihres Bruders in Einklang bringen, dass die Belästigungen des Burschen sieben oder acht Monate vor ihrer Ausreise aus dem Iran begonnen hätten und dass er - der Bruder - täglich Schläge einstecken habe müssen. Überdies weist das Bundesasylamt zutreffend auf den Umstand hin, dass der Erstberufungswerber den Namen des Burschen im Gegensatz zu seiner Schwester nicht nennen konnte, wobei darauf hinzuweisen ist, dass auch deren Erklärungsversuch, (dass) sie den Namen des Burschen zu Hause nicht genannt habe, sondern dass dort nur vom 'muslimischen Burschen' oder vom 'Hadji-Burschen' gesprochen wurde, nicht geeignet ist, diesen Widerspruch aufzulösen, da sie ja erst anlässlich der Verhaftung ihres Bruders von einem Bekannten ihrer Eltern erfahren haben will, dass der Vater des Burschen ein Hadji sei. Sofern sie sich nach einem diesbezüglichen Vorhalt auf die Aussage zurückzuziehen versuchte, dass der Bursch erst in Telefongesprächen, die sie und ihr Bruder von Österreich aus mit ihren Eltern geführt hätten, als 'Hadji-Bursch' bezeichnet worden sei, während zuvor von ihm bloß als 'muslimischen Burschen' oder als Sohn ihrer Kundin im Friseurgeschäft die Rede gewesen sei, setzt sie sich in Widerspruch zu der - sich aufgrund des Zusammenhanges klarerweise auf die Vorgänge im Iran beziehenden - Aussage ihres Bruders, dass der Bursche Hadji-Bursche genannte worden sei.
Weiters wird darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Erstberufungswerbers, die angekündigte Gerichtsladung nicht abgewartet zu haben, da er gewusst habe, dass die gegen ihn eingebrachte Beschwerde sehr schwerwiegend gewesen sei, nicht nachvollziehbar ist, da er andererseits angegeben hat, dass er nicht wisse, um welche Beschuldigungen es sich gehandelt habe.
Der Vollständigkeit halber sei außerdem festgehalten, dass die Aussagen der Berufungswerber, dass sie sich deswegen am 18.4.1999 von der Prälatur der armenischen Kirche in Teheran eine - auf Englisch abgefasste - Taufbestätigung ausstellen ließen, da sie gegenüber den iranischen Behörden beweisen mussten, dass sie Christen seien, ebenso unglaubwürdig sind wie das Vorbringen der Zweitberufungswerberin, im Monat Tir 1378 (entspricht Juni/Juli 1999) deshalb um ein französisches Visum angesucht zu haben, da sie beabsichtigt hätten, gemeinsam mit Freunden als Touristen nach Frankreich zu fahren."
Rechtlich folgerte die belangte Behörde aufgrund der getroffenen (negativen) Feststellungen könne weder davon ausgegangen werden, dass es den Beschwerdeführern gelungen sei, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen, noch dass aus stichhältigen Gründen anzunehmen sei, sie wären nach einer Rückkehr in den Iran einer Bedrohungssituation im Sinne des § 57 FrG ausgesetzt. Soweit in der Berufung vorgebracht werde, die Beschwerdeführer seien wegen ihrer religiösen Überzeugung "von den Muslimen in ihrer Heimat" verfolgt worden, sei - so die belangte Behörde weiter - darauf hinzuweisen, dass sich in den (in der Berufung wiedergegebenen) Lagebeurteilungen keine Hinweise darauf fänden, im Iran seien Personen "bereits aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur armenisch-gregorianischen Kirche bzw. zur armenischen Volksgruppe" der Gefahr ausgesetzt, "Opfer von Übergriffen von für das gegenständliche Verfahren maßgeblicher Intensität zu werden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde bekämpft (unter anderem) die wiedergegebene Beweiswürdigung und kritisiert in diesem Zusammenhang auch, die belangte Behörde habe "in gänzlicher Missachtung eines geforderten fairen Verfahrens" die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung unterlassen.
