Normen
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Bgld 1970 §53 Abs3;
Satzungen AgrG Bgld 1971 §14;
Satzungen AgrG Bgld 1971 §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Bgld 1970 §53 Abs3;
Satzungen AgrG Bgld 1971 §14;
Satzungen AgrG Bgld 1971 §15;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Mitglied der Urbarialgemeinde D.
Mit Eingabe vom 22. April 1999 beantragte er beim Amt der Burgenländischen Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) die Feststellung, dass die Urbarialgemeinde verpflichtet sei, dem Beschwerdeführer einen Betrag von S 26.200,-- (EUR 1.904,--) für geleistete Handdienste im Ausmaß von 131 Tagen zu bezahlen. Er wies darauf hin, dass die Urbarialgemeinde diesbezüglichen Anträgen des Beschwerdeführers nicht Rechnung getragen habe.
Mit Bescheid vom 25. September 2000 wies die AB den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 53 Abs. 3 des Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970 (FLG), und § 35 Abs. 3 der Satzungen für Agrargemeinschaften, erlassen mit Verordnung der AB vom 29. Mai 1971 (Satzungen für Agrargemeinschaften) als unbegründet ab.
Begründet wurde diese Entscheidung damit, der Beschwerdeführer habe keine Robotleistungen, sondern "Diäten" geltend gemachten, die bereits verjährt seien. Außerdem habe die Vollversammlung der Urbarialgemeinde nie einen Beschluss gefasst, der die Auszahlung von Vergütungen für Leistungen durch Mitglieder des Verwaltungsausschusses begründe.
Der Beschwerdeführer berief.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 2002 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
In der Begründung heißt es im Darstellungsteil, in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde sei in das "Niederschriftsbuch" der Urbarialgemeinde D Einsicht genommen worden, welches die Protokolle über die in der Zeit zwischen 19. April 1964 und 15. September 1996 abgehaltenen Vollversammlungen enthalte. Dem Protokoll über die Vollversammlung vom 14. Juli 1989 sei zu Punkt 4 der Tagesordnung zu entnehmen, dass der Antrag auf Erhöhung für die Handdienste von S 40,-- auf S 50,-- mit nur einer Gegenstimme angenommen worden sei. Dieses Protokoll sei am gleichen Tag vom Obmann und vom Schriftführer der Urbarialgemeinde unterfertigt worden. Ein Bericht über den Beschluss vom 14. Juli 1989 in der nachfolgenden Sitzung vom 27. November 1990 sei nicht erfolgt. Die Beurkundung des Vollversammlungsbeschlusses sei zwar entsprechend den Satzungen aus dem Jahr 1935 erfolgt; diese seien aber 1989 nicht mehr in Geltung gestanden, sondern durch die Satzungen des Jahres 1971 abgelöst worden. Nach den Satzungen 1971 wäre aber ein anderer Beglaubigungsmodus zu wählen gewesen.
Im Erwägungsteil heißt es, nach § 15 der Satzungen für Agrargemeinschaften 1971 seien alle Beschlüsse und Wahlergebnisse in einem Beschlussbuch einzutragen. Diese Eintragungen seien bis spätestens in der nächsten Vollversammlung zu verlesen und nach etwaiger Berichtigung vom Vorsitzenden, vom Schriftführer und von mindestens zwei von der Vollversammlung gewählten Teilhabern, die möglichst nicht dem Verwaltungsausschuss angehören sollen, mit ihren Unterschriften zu beglaubigen.
Nach § 8 Abs. 2 lit. e der Satzungen für Agrargemeinschaften obliege der Vollversammlung insbesondere die Beschlussfassung über die Leistung von Zahlungen, die im Voranschlag nicht enthalten seien, soweit sie nicht gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen beinhalteten.
Der Beschwerdeführer beanspruche die Abgeltung seiner Handdienste von der Urbarialgemeinde für Leistungen in den Jahren 1992 bis 1996. Für die Beurteilung des Anspruches seien daher die Satzungen für Agrargemeinschaften 1971 anzuwenden.
