VwGH 2002/07/0126

VwGH2002/07/012621.11.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über den Antrag des F in D, vertreten durch die Ochsenhofer & Heindl Rechtsanwälte OEG in Oberwart, Schulgasse 11, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 19. Februar 2002, Zl. LAS-D129/5-2002, betreffend Bezahlung von Handdiensten, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 impl;
AVG §71 Abs3 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
AVG §71 Abs1 impl;
AVG §71 Abs3 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 19. Februar 2002 wurde der Antrag des Antragstellers auf Feststellung, dass die Urbarialgemeinde D verpflichtet sei, dem Antragsteller einen Betrag von 26.200 S (EUR 1.904,--) für geleistete Handdienste im Ausmaß von 131 Tagen zu bezahlen, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 2002, 2002/07/0047, wurde die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, als Datum der Zustellung sei zwar in der Beschwerde der 22. Februar 2002 angegeben; aus dem im Akt erliegenden Zustellnachweis ergebe sich aber, dass die Zustellung bereits am 21. Februar 2002 erfolgt sei. Die am 5. April 2002 zur Post gegebene Beschwerde sei daher verspätet.

Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 2. Oktober 2002 zugestellt.

Mit einem am 16. Oktober 2002 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 19. Februar 2002.

Zur Begründung bringt er vor, nach Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 2002 habe er sich mit folgendem Sachverhalt konfrontiert gesehen:

Einerseits habe die Übernahmebestätigung des Bescheides des Landesagrarsenates beim Amt der Burgenländischen Landesregierung als Zustelldatum den 21. Februar 2002 aufgewiesen, andererseits sei auf diesem Bescheid im Original der Eingangsstempel vom 22. Februar 2002 enthalten. Darüber hinaus finde sich auf der Eingangsstampiglie die rot eingetragene Frist für den letzten Tag der Einbringung einer Bescheidbeschwerde "4.4.2002". Es sei offensichtlich, dass diese Eintragung (4.4.2002) mit dem Eingangsstempel "22.Feb.2002" nicht in Einklang zu bringen sei. Dazu komme weiters, dass ursprünglich im Hand-Tagsatzung-Protokoll des Vertreters des Antragstellers für 2002 als letzter Tag für die Einbringung einer Bescheidbeschwerde Donnerstag, der 4. April 2002, eingetragen gewesen sei, was letztendlich auf Freitag, den 5. April 2002, korrigiert worden sei.

Die Posteingangskontrolle beim Vertreter des Antragstellers, bei der bisher immer eine lückenlose Erfassung aller Schriftstücke, ihre Untersuchung nach Fristen und deren unverzügliche Vormerkung gewährleistet gewesen sei, funktioniere grundsätzlich wie folgt:

Frau P, die seit Jahren die Post für den Vertreter des Antragstellers vorbereite, nehme die Poststücke entgegen. In weiterer Folge würden von ihr die einzelnen Fristen vorgemerkt, wobei sie bei offenen Fragen sofort mit dem Vertreter des Antragstellers Kontakt aufnehme. Im konkreten Fall sei die Dauer der Rechtsmittelfrist von Anfang an bekannt gewesen, da sie klar verständlich dem Bescheid des Landesagrarsenates habe entnommen werden können. In weiterer Folge werde die von Frau P vorbereitete Post samt Fristvormerk durch den Vertreter des Antragstellers kontrolliert.

Unter Zugrundelegung dieses Systems der Posteingangskontrolle ergebe sich für den konkreten Fall Folgendes:

Frau P habe den Bescheid des Landesagrarsenates in den Räumlichkeiten des Vertreters des Beschwerdeführers entgegen genommen. Sie selbst habe auf die Übernahmsbestätigung als Datum den 21. Februar 2002 geschrieben.

In weiterer Folge sei es wiederum Frau P gewesen, die den am 21. Februar 2002 zugestellten Bescheid des Landesagrarsenates mit der Eingangsstampiglie "22.Feb.2002" versehen habe. Dabei müsse der ansonsten verlässlichen und versierten, bisher fehlerfrei arbeitenden Mitarbeiterin des Vertreters des Antragstellers insoweit ein Irrtum bzw. Fehler unterlaufen sein, als der Eingangsstempel nicht richtig auf 21. Februar 2002, sondern auf 22. Februar 2002 eingestellt gewesen sei.

