VwGH 2002/11/0253

VwGH2002/11/025324.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. Dezember 2002, Zl. Ib-277- 147/2002, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
SMG 1997 §28 Abs2;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
SMG 1997 §28 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 29. August 2002 wurde in Erledigung der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Mandatsbescheid vom 22. Juli 2002 die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 1 und 3 des Führerscheingesetzes - FSG für die Dauer von 16 Monaten, gerechnet ab der Zustellung des Mandatsbescheides am 8. August 2002 entzogen. Nach dem weiteren Spruch des Erstbescheides werde die Zeit einer allfälligen Inhaftierung des Beschwerdeführers nicht in die Entziehungsdauer eingerechnet und einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid insoweit Folge, als sie die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf neun Monate herabsetzte.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. Dezember 2001 (bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 13. Juni 2002) wegen (u.a.) des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter und dritter Fall Suchtmittelgesetz - SMG und § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden. Diesem Strafurteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 9. August 2001 versucht habe, Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 2.000 Gramm Marihuana, von Liechtenstein aus- und nach Vorarlberg einzuführen. Davor sei der Beschwerdeführer bereits mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. September 1999 zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt worden, weil er im Zeitraum "Sommer 1998 bis Herbst 1998" (bzw. - insofern ist die Bescheidbegründung widersprüchlich - im Zeitraum "Sommer 1999 bis Mitte Herbst 1999") dazu beigetragen habe, dass Suchtgift in einer großen Menge, nämlich insgesamt 800 Gramm Marihuana, von der Schweiz ausgeführt und nach Vorarlberg eingeführt werden konnte, indem der Beschwerdeführer mit seinem Kraftfahrzeug einen Mittäter in ca. vier Fällen zum Suchtgifteinkauf in die Schweiz chauffiert und von dort zum Zwecke des Schmuggels des eingekauften Suchtgiftes in die Nähe der österreichischen Grenze gebracht habe. Abgesehen von den diesen beiden gerichtlichen Verurteilungen zu Grunde gelegenen Straftaten sei der Beschwerdeführer im Zeitraum 1999 bis 2002 insgesamt 17 Mal wegen Übertretung von Verkehrsvorschriften bestraft worden.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen Vorschriften des FSG führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, die vom Beschwerdeführer begangene strafbare Handlung nach § 28 Abs. 2 SMG gelte als bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z. 12 FSG. Dieses Verhalten sei entsprechend dem § 7 Abs. 4 FSG zu werten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass - wie aus dem Strafurteil vom 21. September 1999 hervorgehe - der Beschwerdeführer seine Lenkberechtigung schon vor dem 9. August 2001 mehrfach missbräuchlich verwendet habe, um damit Suchtgiftdelikte zu begehen und dass dem Beschwerdeführer deshalb schon im Jahr 1999 die Lenkberechtigung für die Dauer von 12 Monaten entzogen worden sei. Da es sich beim Beschwerdeführer somit um einen Wiederholungstäter handle und die "bisherigen Maßnahmen kaum Wirkung gezeigt" hätten, müsse davon ausgegangen werden, dass es eines längeren Zeitraumes bedürfe, bis die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers wieder hergestellt sei. Dennoch sei die von der Erstbehörde mit 16 Monaten festgesetzte Entziehungsdauer zu lang. Es müsse nämlich, wie auch der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht habe, der seit der Anlasstat am 9. August 2001 verstrichene Zeitraum berücksichtigt werden. Unter diesem Gesichtspunkt könne der Prognose der Erstbehörde, die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers werde "noch weitere 16 Monate andauern", nicht beigepflichtet werden, sondern es sei die Entziehungsdauer vielmehr auf neun Monate herabzusetzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer

Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht

auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

12. eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...,

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen …

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die von ihm begangene und nach § 28 Abs.2 SMG strafbare Handlung vom 9. August 2001 nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 FSG zu qualifizieren ist. (Nichts anderes gilt im Übrigen für die Rechtslage bei Erlassung des Erstbescheides nach § 7 Abs. 4 Z 5 FSG idF der Novelle BGBl. I Nr. 94/1998 iVm. § 46 SMG; vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 4. Oktober 2000, Zl. 2000/11/0129). Er wendet jedoch ein, dass die belangte Behörde bei der Wertung dieser Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG und bei der darauf aufbauenden Prognose nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG, der Beschwerdeführer werde sich beim Lenken von Kraftfahrzeugen (weiterer) schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, zu Unrecht auch das der strafgerichtlichen Verurteilung vom 21. September 1999 zu Grunde liegende deliktische Verhalten berücksichtigt habe.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass bei der Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG nicht nur das Verhalten, das zur Verwirklichung einer Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG geführt hat, zu berücksichtigen ist, sondern das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2002/11/0135). Da dies nach dem letztzitierten Erkenntnis auch für ein schon länger zurückliegendes Verhalten gilt, macht es im Beschwerdefall keinen Unterschied, ob der im angefochtenen Bescheid widersprüchlich angegebene Tatzeitraum betreffend die dem Strafurteil vom 21. September 1999 zu Grunde liegenden Beitragshandlungen des Beschwerdeführers zum Suchtgiftschmuggel im Jahr 1999 oder schon im Jahr 1998 erfolgten.

Zu Recht ist die belangte Behörde bei der Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers vom letzten Tatzeitpunkt (9. August 2001) ausgegangen und hat zutreffend unter Bedachtnahme darauf die von der Erstbehörde festgesetzte Entziehungsdauer als zu lange beurteilt. Gegen die mit dem angefochtenen Bescheid auf neun Monate herabgesetzte Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung - die Entziehung endete somit am 8. Mai 2003, was einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 21 Monaten entspricht - bestehen beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken (vgl. zur Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit bei strafbaren Handlungen nach § 28 Abs. 2 SMG etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0166, vom 23. März 2004, Zl. 2002/11/0121, vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0311, und vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/11/0291). Die belangte Behörde durfte nämlich angesichts des dem Strafurteil vom 21. September 1999 zu Grunde liegenden strafbaren Verhaltens und der unstrittig deshalb bereits im Jahr 1999 ausgesprochenen zwölfmonatigen Entziehung der Lenkberechtigung davon ausgehen, dass diese damalige Entziehung keine nachhaltige Wirkung auf den Beschwerdeführer entfaltete (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das Erkenntnis vom 28. Oktober 2003, Zl. 2001/11/0299). Im Übrigen ist dem im Akt befindlichen Strafurteil vom 4. Dezember 2001 zu entnehmen, dass die Suchtgiftmenge, die der Beschwerdeführer zu schmuggeln versucht hat, einerseits das Zehnfache der Grenzmenge (§ 28 Abs. 6 SMG) betragen hat und somit eine sehr große Suchtgiftmenge darstellt und dass dieses Suchtgift andererseits ausschließlich für Dritte und nicht etwa für den Eigenkonsum des Beschwerdeführers bestimmt war, was die Verwerflichkeit der Tat im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG (die bei Suchtgiftdelikten schon an sich in hohem Ausmaß gegeben ist) und damit die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit erhöht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2001/11/0357).

In seiner Beschwerde wendet der Beschwerdeführer weiters ein, die Entziehung der Lenkberechtigung stelle eine Strafe dar und bewirke somit eine unzulässige Doppelbestrafung des Beschwerdeführers. Zu diesem Vorbringen genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Oktober 2003, B 1031/02, hinzuweisen. In Ansehung des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK und somit der Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts ist der Verwaltungsgerichtshof zufolge Art. 133 Z. 1 B-VG unzuständig (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2003/11/0311, mwN).

Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe es insbesondere bei der Prognose nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG unterlassen, den dem Beschwerdeführer gerichtlich bewilligten Aufschub des Strafvollzuges nach § 39 Abs. 1 SMG ins Kalkül zu ziehen. Auch zu diesem Einwand ist der Beschwerdeführer auf die bestehende Rechtsprechung zu verweisen, nach der aus dem Aufschub des Strafvollzuges gemäß § 39 SMG für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit nichts zu gewinnen ist (vgl. auch dazu das schon zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2003/11/0311, mwN).

Insoweit der Beschwerdeführer schließlich rügt, dass die belangte Behörde den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung durch die Erstbehörde billigte, ist er im Hinblick auf die vollständige Erledigung seiner Berufung durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2004, Zl. 2002/11/0171).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. Februar 2005

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