VwGH 2002/20/0242

VwGH2002/20/024221.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des A A in Graz, geboren 1963, vertreten durch Dr. Werner Stegmüller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Reitschulgasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Februar 2002, Zl. 208.956/0-IV/29/99, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 22. Juni 1996 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. Juni 1996 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16. Juli 1996 führte er im Wesentlichen aus, er sei Kurde und habe sich geweigert, als "Dorfschützer" tätig zu werden. Deswegen sei er im Jänner oder Februar 1995 nach G. Antep gezogen, da er in seinem Heimatdorf nicht mehr sicher gewesen sei. Seine Mutter, die im Heimatdorf geblieben sei, habe unter Zwang seine Adresse in G. Antep bekannt gegeben, worauf er von "zivilen Leuten" abgeholt und gefragt worden sei, weshalb er das Dorf verlassen habe und nicht als "Dorfschützer" habe arbeiten wollen. Er sei daraufhin "sehr viel" geschlagen und bedroht worden. Wenn er das Angebot (als "Dorfschützer" tätig zu sein) nicht annehme, werde er beim zweiten Mal "mit einer Folter" getötet werden. Er werde in die Berge gebracht und es werde so dargestellt werden, dass er ein Terrorist gewesen sei. Seine Frau habe ihm mittlerweile telefonisch mitgeteilt, dass er gesucht werde.

Mit Bescheid vom 19. Juli 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ab. Der dagegen gerichteten Berufung gab der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 12. August 1996 keine Folge. Gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997 (AsylG) trat das Asylverfahren des Beschwerdeführers mit 1. Jänner 1998 in das Stadium vor Erlassung des Berufungsbescheides zurück (vgl. den hg. Beschluss vom 18. Februar 1999, Zl. 97/20/0026).