Das Absehen von einer Berufungsverhandlung hat die belangte Behörde unter Bezugnahme auf "§ 67d AVG, Art. II Z 43a EGVG" damit begründet, dass ihrer Entscheidung "ausschließlich ein Sachverhalt zugrundegelegt wurde, der entweder im angefochtenen (erstinstanzlichen) Bescheid in schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt worden war oder aber sich aus den Länderberichten ergibt, auf die sich der (gemeint: die) Berufungswerber im Rahmen der Berufung gestützt hat (haben)".
Diese Auffassung widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht der belangten Behörde, die gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG von einer mündlichen Verhandlung (nur) absehen kann, "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint" (vgl. zur Rechtslage vor der Verwaltungsverfahrens-Novelle 2001 das Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308, und zahlreiche daran anschließende Entscheidungen; zur aktuellen, hier bereits maßgeblichen Rechtslage siehe grundlegend die Erkenntnisse vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533, und vom 12. Juni 2003, Zl. 2002/20/0336). Das ist nach der zitierten Judikatur dann der Fall, wenn der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird. Die Voraussetzung eines aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärten Sachverhaltes im Sinne der genannten Bestimmung ist auch dann nicht erfüllt, wenn - wie hier - die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird (vgl. zum Ganzen - zum Teil ähnlich begründete Bescheide der belangten Behörde betreffend - auch die Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/20/0736, und Zl. 2001/20/0738).
Das hat die belangte Behörde verkannt und den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit einem Verfahrensmangel belastet. Daran kann auch die abschließende Bemerkung im angefochtenen Bescheid nichts ändern, es sei "festzuhalten", dass die belangte Behörde "davon ausgeht, dass schon aufgrund der vom Bundesasylamt aufgezeigten widersprüchlichen Angaben der Berufungswerber zum zeitlichen Ablauf der Belästigungen des muslimischen Burschen von der Unglaubwürdigkeit des erstatteten Vorbringens auszugehen ist."
Abgesehen davon, dass sich bei dieser Sichtweise die Frage stellt, welche Bedeutung der übrigen beweiswürdigenden Argumentation im angefochtenen Bescheid zukommen soll und ob die Beschränkung der Beweiswürdigung auf diesen einen Unterschied in den Aussagen der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt die Unglaubwürdigkeit des gesamten Fluchtvorbringens noch in schlüssiger Weise tragen könnte, hätte auch in Bezug auf diesen Begründungsteil eine Verhandlungspflicht bestanden. Die Beschwerdeführer haben nämlich in der Berufung die unterschiedlichen Angaben zum Zeitpunkt des Beginns der Belästigungen dahin zu erklären versucht, dass sieben Monate vor der Einreise nach Österreich die Belästigungen angefangen hätten, aber damals "noch nicht so schlimm" gewesen seien, nur in einem "telefonischen Drängen" bestanden und erst später "die persönlichen, psychischen Belästigungen" begonnen hätten. Die Feststellung, der erste Heiratsantrag sei 15 Tage vor der Ausreise gewesen, sei unrichtig und aktenwidrig; zu diesem Zeitpunkt sei - so die Berufung unter erkennbarer Bezugnahme auf die entsprechende Aussage der Zweitbeschwerdeführerin - der letzte telefonische Heiratsantrag erfolgt. Die belangte Behörde hat sich auch veranlasst gesehen, auf diesen Berufungseinwand - allerdings nur mit einer dem diesbezüglichen Inhalt der Angaben der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt nicht voll Rechnung tragenden verkürzten Darstellung - zu Beginn der Beweiswürdigung einzugehen, was aber nach den erwähnten, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eine - in der Berufung auch ausdrücklich beantragte - ergänzende Befragung der Beschwerdeführer in einer Verhandlung vor der belangten Behörde vorausgesetzt hätte.
Eine solche Vernehmung wäre am Maßstab dieser Rechtsprechung im Übrigen auch zu dem in der Berufung erstmals erstatteten Vorbringen zu einer den Beschwerdeführern ihrer Ansicht nach im Iran drohenden Verfolgungsgefahr als armenische Christen angezeigt gewesen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde nach einer persönlichen Anhörung der Beschwerdeführer im Rahmen einer Berufungsverhandlung zu einem anderen (für die Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 53 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung eines Streitgenossenzuschlages und Ersatz der Umsatzsteuer findet in den angeführten Vorschriften keine Deckung und war daher abzuweisen.
Wien, am 30. Juni 2005
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)