Frau P habe in weiterer Folge die sechswöchige Beschwerdefrist richtig - und zwar ausgehend von Donnerstag, dem 21. Februar 2002, - eingetragen. In weiterer Folge habe der Vertreter des Antragstellers selbst - im Rahmen der Posteingangskontrolle vermutlich am 22. Februar 2002 oder am 23. Februar 2002 - ausgehend von der Eingangsstampiglie "22. Feb.2002" berichtigend eingegriffen und darauf hingewiesen, dass ausgehend vom Tag der Zustellung "22.2.2002" richtigerweise der letzte Tag der Frist der 5. April 2002 sei.

In Befolgung dieser Anordnung habe in weiterer Folge die Mitarbeiterin K die Frist im Hand-Tagsatzung-Protokoll 2002 von 4. April 2002 auf 5. April 2002 geändert. Am 5. April 2002 sei die Beschwerde zur Post gegeben worden.

Letztendlich habe eine unglückliche Verkettung von Zufällen zu einer verspäteten Einbringung der Beschwerde geführt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Eine wenn auch verspätet bereits gesetzte Prozesshandlung muss nicht im Sinne des § 46 Abs. 3 zweiter Satz VwGG nachgeholt werden (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1977, 1212/76 = VwSlg. 9226/A).

Als Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG ist jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 leg. cit. zu verstehen, das die Fristeneinhaltung verhindert hat. Besteht das Ereignis in einem Tatsachenirrtum über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, so hört das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG auf, sobald der Beschwerdeführer (Beschwerdevertreter) den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste, nicht aber erst in dem Zeitpunkt, in dem z.B. der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung zugestellt worden ist (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2001, 2001/08/0148, u. v.a.).

Die Aussage in dieser Rechtsprechung, dass im Falle eines Tatsachenirrtums über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde das Hindernis nicht erst in dem Zeitpunkt weggefallen ist, in dem der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung zugestellt worden ist, besagt, dass nicht automatisch von diesem Zeitpunkt auszugehen ist, sondern dass es darauf ankommt, wann der Beschwerdeführer (Beschwerdeführervertreter) den auf die Beschwerdefrist bezogenen Tatsachenirrtum erkennen konnte und musste; sie bedeutet aber umgekehrt nicht, dass dieser Zeitpunkt nicht jener Zeitpunkt sein kann, in welchem tatsächlich erst das Hindernis weggefallen ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer (Beschwerdeführervertreter) im Zeitpunkt der Zustellung des die Beschwerde zurückweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes erstmals den Tatsachenirrtum über die Frist erkennen konnte und musste.

Im vorliegenden Fall macht der Antragsteller geltend, er habe erst durch die Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 2002, 2002/07/0047, von der Tatsache der Verspätung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde Kenntnis erlangt. Das weitere Sachverhaltsvorbringen zeigt, dass dem Vertreter des Antragstellers nicht der Vorwurf gemacht werden kann, er habe bei gehöriger Aufmerksamkeit schon vorher die verspätete Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erkennen müssen.

Der innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist daher rechtzeitig.

Für den Vertreter des Antragstellers ergab sich folgende Situation:

Er fand bei der Fristenkontrolle ein Datum (4. April 2002) als letzten Tag der Beschwerdefrist vorgemerkt vor, welches ihm nach dem Posteingangsstempel, der den 22. Februar 2002 als Tag der Zustellung des anzufechtenden Bescheides auswies, als unrichtig erscheinen musste. Die Differenz zwischen Posteingangsstempel und von der Kanzleiangestellten eingetragenem letztem Tag der Beschwerdefrist musste beim Vertreter des Antragstellers zwangsläufig den Eindruck erwecken, seiner Kanzleiangestellten sei bei der Berechnung der Frist ein Irrtum unterlaufen. Hingegen gab es nichts, was dem Vertreter des Antragstellers den Gedanken hätte nahe legen können, dass das Datum des Posteingangsstempels unrichtig sei. Wenn er daher, ausgehend vom Datum des Posteingangsstempels, den letzten Tag der Beschwerdefrist auf den 5. April 2002 änderte, was dann zur verspäteten Einbringung der Beschwerde führte, kann ihm kein über einen minderen Grad des Versehens hinaus gehendes Verschulden zur last gelegt werden.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war daher gemäß § 46 VwGG stattzugeben.

Wien, am 21. November 2002

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