In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 8. Februar 2002 führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, im Jahre 1995 hätten die Sicherheitskräfte gewollt, dass er ein "Dorfschützer" werde. Er habe dies jedoch gleich abgelehnt und habe Schwierigkeiten bekommen. Er sei im Februar oder März 1995 von den Sicherheitskräften auf die Wachstation gebracht worden. Dort sei er unter Druck gesetzt und auch gefoltert worden, damit er das Amt eines "Dorfschützers" annehme. Ihm sei gedroht worden, dass er, wenn er das Amt eines "Dorfschützers" nicht annehme, in seinem Dorf gar nicht mehr zu leben brauche. Das Gebiet, wo er gelebt habe, habe eine zentrale Bedeutung für die Sicherheitskräfte. Es liege nämlich in unmittelbarer Nähe, wo Öcalan seinen Geburtsort habe. Die "Dorfschützer" aus seinem Ort könnten auch in andere Orte gehen und die Leute dort unter Druck setzen. Er sei von den Sicherheitskräften bedroht worden, dass er, wenn er nicht ein "Dorfschützer" werde, entweder umgebracht werde oder seinen Heimatort verlassen müsse. Er sei insgesamt viermal auf den Gendarmerieposten gebracht worden. Beim vierten Mal sei ihm angedroht worden, dass er als Terrorist bezeichnet und liquidiert werde. Er sei unterschiedlich lange festgehalten worden, manchmal vier Stunden, manchmal einen halben Tag, manchmal einen ganzen Tag. Ihm sei geschildert worden, wie er gegen die kurdische Bevölkerung vorgehen solle, und da dies sehr grausam sei, habe er es abgelehnt. Ihm sei auch erklärt worden, dass z. B. bei einer Militäroperation in einer Berghöhle zuerst die "Dorfschützer" hineingeschickt würden und erst dann die Soldaten. Beim vierten Mal sei er nicht mehr gefoltert worden, er sei aufgefordert worden, das Amt eines "Dorfschützers" zu übernehmen, sonst werde er umgebracht. Daraufhin habe er sich entschlossen, in die Stadt Gazianter zu flüchten. Nach einem Monat sei er von den Sicherheitskräften gefunden worden, da seine Mutter geschlagen worden sei und daraufhin seine Adresse bekannt gegeben habe. Er sei auf einen Polizeistützpunkt gebracht worden, wo er verhört worden sei. Während des Verhörs sei er schwer gefoltert worden. Er sei mit Stromschlägen gequält, mit Sandsäcken auf die Nieren geschlagen, mit Hochdruckwasser bespritzt oder mit einem Gummiknüppel geschlagen worden. Ihm sei eine Woche Zeit gegeben worden, mit den Sicherheitskräften zu kooperieren, da er sonst umgebracht werde. Da er gesehen habe, dass er auch keine Möglichkeit habe, in der Stadt Gazianter zu leben, sei er nach Istanbul geflüchtet. In Istanbul habe ein Freund seines Vaters gelebt, zu dem er gegangen sei. Dort habe er sich ca. eine Woche bis zehn Tage aufgehalten und mit Hilfe dieses Freundes, der den Schlepper organisiert habe, seine Heimat verlassen. In Österreich habe er sich seit seiner Einreise Mitte 1996 insofern exilpolitisch betätigt, als er an allen Demonstrationen der Kurden in Wien und Graz teilgenommen habe. Er habe Plakate und Fahnen in der Hand gehabt und Parolen gerufen. In der Türkei sei er nicht Mitglied einer Partei gewesen, habe jedoch Zeitschriften und Flugblätter verteilt. Seine Familie sei wegen dieser Tätigkeit unter Druck gesetzt worden. Gegen Ende der Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, dass es bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme zu gravierenden Übersetzungsfehlern gekommen sei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen hätten nicht als Sachverhalt festgestellt werden können, da das Vorbringen des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens auf Grund der Widersprüche und Ungereimtheiten und sein Verhalten bei der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Glaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers hervorgerufen hätten. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er in seinem Heimatdorf unter Druck gesetzt worden sei, "Dorfschützer" zu werden, und dass er, da er dies verweigert habe, im Jänner/Februar 1995 nach G. Antep gezogen sei. Ein Jahr später sei er verhaftet, ca. fünf Stunden festgehalten und aufgefordert worden, "Dorfschützer" zu werden. Daraufhin habe er sein Heimatland verlassen. Hingegen habe der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung angegeben, dass er im Jahre 1995 in seinem Heimatdorf viermal verhaftet und auf den Gendarmerieposten gebracht worden sei, wo er unterschiedlich lang festgehalten worden sei (vier Stunden, einen halben Tag, einen ganzen Tag). Daraufhin sei er nach Gazianter geflüchtet, wo er ca. im Mai 1995 neuerlich von den Sicherheitskräften verhaftet worden sei. Er sei dann nach Istanbul geflüchtet, von wo er sein Heimatland verlassen hätte. Auf Vorhalt, dass er im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt angegeben habe, dass er Istanbul am 19. Juni 1996 verlassen habe, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er das Jahr 1995 mit dem Jahr 1996 verwechselt habe und sich sämtliche Verhaftungen im Jahre 1996 zugetragen hätten. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe der Beschwerdeführer angegeben, dass in seinem Dorf großer Druck auf ihn ausgeübt worden sei, man habe immer von ihm verlangt, als "Dorfschützer" tätig zu werden, hingegen habe der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung angegeben, dass er sich freiwillig habe entscheiden können, ob er das Amt annehmen wolle oder nicht; er sei also nicht gezwungen worden, sich für die Stadt oder die PKK zu entscheiden.

Am Ende der mündlichen Berufungsverhandlung habe der Beschwerdeführer zwei gänzlich neue Vorbringen erstattet, nämlich dass er sich hier in Österreich exilpolitisch betätigt habe, indem er, seit er sich in Österreich aufhalte, an allen Demonstrationen der Kurden teilgenommen habe. Außerdem habe er bereits in der Türkei für die PKK Zeitschriften und Flugblätter verteilt. Auf Vorhalt, dass er in der mündlichen Berufungsverhandlung auf die Frage, ob er Verbindungen zur PKK gehabt habe, ausdrücklich angegeben habe: "Nein, ich habe lediglich welche mit Essen versorgt", habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er gedacht habe, dass mit Verbindung die Mitgliedschaft zur PKK gemeint sei. Auf die Frage, warum er bisher im gesamten Asylverfahren mit keinem Wort erwähnt habe, dass er für die PKK tätig gewesen sei, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er dies sehr wohl vor dem Bundesasylamt erwähnt habe. Auf zweimaligen Vorhalt des erstinstanzlichen Protokolles habe der Beschwerdeführer jedes Mal lediglich angegeben, dass er dies vor dem Bundesasylamt erwähnt habe. Zusätzlich sei es - auch für den (in der mündlichen Verhandlung auch als) Sachverständigen (einvernommenen Dolmetsch) -

nicht glaubwürdig, dass in der Türkei nach dem Beschwerdeführer wegen seiner Tätigkeit für die PKK gesucht worden sei, da er fünfmal aus der Haft, ohne wegen seiner Unterstützungstätigkeit für die PKK angeklagt zu werden, entlassen worden sei.

