VwGH 2002/04/0059

VwGH2002/04/00599.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des K in R an der G, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in 3170 Hainfeld, Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 10. April 2002, Zl. 323.007/1-I/9/02, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §28 Abs1;
GewO 1994 §28 Abs1 Z1;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §28 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid verweigerte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit dem Beschwerdeführer gemäß § 28 GewO 1994 die Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Gewerbe Maschinen- und Fertigungstechniker, eingeschränkt auf die Dauer von einem Jahr ab Rechtskraft des Nachsichtsbescheides.

In der Begründung heißt es im Wesentlichen, an den Beschwerdeführer sei die Einladung ergangen, mitzuteilen, ob er bereit wäre, sich zum Nachweis einer hinreichenden fachlichen Befähigung einer Arbeitsprobe sowie einer informativen Befragung vor der fachlich zuständigen Landesinnung zu unterziehen. Hiezu habe der Beschwerdeführer keine Äußerung abgegeben. Insofern der Beschwerdeführer somit seiner Verpflichtung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken, nicht nachgekommen sei, sei auf Grund der Aktenlage zu entscheiden gewesen. Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer keine einschlägige Ausbildung nachgewiesen habe und den zitierten Unterlagen betreffend seine bisherige Tätigkeit weder entnommen werden könne, auf welche Weise bzw. in welchem Ausmaß sich der Beschwerdeführer einschlägige Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet habe, noch welche konkreten fachlichen Arbeiten eines Maschinen- und Fertigungstechnikers er ausgeführt habe, könne nicht angenommen werden, dass dieser über jene fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge, die erforderlich seien, um die im gegenständlichen Gewerbe in der Regel anfallenden Leistungen zufrieden stellend verrichten zu können. Es könne daher nicht von einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung in fachlicher Hinsicht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 ausgegangen werden. Der vorinstanzliche Bescheid sei daher schon aus diesem Grunde zu bestätigen gewesen, ohne dass noch auf die Frage des Vorliegens eines Nachsichtsgrundes habe eingegangen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 - in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 - ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, dass er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen, oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist das Vorliegen der vollen Befähigung. In diesem Sinne umfasst die Nachsicht nicht die Befähigung (die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen), sondern allein den - normativ - geforderten Nachweis dieser Befähigung. Hiebei regelten die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab dafür, ob die Nachsichtsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 vorliegen. Die Nachsicht nach § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. darf sohin von vornherein nur erteilt werden, wenn die vom Nachsichtswerber absolvierte Ausbildung mindestens in gleicher Weise wie die in den den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften geforderte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen lässt (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0124, und die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes).

Der Beschwerdeführer bringt hinsichtlich des (behaupteten) Vorliegens der "vollen Befähigung" vor, dass nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Beschwerdeführers angenommen werden könne, dass er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze. Der Beschwerdeführer habe unwiderlegt dargetan, dass er im traditionellen Familienbetrieb jahrelang gearbeitet habe, eine allgemein bildenden Matura habe, vor länger als 10 Jahren in den väterlichen Betrieb, der eben einschlägig arbeite, eingetreten sei und in sämtlichen Bereichen des Unternehmens gearbeitet habe. Darüber hinaus habe er in den letzten 5 Jahren das Unternehmen praktisch in der Tätigkeit eines Geschäftsführers sowohl in kaufmännischen als auch in technischen Dingen geleitet. Bescheinigt werde dies durch ein Schreiben der Maschinenfabrik S. vom 27. März 2001, eine Erklärung der M Maschinen und technische Anlagen Planungs- und Fertigungs Ges.m.b.H. vom 28. März 2001 und die im Akt erliegenden Unterlagen. Wenn nunmehr angenommen werde, dass der Beschwerdeführer eine 8 1/2-jährige einschlägige Tätigkeit habe und darüber eine 5-jährige Tätigkeit in leitender Position ausgeübt habe, so sei diese Tätigkeit geeignet, die maßgeblichen verordneten beschriebenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Allein die Zeit von 8 1/2 Jahren fachspezifischer Tätigkeit könne aus der Sicht des Beschwerdeführers die formal geforderten Befähigungen bei weitem ersetzen.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Dass der Beschwerdeführer - auf welche Art immer - das (insbesondere fachlich-theoretische) Ausbildungsziel (entsprechend der Meisterprüfung im Maschinen- und Fertigungstechnikerhandwerk gemäß der diesbezüglichen Meisterprüfungsordnung) erreicht habe, wurde vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde entsprechend konkretisiert behauptet. Dazu kommt, dass es nicht Aufgabe der Behörde ist, von Amts wegen alle Fakten zu erheben, die möglicherweise für eine Nachsichtserteilung sprechen (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996).

