VwGH 2002/15/0155

VwGH2002/15/01553.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des J in Z, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Juni 2002, Zl. RV/356-10/01, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §119 Abs1;
BAO §236 Abs1;
BAO §119 Abs1;
BAO §236 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter der Bezeichnung "Vorsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.

Mit Schriftsatz vom 23. August 1995 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO hinsichtlich eines Betrages von rund 2 Mio S. Dies sei der Betrag an "nicht anerkannter Vorsteuer". Die Beschwerde gegen die die Umsatzsteuervorschreibung betreffende Berufungsentscheidung habe der Verwaltungsgerichtshof nunmehr mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001, 98/15/0184, als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer mache sachliche und persönliche Unbilligkeit der Einhebung geltend. Die persönliche Unbilligkeit liege deshalb vor, weil sich der Beschwerdeführer wegen der Nichtanerkennung des Vorsteuerbetrages in einer äußerst angespannten finanziellen Lage befinde (negatives Kapital laut Schlussbilanz zum 31. Dezember 1999: 649.901 S). Das Betriebsgebäude befinde sich im Eigentum des Herrn F senior und sei von diesem angemietet worden. Privatvermögen des Beschwerdeführers existiere nur in bescheidenem Ausmaß. Der Beschwerdeführer und seiner Familie seien in ihrer Existenz gefährdet. Eine Gewährung der Nachsicht würde eine Sanierung der Lage bewirken. Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer sei mittlerweile eingestellt worden. Die sachliche Unbilligkeit sei gegeben, weil "durch das negativ entschiedene Verfahren ein offenbar vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten" sei, nämlich die Nichtabzugsfähigkeit der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 14. November 2001 ab. Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, weil die Auswirkungen dieser im Geschäftsleben unüblichen Geschäftspraktiken eine Folge des allgemeinen Unternehmerwagnisses seien und steuerlich ein vom Gesetz durchaus beabsichtigtes Ergebnis darstellten. Es liege auch keine persönliche Unbilligkeit vor. Aus dem Nachsichtsansuchen könne eine Existenzgefährdung nicht zwangsläufig abgeleitet werden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wiederholte der Beschwerdeführer lediglich das Vorbringen des Nachsichtsansuchens.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Es sei Sache des Beschwerdeführers, einwandfrei das Vorliegen jener Umstände aufzuzeigen, auf welche die Nachsicht gestützt werden könne. Vorsteuern für das Jahr 1995 seien in Höhe von ca 2 Mio S nicht anerkannt worden, weil die tatsächlich gelieferten Waren (Parfumöle) völlig andere gewesen seien als die vertraglich vereinbarten. Nach Ansicht der belangten Behörde stelle die Versagung des Vorsteuerabzuges hinsichtlich der Parfumöle die Auswirkung einer generellen Norm dar. Solcherart liege keine sachliche Unbilligkeit vor. Es fehle auch die persönliche Unbilligkeit. Der Beschwerdeführer habe lediglich vorgebracht, dass er sich durch die Nichtanerkennung des Vorsteuerbetrages in einer äußerst angespannten finanziellen Situation befinde. Er habe diese Behauptung nicht näher konkretisiert. Er habe eine hinreichende Darstellung seiner maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse unterlasen. Im Übrigen sei zur wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers festzustellen: Der Beschwerdeführer habe von 1995 bis 1999 ein Kaufhaus mit einem Mietwagenunternehmen betrieben. Er habe jährlich Einnahmen von rund 3 Mio S erzielt. Die Gewinne lägen zwischen 32.504 S (im Jahr 1999) und -588.902 S (im Jahr 1996). In der Schlussbilanz 1996 sei ein negatives Kapital von ca 600.000 S ausgewiesen. In die Bilanz sei die Forderung auf Vorsteuererstattung von ca 2 Mio S als Aktivum angesetzt. Diese Forderung könne aber nicht realisiert werden, da der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 2001 eine gegen die Berufungsentscheidung gerichtete Beschwerde abgewiesen habe. In der Zwischenbilanz zum 21. Oktober 2001 werde eine Überschuldung von ca 2,8 Mio S ausgewiesen, die langfristigen Verbindlichkeiten bestünden im Wesentlichen in einer Darlehensschuld gegenüber der Bank K, welche im Zusammenhang mit der Causa "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" (Finanzierung der Parfumölgeschäfte) stehe. Diese wirtschaftliche Lage lasse den berechtigten Schluss zu, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht keinen Sanierungseffekt hätte. Es liege sohin keine Unbilligkeit der Einhebung vor. Selbst wenn Unbilligkeit gegeben wäre, könnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich eine allfällige Nachsicht im Hinblick auf die langfristigen Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers primär zu Lasten der Finanzverwaltung und zu Gunsten der Bank K auswirken würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Existenzgefährdung oder besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und - verglichen mit ähnlichen Fällen - zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Ihm obliegt es im Sinne seiner Mitwirkungspflicht, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann. (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2003, 98/13/0091).