Der Beschwerdeführer habe nicht nur im gesamten Asylverfahren mit keinem Wort erwähnt, dass er in Österreich exilpolitisch tätig sei, sondern es entspreche auch sein Vorbringen in der mündlichen Berufungsverhandlung, dass er der Fremdenbehörde in Graz bei seiner Vernehmung mitgeteilt habe, exilpolitisch tätig gewesen zu sein, nicht der Wahrheit; diesbezüglich verwies die belangte Behörde auf eine niederschriftliche Einvernahme vor der Bundespolizeidirektion Graz, Fremdenpolizeiliches Referat, vom 4. September 1996. Diese beiden am Ende der mündlichen Berufungsverhandlung erstmalig getätigten Angaben (Unterstützungstätigkeit für die PKK in der Türkei und exilpolitische Tätigkeit in Österreich) seien sohin als gesteigertes Vorbringen des Beschwerdeführers zu werten, um doch noch einen positiven Verfahrensausgang zu bewirken. Auf Grund der "allgemeinen Lebenserfahrung" sei es nicht plausibel, dass derart einschneidende Erlebnisse so widersprüchlich vorgebracht würden. Selbst Erinnerungslücken würden derart eklatante Widersprüche nicht erklären.

Schließlich führte die belangte Behörde aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspreche, sodass nicht glaubhaft sei, dass der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Im gesamten Verfahren hätten sich im Übrigen keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, sich außerhalb seines Heimatdorfes eine neue Existenz zu schaffen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, seine Aussagen vor der Behörde erster Instanz seien wiederholt unrichtig protokolliert worden, was darauf zurückzuführen sei, dass die beigezogene Dolmetscherin seine Aussagen falsch übersetzt habe. Er habe zwar die Möglichkeit bekommen, vom Inhalt des Protokolls Kenntnis zu nehmen, doch habe dieselbe Dolmetscherin dem Beschwerdeführer das Protokoll lediglich oberflächlich vorgelesen. Der genaue Inhalt des Protokolls sei ihm jedoch nicht zur Kenntnis gebracht worden. Daraus würden jene Ungereimtheiten resultieren, die letztlich negativ gewürdigt worden seien. Ihm sei somit die Möglichkeit vorenthalten worden, die falsch protokollierten Aussagen zu rügen und richtig zu stellen.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer erst gegen Ende der Berufungsverhandlung vorbrachte, dass es bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme zu gravierenden Übersetzungsfehlern gekommen sei, während er zunächst versuchte, Erklärungen für die Widersprüche zu finden. Auch in der Berufung hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, dass es Schwierigkeiten mit der Dolmetscherin gegeben habe. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie von der Unbedenklichkeit der Niederschrift der Behörde erster Instanz ausgegangen ist. Die Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner auf Geschehnisse in der Türkei beruhenden Fluchtgründe widerspruchsvoll und damit unglaubwürdig sei, ist somit nachvollziehbar und schlüssig. In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang im Wesentlichen wieder nur auf Übersetzungsfehler verwiesen, wodurch aber die Schlüssigkeit der Begründung der belangten Behörde nicht erschüttert werden kann.

Der angefochtene Bescheid leidet jedoch an einem relevanten Verfahrensmangel im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer behaupteten Nachfluchtgrund seiner Teilnahme an Kurdendemonstrationen in Österreich. Der Beschwerdeführer relevierte dieses Thema in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde nach dem Vorhalt eines Berichtsteiles über "Rückkehrfragen" (Beilage ./B zur Verhandlungsschrift). Er nahm zu diesem Berichtsteil dahingehend Stellung, dass all das, was ihm vorgelesen worden sei, stimmen möge, einem in die Türkei zurückkehrenden Kurden aber Gefahr drohe, wenn er im Ausland exilpolitisch tätig gewesen sei. Auf die anschließende Frage der Verhandlungsleiterin, ob dies bei ihm zutreffe, antwortete er, er habe "in Österreich an sämtlichen Demonstrationen der Kurden hier teilgenommen". Dass er, wie ihm daraufhin vorgehalten wurde, im "gesamten Verfahren diesbezügliches nicht vorgebracht" habe, erklärte er damit, dass er von seinen Vertretern nie danach gefragt worden sei.