Das dargestellte Beschwerdevorbringen ist aber auch unter dem Aspekt einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 nur dann gesprochen werden, wenn auf Grund der vom Nachsichtswerber beigebrachten Unterlagen bzw. auf Grund des Ergebnisses des über sein Vorbringen bzw. sonst durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. August 1995, Zl. 95/04/0017, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Ausgehend von dieser Rechtslage vermag es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde, gestützt auf die von ihr zu den Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschwerdeführers auf dem Gebiet des in Rede stehenden Handwerkes getroffenen Feststellungen, zu dem Ergebnis gelangte, er verfüge nicht über die im Gesetz geforderte hinreichende tatsächliche Befähigung. Zu diesen Feststellungen gelangte sie auf Grund eines Aktes der Beweiswürdigung, wobei der Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden des Beschwerdevorbringens das von der belangten Behörde gewonnene Ergebnis weder als unschlüssig noch als mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut in Widerspruch stehend zu erkennen vermag. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift überdies zutreffend ausführt, ist den vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Standpunktes beigebrachten Unterlagen nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer auch in fachlich-praktischer Hinsicht tätig gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der Nachsichtswerber jedoch nicht nur in der Lage sein die Ausführungen gewerblicher Tätigkeiten durch andere zu überwachen, sondern auch sie selbst zu verrichten (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/04/0118).

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auch vor, er sei eingeladen worden, mitzuteilen, ob er bereit wäre, sich zum Nachweis einer hinreichenden fachlichen Befähigung einer Arbeitsprobe sowie einer informativen Befragung von der fachlich zuständigen Landesinnung zu unterziehen. Für diese Vorgangsweise habe die belangte Behörde keinerlei Rechtsgrundlage genannt und auch keinerlei Prämissen genannt, unter welchen Voraussetzungen einerseits der Beschwerdeführer seine hinreichende fachliche Befähigung nachzuweisen habe und nicht dargelegt, auf welcher Grundlage und nach welchen Beurteilungskriterien eine informative Befragung ein Ergebnis bringen hätte sollen bzw. können. Zusammengefasst seien also die Beurteilungskriterien, unter denen sich der Beschwerdeführer einer Arbeitsprobe und einer Befragung zu unterziehen gehabt hätte, völlig offen und ungeklärt und habe der Beschwerdeführer nicht mitwirken müssen; der Ermessensspielraum sei ein völlig offener und ungeklärter gewesen und habe damit nicht mehr dem "Gebot der Bestimmtheit des Verwaltungshandelns" genügt.

Mit diesem Beschwerdevorbringen vermag ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel schon deshalb nicht aufgezeigt zu werden, weil es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Beschwerdeführers ist, in der Beschwerde die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels durch konkretes tatsächliches Vorbringen darzutun, zu welchem anderen Ergebnis die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensbestimmungen hätte kommen können (zur Zulässigkeit einer informativen Befragung des Nachsichtswerbers vgl. im Übrigen schon das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Slg. Nr. 14.223/A).

Auf dem Boden des Beschwerdevorbringens vermag somit insgesamt in der Annahme der belangten Behörde, es mangle dem Beschwerdeführer an der nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 geforderten hinreichenden tatsächlichen Befähigung zur Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes, eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt zu werden. Da die Ausnahmegründe des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a oder b GewO 1994 zusätzliche Tatbestandselemente sind, die kumulativ neben der hinreichenden tatsächlichen Befähigung gegeben sein müssen, kommt schließlich dem Beschwerdevorbringen hinsichtlich besonderer örtlicher Bedarfsverhältnisse keine rechtliche Relevanz zu.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 9. Oktober 2002

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