VwGH 2002/08/0092

VwGH2002/08/009215.10.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Peter P in W, vertreten durch Dr. Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Garnisongasse 22/5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Dezember 2001, Zl. MA 15-II-P 44/2001, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs3 Z1;
EStG §26 Z4;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs3 Z1;
EStG §26 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 27. September 2001 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, als Dienstgeber für den Dienstnehmer A. für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. September 2001 Beiträge und Umlagen in Gesamthöhe von S 42.023,94 (EUR 3.054,--) zu entrichten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass anlässlich einer Beitragsprüfung hinsichtlich des als Bauhelfer beschäftigten Dienstnehmers A. festgestellt worden sei, dass dieser auf dem Betriebsgelände des Dienstgebers in der H.-Gasse eine Dienstwohnung bewohne. Der Dienstgeber habe diesen Sachbezug nicht der Beitragspflicht unterzogen. Diese 60,99 m2 große Wohnung in einem Haus mit Baujahr 1987 sei in der Höhe von S 27 pro m2 zu bewerten gewesen. Die Nachverrechnung sei auf Grund der Verjährungsbestimmungen des ASVG erst ab 1. Juli 1996 erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch mit der Begründung, A. wohne nicht in einer Dienstwohnung auf dem Betriebsgelände seines Unternehmens. Das Betriebsgelände und auch die Dienstwohnung gehörten dem Unternehmen M. Es sei daher kein Sachbezug vom Beschwerdeführer zu berücksichtigen bzw. keine Beitragspflicht gegeben.

Niederschriftlich erklärte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde am 16. November 2001, A. wohne am Betriebsgelände des Unternehmens M. in der H.-Gasse. Der Betrieb des Beschwerdeführers befinde sich in der S.-Straße. Er habe sich nie darum gekümmert, wo A. wohne. Der Beschwerdeführer sei bei dem Unternehmen M. unselbständig beschäftigt und führe andererseits einen Baumeisterbetrieb selbständig. A. sei allerdings nur bei dem Unternehmen des Beschwerdeführers beschäftigt.

Bei einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 30. November 2001, bei der auch der Beschwerdeführer anwesend war, führte ein Vertreter der mitbeteiligten Partei aus, maßgeblich für die Einschätzung, dass A. einen Sachbezug erhalten habe, sei gewesen, dass er eine Wohnung in der H.-Gasse zur Verfügung gestellt erhalten habe und dass der Beschwerdeführer an dem Unternehmen M. als Gesellschafter beteiligt und Geschäftsführer dieses Unternehmens sei. Dem Dienstnehmer sei somit auf Grund des Dienstverhältnisses eine Wohnung zur Verfügung gestellt worden. A. sei seit 24. Juli 1995 bei dem Unternehmen des Beschwerdeführers beschäftigt. Der Prokurist des Unternehmens M., F.P. (der der Vater des Beschwerdeführers ist), führte in der Folge aus, A. sei schon vorher bei dem Unternehmen M. beschäftigt gewesen und erst dann in das Unternehmen seines Sohnes übergewechselt. A. sei an die Geschäftsführung des Unternehmens M. herangetreten, ob er nicht die gegenständliche Wohnung benützen könne. Durch den Zusammenhang mit seinem Sohn habe er A. gestattet, die Wohnräumlichkeiten unentgeltlich zu benützen. Grundsätzlich sei ein Dienstgeber verpflichtet, wenn die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz nicht zumutbar sei, ein Trennungsgeld und ein Übernachtungsgeld zu bezahlen. Dadurch, dass A. das Quartier zur Verfügung gestellt worden sei, habe er keinen Anspruch auf Trennungs- und Übernachtungsgeld gehabt, sodass sich das Unternehmen des Beschwerdeführers dieses Geld erspart habe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, A. sei im strittigen Zeitraum bei dem Unternehmen des Beschwerdeführers beschäftigt gewesen und habe auf dem Betriebsgelände des Unternehmens M. eine Wohnmöglichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt erhalten. Das Unternehmen M. sei eine Kommanditgesellschaft. Kommanditisten seien F.P., E.P., R.P. und der Beschwerdeführer. Persönlich haftende Gesellschafterin sei die P. & Co GmbH. Deren Geschäftsführer seien F.P., R.P. und der Beschwerdeführer, die auch Gesellschafter der P. & Co GmbH seien. Sowohl das Einzelunternehmen des Beschwerdeführers als auch das Unternehmen M. hätten eine gemeinsame Lohnverrechnung in der H.-Gasse. Die Ermittlungen hätten einen Zusammenhang zwischen der unentgeltlichen Zurverfügungstellung der Wohnung durch einen Dritten, nämlich das Unternehmen M., und dem Dienstverhältnis von A. zum Beschwerdeführer ergeben. Aus diesem Grunde sei die Wohnung als Sachbezug anzusehen und die Nachverrechnung von Beiträgen durch die mitbeteiligte Partei zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Zuwendungen durch den Dienstgeber oder durch Dritte sind dann als auf Grund des Dienstverhältnisses erhalten anzusehen, wenn sie nach dem Parteiwillen Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen, die auch die betriebsgezogenen Eigeninteressen des Dienstgebers fördert. Ebenso muss ein Leistungsinteresse des Dienstnehmers an der Leistung bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, Zl. 2002/08/0162). Eine solche Leistung muss daher nach der Verkehrsanschauung geeignet und im konkreten Fall dazu bestimmt sein, die erbrachte Arbeitsleistung abzugelten.

Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist im Falle typischer und (in der Regel) gesetzlich, kollektivvertraglich oder einzelvertraglich häufig vorgesehener und dadurch üblich gewordener Sachleistungen, deren Entgeltcharakter im Allgemeinen nicht in Zweifel zu ziehen ist, grundsätzlich anzunehmen. Eine nicht in Geld bestehende Leistung ist jedoch dann im Einzelfall auf das Vorliegen der genannten Voraussetzungen zu untersuchen, wenn auf Grund konkreter, im Verwaltungsverfahren von einer Partei aufgestellter Behauptungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Leistung aus anderen Gründen erbracht worden ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002).

Im vorliegenden Fall liegen nach dem Verwaltungsverfahren keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Zurverfügungstellung der Wohnung durch die M. KG aus anderen Gründen erfolgt wäre als aus jenem der Beschäftigung des A. beim Beschwerdeführer. Insbesondere ist der Beschwerdeführer der Aussage des Prokuristen des Unternehmens M., er habe A. "durch den Zusammenhang mit (s)einem Sohn" gestattet, die Wohnung unentgeltlich zu benützen, wodurch sich der Beschwerdeführer die Zahlung von Trennungs- und Übernachtungsgeld erspart habe, nicht entgegengetreten.

Die Tatsache, das die Wohnung nicht vom Beschwerdeführer (und damit nicht vom Dienstgeber des A.), sondern von einem Dritten unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, vermag an der Beitragspflicht unter diesen Umständen nichts zu ändern, und ebenso geht das Vorbringen des Beschwerdeführers, im Hinblick auf den Kollektivvertrag wäre zu ermitteln gewesen, wo sich der Wohnsitz (Familienwohnsitz) des A. befindet - weil nach diesem Kollektivvertrag (nur) Arbeitnehmer, deren ständiger Wohnort (Familienwohnsitz) von der Arbeitsstelle so weit entfernt ist, dass ihnen eine tägliche Rückkehr zu demselben nicht zugemutet werden kann, Anspruch auf freie Unterkunft bzw. auf Übernachtungsgeld haben - ins Leere.

In der Beschwerde wird des Weiteren vorgebracht, Nächtigungsgelder würden auch dann nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG gelten, wenn sie der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Dies müsse aus Gründen der Sachlichkeit auch gelten, wenn statt solcher Gelder eine Naturalleistung erbracht werde. Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf den letzten Satz des § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG. Die genannte Bestimmung hat folgenden (während des Beitragszeitraumes unveränderten) Wortlaut:

"(3) Als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 gelten nicht:

1. Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä.;"

Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthält der letzte Satz der zitierten Bestimmung nur eine Legaldefinition, was unter Tages- und Nächtigungsgeldern im Sinne des vorangehenden Halbsatzes zu verstehen ist, und keine eigenständige normative Anordnung, dass es auf die Freiheit von der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht in diesen Fällen nicht ankommt.

Nicht zutreffend ist schließlich auch die Ausführung in der Beschwerde, dass auf Grund des § 26 Z 4 EStG 1988 im vorliegenden Fall Einkommsteuerfreiheit "im weiteren Sinne" (und damit die Anwendbarkeit des § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG) gegeben wäre. Die Bestimmung des § 26 Z 4 EStG 1988 bezieht sich nämlich lediglich auf Leistungen, die anlässlich von Dienstreisen erbracht werden. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um Leistungen, die A. auf Grund von Dienstreisen erhalten hat. Die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung einer Dienstwohnung stellt zum Unterschied davon vielmehr regelmäßig einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar und ist damit steuerpflichtig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 98/15/0118).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Oktober 2003

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