Im Zuge der weiteren Befragung zu diesem Thema wiederholte der Beschwerdeführer, er habe seit dem Beginn seines Aufenthaltes in Österreich an allen Demonstrationen in Wien und Graz teilgenommen. Die Häufigkeit der Demonstrationen sei von den Ereignissen in "Kurdistan" abhängig gewesen. Manchmal habe es zwei, manchmal vier Demonstrationen im Jahr gegeben. Nach der Verhaftung Öcalans hätten jede Woche zwei Demonstrationen sowohl in Graz als auch in Wien stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei bei den Demonstrationen nicht nur mitgegangen, sondern habe auch Plakate und Fahnen getragen und Parolen gerufen. Auf die Frage, warum er das nicht schon in seiner Berufung (vom 26. Juli 1996) "bzw. Beschwerde" (gemeint: die mit Schriftsatz vom 7. Jänner 1997 erhobene Beschwerde gegen den Berufungsbescheid vom 12. August 1996) "bzw. vor der Berufungsverhandlung" (am 8. Februar 2002) "eingebracht" habe, wiederholte er, er sei nicht danach gefragt worden.

Der Beschwerdeführer gab allerdings an, er sei im September oder Oktober 1997 von der Fremdenpolizei verhaftet und zwei Wochen lang festgehalten worden und habe dort "alles gesagt". Man habe ihn verhaftet, obwohl er den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1997, mit dem seiner Beschwerde gegen den Berufungsbescheid vom 12. August 1996 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, vorgewiesen habe. Bei der Festnahme sei ihm von einem Dolmetscher eine Entscheidung über seine Ausweisung vorgelesen und es sei ein Telefonat mit seinem Vertreter Rechtsanwalt Dr. R. geführt worden. In derselben (seine Ausweisung betreffenden) Angelegenheit habe er zu einem früheren Zeitpunkt eine Ladung befolgt, wobei er einige Stunden lang festgehalten und befragt worden sei.

Die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit diesen Angaben ist zunächst schon insofern nicht fehlerfrei, als die belangte Behörde das Vorbringen über Demonstrationsteilnahmen in Österreich und die gleichfalls erst gegen Ende der Berufungsverhandlung vorgetragenen Behauptungen über den Zusammenhang der von Anfang an geltend gemachten Fluchtgründe mit einer bisher nicht angegebenen propagandistischen Tätigkeit für die PKK in der Türkei unter dem Gesichtspunkt der "Steigerung" und der Widersprüchlichkeit einer gemeinsamen Betrachtung unterzogen hat. Das dabei u.a. ins Spiel gebrachte, textbausteinartige Begründungselement, "derart einschneidende Erlebnisse" würden nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht "so widersprüchlich" vorgebracht und "selbst Erinnerungslücken" würden "derart eklatante Widersprüche nicht erklären", lässt sich den Behauptungen über die Demonstrationsteilnahmen in Österreich nicht sinnvoll zuordnen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der "Steigerung" ist es nicht schlüssig, Behauptungen über Vorgänge vor der Ausreise aus der Türkei einerseits und im Zuge des jahrelangen Aufenthaltes in Österreich andererseits einer - vor allem in Bezug auf die Aussagekraft des Unterbleibens von Angaben darüber bei der Ersteinvernahme - nicht differenzierenden Betrachtung zu unterwerfen. In dieser Hinsicht hätte die belangte Behörde vor allem auch darauf Bedacht zu nehmen gehabt, dass die vom Beschwerdeführer besonders erwähnten, zahlreichen Demonstrationen im Zusammenhang mit der Verhaftung Abdullah Öcalans zur Gänze in der Zeit nach diesem Ereignis und somit nach dem 16. Februar 1999 stattgefunden haben mussten. Berücksichtigt man diesen Umstand, so verbleibt vom Vorwurf einer die Glaubwürdigkeit beeinträchtigenden Verspätung des diesbezüglichen Vorbringens nur, dass der Beschwerdeführer es nicht "vor der Berufungsverhandlung" - gemeint offenbar: mit einer schriftlichen Berufungsergänzung statt in der Verhandlung - "eingebracht" habe. Schließlich hätte die belangte Behörde, was den Verlauf der Verhandlung selbst betrifft, in ihrer Würdigung des Aussageverhaltens des Beschwerdeführers auch auf den Umstand Bezug nehmen müssen, dass das Vorbringen über die Demonstrationsteilnahmen in Österreich nicht zusammenhanglos angesichts des bevorstehenden Schlusses der Verhandlung, sondern in thematischer Verbindung mit dem vorangegangenen Vorhalt eines Berichtsteils über "Rückkehrfragen" erstattet wurde.

