Normen
AVG §19 Abs2;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 1998/I/158;
LStG NÖ 1999 §12;
AVG §19 Abs2;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 1998/I/158;
LStG NÖ 1999 §12;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat jedem Beschwerdeführer je EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 28. Mai 2002 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten als zuständiger Behörde im Sinne des § 2 Z. 2 NÖ Straßengesetz 1999 die Erteilung der Bewilligung gemäß § 12 NÖ Straßengesetz 1999 für das Baulos "Ertüchtigung der B 121" auf der Weyrer Straße (Landesstraße B 121) von km 4,0 bis km 7,4 (Weißes Kreuz).
Bei Straßenkilometer 6,9 der B 121 grenzt unmittelbar an die Weyrer Straße das Grundstück Nr. 1885/24, KG Mauer bei Amstetten, der erstbeschwerdeführenden Partei. Der Zweitbeschwerdeführer ist Eigentümer des südlich angrenzenden Grundstückes Nr. 1885/28, desselben Grundbuches, welches ebenfalls der Weyrer Straße (bei Straßenkilometer 7,00) unmittelbar benachbart ist.
Beide Beschwerdeführer wurden zur mündlichen Verhandlung am 26. Juni 2002 mittels "Verhandlungskundmachung" vom 11. Juni 2002 persönlich (Zustellung laut Rückschein am 14. Juni 2002) geladen. Die "Verhandlungskundmachung" enthält folgende Rechtsbelehrung und Angabe der Rechtsgrundlagen:
"Hinweis
Bitte beachten Sie,
sollten Sie gegen dieses Projekt Einwände haben, können Sie diese nur bis spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten oder während der Verhandlung vorbringen; sonst wird angenommen, dass Sie dem Vorhaben zustimmen.
…
Rechtsgrundlagen
§ 12 NÖ Straßengesetz, LGBl. 8500-0
§§ 40 - 44 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991
(AVG 1991)"
Die zur Verhandlung am 26. Juni 2002 persönlich erschienenen Beschwerdeführer haben (als Eigentümer der obgenannten Grundstücke) im Verfahren vor der Behörde erster Instanz keine Einwendungen erhoben.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 9. August 2002 wurde dem Land Niederösterreich die beantragte Bewilligung gemäß § 12 NÖ Straßengesetz 1999 unter Nebenbestimmungen erteilt.
Die Beschwerdeführer erhoben dagegen (in einem Schriftsatz) Berufung.
Die Berufung der erstbeschwerdeführenden Partei wurde mit dem zu hg. Zl. 2002/05/1389 in Beschwerde gezogenen Bescheid "als unzulässig zurückgewiesen". Die belangte Behörde begründete diese Zurückweisung damit, dass die erstbeschwerdeführende Partei als Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1885/24 zwar Nachbarin und somit Partei im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 3 NÖ Straßengesetz 1999 sei, infolge nicht fristgerechter Erhebung von Einwendungen, habe sie jedoch ihre Parteistellung infolge Präklusion gemäß § 42 AVG verloren. Die erstbeschwerdeführende Partei sei nämlich rechtzeitig persönlich zur mündlichen Verhandlung mit dem "Hinweis auf die sich aus § 42 Abs. 1 AVG ergebende Säumnisfolge (§ 41 Abs. 2 AVG)" geladen worden.
Die Berufung der zweitmitbeteiligten Partei wurde mit dem zu hg. Zl. 2002/05/1390 angefochtenen Bescheid ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, die zweitbeschwerdeführende Partei sei kein Grundnachbar, ihr fehle es daher an der Parteistellung gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 NÖ Straßengesetz 1999 und damit am Berufungsrecht.
In der Gegenschrift bestätigt die belangte Behörde die Aktenwidrigkeit der Feststellung, die zweitbeschwerdeführende Partei sei kein Grundnachbar, sie hält jedoch die Zurückweisung der Berufung der zweitbeschwerdeführenden Parte aus den Gründen für zutreffend, die auch zur Zurückweisung der Berufung der erstbeschwerdeführenden Partei geführt haben.