Der Beschwerdeführer bringt zur Frage der sachlichen Unbilligkeit vor, er sei Opfer des Werner Rydl und der von diesem in Gang gesetzten Vorgängen geworden. Den Beschwerdeführer treffe kein persönliches Verschulden, was sich daraus ergebe, dass ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren eingestellt worden sei. Die sachliche Unbilligkeit ergebe sich auch daraus, dass in der Unternehmerkette der Vorsteuerabzug nicht gewährt worden sei. Der Beschwerdeführer habe die ihm verrechnete Umsatzsteuer tatsächlich an seinen Vertragspartner bezahlt. Dazu habe die belangte Behörde aber keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Beschwerde legt nicht dar, inwiefern es im gegenständlichen Fall zu einer - verglichen mit anderen Fällen der Verweigerung des Vorsteuerabzuges wegen Fehlens einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung im Sinne des § 12 UStG - atypischen Belastungswirkung und zu einem vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigten Ergebnis gekommen ist. Entspricht es doch dem Regelungsziel und -zweck des § 12 UStG, dass eine Vorsteuer nur bei Vorliegen einer ordnungsmäßigen Rechnung abgezogen werden kann (vgl nochmals das hg Erkenntnis 98/13/0091). Bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Rechnung steht der Vorsteuerabzug - unabhängig von Gut- oder Schlechtgläubigkeit - nicht zu. Auch wenn der Beschwerdeführer die (auf die Umsatzsteuer entfallenden Teile der) Rechnungsbeträge bezahlt hat, ändert dies nichts an den vom Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug.

Zur Frage der persönlichen Unbilligkeit verweist der Beschwerdeführer auf die (durch die Nichtanerkennung des Vorsteuerabzuges hervorgerufene) Existenzgefährdung und die Sanierung seines Unternehmens im Falle der Nachsichtsgewährung.

In einem Nachsichtsverfahren hat der Antragsteller vor den Verwaltungsbehörden einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann, darzutun, und zwar von sich aus, ohne dass es noch gesonderter Aufforderungen bedarf (vgl nochmals das hg Erkenntnis 98/13/0091).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die persönliche Unbilligkeit lediglich damit begründet, dass er sich durch die Nichtanerkennung des Vorsteuerbetrages in einer äußerst angespannten finanziellen Situation befinde und das buchmäßige Kapital mit ca 650.000 S negativ sei, sodass eine Existenzgefährdung bestehe. Im Falle der Nachsicht trete eine Sanierung ein. Auch nachdem das Finanzamt in seinem abweisenden Bescheid ausgeführt hat, dass der Beschwerdeführer die persönliche Unbilligkeit nicht hinreichend dargetan hat, hat der Beschwerdeführer kein weitergehendes Vorbringen erstattet.

Das bloß allgemein gehaltene Vorbringen im Verwaltungsverfahren, welches insbesondere weder die im Betriebsvermögen befindlichen stillen Reserven bezeichnet noch konkrete Angaben über das Privatvermögen oder Möglichkeiten weiterer Einkunftserzielung umfasst, lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, inwiefern mit der Verweigerung des Vorsteuerabzuges wirtschaftliche Auswirkungen verbunden gewesen sind, die unter den oben angeführten Voraussetzungen für eine persönliche Unbilligkeit einer "Abgabeneinhebung" gesprochen hätten.

Solcherart ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde nicht vom Vorliegen sachlicher oder persönlicher Unbilligkeit ausgegangen ist.

In einer Art zusätzlicher und alternativen Begründung gibt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu erkennen, dass, falls Unbilligkeit vorläge, die Ermessensübung gegen die Nachsichtsgewährung spreche, zumal die Nachsicht in erster Linie der Bank K zu Gute käme. Eine solche Ermessensübung überschreitet die vom Gesetz vorgegeben Schranken nicht (vgl das hg Erkenntnis vom 21. Februar 1996, 96/16/0017, in welchem der Gerichtshof ausführt, die Tatsache, dass von der begehrten Abgabennachsicht lediglich die übrigen Gläubiger des Abgabepflichtigen profitieren könnten, könne unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit und Zweckmäßigkeit einer Abgabennachsicht durchaus entgegenstehen, sowie das hg Erkenntnis vom 11. Dezember 1996, 94/13/0047, 0049, 0050).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 501/2001.

Wien, am 3. Juli 2003

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