Zur Erwähnung des Beschwerdeführers, er habe nach seiner Verhaftung durch die Fremdenpolizei schon dort "alles gesagt", verweist die belangte Behörde auf eine - von ihr am 11. Februar 2002 telefonisch angeforderte - Niederschrift über die fremdenpolizeiliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Anschluss an den rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens mit dem Berufungsbescheid vom 12. August 1996. Die Niederschrift trägt das Datum 4. September 1996 und kann schon deshalb - vor allem in Bezug auf Demonstrationsteilnahmen im Zusammenhang mit der Verhaftung Öcalans im Februar 1999 - unter dem Gesichtspunkt einer "Steigerung" des Vorbringens kaum von größerer Bedeutung sein als die Niederschrift über die Ersteinvernahme im Juli 1996. Dass insbesondere die Demonstrationsteilnahmen im Jahr 1999 bei einer Einvernahme im September 1996 noch nicht erwähnt wurden, lässt sich als Argument gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nämlich ebenso wenig ins Treffen führen wie das Schweigen hierüber bei der Ersteinvernahme im Juli 1996. Die Niederschrift vom 4. September 1996 ist aber auch keine geeignete Grundlage für ein Argument gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt, dass er gegenüber der belangten Behörde fälschlich behauptet habe, seine (demnach: ersten) Demonstrationsteilnahmen in dieser Niederschrift erwähnt zu haben. Die Behauptung des Beschwerdeführers, "alles gesagt" zu haben, bezog sich einerseits zumindest nicht ausdrücklich auf eine Niederschrift über eine förmliche Einvernahme und andererseits, soweit das stellenweise unklare Protokoll über die Berufungsverhandlung eine Zuordnung zulässt, nicht auf seine fremdenpolizeiliche Erstbefragung nach dem vorläufigen Abschluss des Asylverfahrens, sondern auf den Vorfall, bei dem er seinen Angaben zufolge erst im September oder Oktober 1997 zu Hause festgenommen wurde (vgl. in diesem Zusammenhang auch das aktenkundige Datum der Bestellung des von ihm erwähnten Rechtsanwaltes zum Verfahrenshelfer im Dezember 1996 und die Daten der dem Verwaltungsgerichtshof aus den jeweiligen Beschwerdeakten bekannten Berufungsbescheide vom August 1997 betreffend Ausweisung und Antrag gemäß § 54 FrG 1992).

Wollte sich die belangte Behörde daher mit der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt bewusst wahrheitswidriger Behauptungen über Vorgänge im Verfahren nach dem Fremdengesetz auseinandersetzen, so hätte dies eine gezieltere, u.a. auf die Frage einer Protokollierung der behaupteten Erwähnungen gegenüber der Fremdenpolizei abstellende und auf den jedenfalls noch späteren Zeitpunkt eines Großteils der behaupteten Demonstrationsteilnahmen Bedacht nehmende Befragung in der Berufungsverhandlung, eine nicht auf ein Aktenstück vom September 1996 beschränkte Auseinandersetzung mit den Akten des fremdenrechtlichen Verfahrens und deren Erörterung in einer weiteren Verhandlung erfordert.

Die somit gegebene Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Bescheidbegründung ist auch relevant, weil durch exilpolitische Tätigkeit ein Nachfluchtgrund vorliegen kann. Gegebenenfalls wären hinsichtlich des Umganges der türkischen Behörden mit derartiger exilpolitischer Tätigkeit Auseinandersetzungen seitens der belangten Behörde notwendig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 1997, Zl. 95/20/0418, und vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0076).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da der Beschwerdeführer im Rahmen der bewilligten

Verfahrenshilfe von der Entrichtung der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG befreit war.

Wien, am 21. November 2002

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