In ihren Beschwerden machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdesachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 NÖ Straßengesetz 1999 ist für den Bau und die Umgestaltung einer Straße (von der hier nicht interessierenden Ausnahme abgesehen) nach den §§ 5 und 6 eine Bewilligung der Behörde erforderlich.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat die Behörde vor Erteilung der Bewilligung eine mündliche Verhandlung abzuhalten, in deren Verlauf ein Augenschein an Ort und Stelle (Trassenbegehung) vorzunehmen ist. Zur Verhandlung sind u. a. die Parteien nach § 13 Abs. 1 zu laden (Z. 1).
Gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen ist die Verhandlung mindestens zwei Wochen vor dem Verhandlungstag durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinden, in denen die Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen, kundzumachen.
Von den §§ 41 und 42 AVG abweichende Präklusionsbestimmungen enthält das NÖ Straßengesetz 1999 nicht.
Gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 NÖ Straßengesetz 1999 haben im Bewilligungsverfahren nach § 12 Parteistellung die Eigentümer der Grundstücke, die an die für den geplanten Straßenbau beanspruchten Flächen angrenzen (Nachbarn). Nachbarn im Sinne dieser Gesetzesstelle dürfen nur die in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen.
Die belangte Behörde vertritt die Rechtsansicht, die Berufung der Beschwerdeführer sei deshalb unzulässig, weil sie ihre im Verfahren nach § 12 NÖ Straßengesetz 1999 gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. eingeräumte Parteistellung verloren hätten.
Die im Verfahren nach § 12 NÖ Straßengesetz 1999 den Verlust der Parteistellung regelnden Bestimmungen des AVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl I Nr. 158/1998 - diese Fassung wurde auch von der belangten Behörde angewendet - haben folgenden Wortlaut:
"§ 41. (1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.
(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekannt zu geben.
§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.
(3) Eine Person, die glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist.
(4) Versäumt derjenige, über dessen Antrag das Verfahren eingeleitet wurde, die Verhandlung, so kann sie entweder in seiner Abwesenheit durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt werden."
Im Beschwerdefall kann dahinstehen, ob die Behörde erster Instanz die im § 42 Abs. 1 erster Satz AVG geregelten Kundmachungsvorschriften beachtet hat, weil die Beschwerdeführer persönlich zur mündlichen Verhandlung geladen worden sind (siehe Abs. 2 des § 42 AVG). Gemäß § 41 Abs. 2 AVG hat aber die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben (siehe auch § 19 Abs. 2 AVG) einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Folgen zu enthalten (siehe hiezu insbes. Philipp Pallitsch, Die Präklusion im Verwaltungsverfahren, Seiten 43 ff, und die dort zitierte Literatur und hg. Rechtsprechung). Ein Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG kann demnach dann nicht eintreten, wenn in der Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung - entgegen § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG - nicht auf diese im § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird, wobei die bloße Anführung von Paragraphenbezeichnungen, hier u. a. des § 42 AVG, nicht ausreicht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/05/0271). Im vorliegenden Fall wurde in der Verständigung über die Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht auf die im § 42 AVG (in der hier anzuwendenden Fassung) vorgesehenen Rechtsfolgen hinsichtlich des Verlustes der Parteistellung verwiesen (ähnlich dem Fall des vorzitierten hg. Erkenntnisses vom 22. Mai 2001 hat die Behörde erster Instanz in der Rechtsbelehrung der Kundmachung zur mündlichen Verhandlung eine der früheren Fassung des § 42 AVG entsprechende Formulierung gewählt), weshalb die belangte Behörde bei Prüfung der Berufungslegitimation der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen konnte, dass diese ihre Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG in der hier anzuwendenden, oben wiedergegeben Fassung verloren hätten.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Diese Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. Februar 2003
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