Es sei daher zu prüfen gewesen, ob für die Abgeltung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Geldforderung Beschlüsse entsprechend den Satzungen für Agrargemeinschaften in der Vollversammlung der Urbarialgemeinde gefasst worden seien.
Das entscheidungswesentliche Protokoll der Vollversammlung vom 14. Juli 1989 sei mit einem Formfehler behaftet.
Im Protokoll des "Niederschriftsbuches" über die Sitzung vom 14. Juli 1989 sei zu Punkt 4 - dem Antrag auf Erhöhung der Abgeltung für Handdienste von S 40,-- auf S 50,-- je Stunde - vermerkt, dass dieser Antrag mit nur einer Gegenstimme angenommen worden sei. Dieses Protokoll sei am gleichen Tag, nämlich am 14. Juli 1989, vom Obmann und vom Schriftführer der Urbarialgemeinde unterfertigt worden. Diese Vorgangsweise entspreche nicht dem § 15 der Satzungen für Agrargemeinschaften, wonach Beschlüsse in einem Beschlussbuch einzutragen seien, diese spätestens in der nächsten Vollversammlung zu verlesen und nach etwaiger Berichtigung vom Vorsitzenden, vom Schriftführer und von mindestens zwei von der Vollversammlung gewählten Teilhabern mit ihren Unterschriften zu beglaubigen seien.
Dem "Niederschriftsbuch" sei zu entnehmen, dass ein Bericht über den Beschluss vom 14. Juli 1989 bis spätestens in der nächsten Vollversammlung vom 22. April 1990 nicht erfolgt sei. Der Beschluss vom 14. Juli 1989 sei am Tag der Vollversammlung unterschrieben worden. Das Protokoll vom 14. Juli 1989 sei lediglich vom Obmann und vom Schriftführer unterfertigt worden. Das Protokoll sei somit auch nicht von mindestens zwei von der Vollversammlung gewählten Teilhabern unterzeichnet worden. Der damals gefasste Beschluss sei weder in einem Beschlussbuch eingetragen, noch satzungskonform beglaubigt worden. Auf Grund des vorliegenden Formmangels hätten die vorgebrachten Berufungsausführungen einer inhaltlichen Überprüfung nicht unterzogen werden können.
Dass die Urbarialgemeinde trotz des nicht satzungsgemäß beglaubigten Beschlusses Guthaben für geleistete Hand- und Zugdienste ausbezahlt habe, könne auf Grund der festgestellten Satzungswidrigkeit des zu Grunde liegenden Vollversammlungsbeschlusses dem Beschwerdeführer nicht zum Erfolg verhelfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer bringt vor, selbst wenn es zutreffen würde, dass der im Rahmen der Vollversammlung vom 15. Juli 1989 gefasste Beschluss, die Vergütung für Handdienste von S 40,-- auf S 50,-- pro Stunde zu erhöhen, weder in ein Beschlussbuch eingetragen, noch satzungskonform beglaubigt worden sei, was ausdrücklich bestritten werde, tue dies nichts zur Sache; die belangte Behörde wäre trotzdem verpflichtet gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen. § 15 der Satzungen für Agrargemeinschaften stelle lediglich eine Ordnungsvorschrift dar, die nicht zum Nachteil des einzelnen Mitglieds angewendet werden dürfe, wenn in einem derartigen Beschluss für das einzelne Mitglied Rechte begründet würden.
Selbst wenn der Beschluss vom 14. Juli 1989 tatsächlich satzungswidrig sei, hätte die belangte Behörde dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Abgeltung von 131 Tagen Handdienste stattgeben müssen, und zwar unter Zugrundelegung nicht der erhöhten Summe von S 50,-- pro Stunde, sondern von S 40,-- pro Stunde, da der Beschluss, mit dem S 40,-- pro Stunde festgelegt worden seien, satzungskonform zu Stande gekommen sei.
Überdies seien allen anderen Mitgliedern immer wieder Vergütungen für entsprechende Leistungen ausbezahlt worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 2002, 2002/07/0047, wurde die Beschwerde wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen.
Dem vom Beschwerdeführer gestellten Wiedereinsetzungsantrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. November 2002, 2002/07/0126, stattgegeben. Über die Beschwerde ist daher nunmehr inhaltlich zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 53 Abs. 3 FLG entscheidet die Agrarbehörde über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen.
Die Streitigkeit zwischen dem Beschwerdeführer und der Agrargemeinschaft über die Auszahlung von Vergütungen für geleistete Handdienste stellt eine solche Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis dar.
Die belangte Behörde hat das Bestehen eines Anspruches des Beschwerdeführers mit der Begründung verneint, der Beschluss der Vollversammlung vom 14. Juli 1989, der eine Erhöhung der Vergütung für geleistete Handdienste von S 40,-- pro Stunde auf S 50,-- pro Stunde vorsehe, sei satzungswidrig, weil er nicht den Erfordernissen des § 15 der Satzungen für Agrargemeinschaften entspreche und daher unanwendbar sei.
Nach § 15 der Satzungen für Agrargemeinschaften sind alle Beschlüsse und Wahlergebnisse in ein Beschlussbuch einzutragen. Diese Eintragungen sind spätestens in der nächsten Vollversammlung zu verlesen und nach etwaiger Berichtigung vom Vorsitzenden, vom Schriftführer und von mindestens zwei von der Vollversammlung gewählten Teilhabern, die möglichst nicht dem Verwaltungsausschuss angehören sollen, mit ihren Unterschriften zu beglaubigen.
Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er diese Bestimmung als bloße Ordnungsvorschrift einordnet, deren Außerachtlassung nicht die Nichtigkeit des betroffenen Beschlusses nach sich zieht.
Dies ergibt sich bereits aus § 14 der Satzungen der Agrargemeinschaften.
Nach Abs. 1 dieser Bestimmung sind die Beschlüsse der Vollversammlung vom Obmann zwei Wochen hindurch zur allgemeinen Einsichtnahme aufzulegen. Ort und Zeit der Auflage sind in der Vollversammlung unmittelbar nach der Beschlussfassung bekannt zu geben oder durch Anschlag an der Amtstafel (§ 9 Abs. 3) zu verlautbaren. Den überstimmten Mitgliedern steht innerhalb dieser Frist das Recht zu, bei der Agrarbehörde die Aufhebung wegen Verletzung der Gesetze oder der Satzungen zu beantragen.
§ 14 der Satzungen lässt die Bekämpfbarkeit eines Vollversammlungsbeschlusses nicht erst dann zu, wenn hinsichtlich dieses Beschlusses die Formvorschriften des § 15 der Satzungen erfüllt sind. Nach § 14 ist es möglich, dass ein Beschluss der Vollversammlung zu einem Zeitpunkt bekämpft und aufgehoben werden kann, zu dem die Formvorschriften des § 15 der Satzungen noch nicht erfüllt sind. Das zeigt, dass zur Gültigkeit eines Beschlusses nicht die Einhaltung der Formerfordernisse des § 15 der Satzungen erforderlich ist. Käme nämlich ein gültiger Beschluss erst mit der Einhaltung dieser Formerfordernisse zu Stande, dann könnte § 14 nicht anordnen, dass ein Beschluss schon vor deren Erfüllung angefochten und aufgehoben werden könnte, denn angefochten und aufgehoben werden kann nur ein existent gewordener Beschluss.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt zu vergleichbaren Satzungsbestimmungen ausgesprochen, dass deren Außerachtlassung eine bloße Ordnungsvorschrift darstellt, die die Gültigkeit des Beschlusses nicht berührt (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1995, 94/07/0148, und vom 13. Dezember 1994, 94/07/0171).
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 21. November 2002
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