Normen
AVG §67g Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §67g Abs2 Z2 idF 1998/I/158;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §38 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VStG §24 idF 1998/I/158;
VStG §24;
AVG §67g Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §67g Abs2 Z2 idF 1998/I/158;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §38 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VStG §24 idF 1998/I/158;
VStG §24;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 26. Februar 2001, um 17.25 Uhr in Wien 9, Währinger Straße 11, Kreuzung Schwarzspanierstraße in Fahrtrichtung stadteinwärts, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges
1. das Rotlicht der für seine Fahrtrichtung maßgeblichen Verkehrslichtsignalanlage missachtet, da er nicht vor der Haltelinie angehalten habe, sondern in die Kreuzung eingefahren sei,
2. die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 30 km/h und somit erheblich überschritten.
Er habe dadurch 1. § 38 Abs. 5 StVO und 2. § 20 Abs. 2 StVO 1960 verletzt.
Es wurden Geldstrafen von jeweils EUR 87,21 (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 72 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt als Rechtswidrigkeit des Inhaltes, dass anlässlich der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung am 29. Jänner 2002 die gemäß § 51h Abs. 4 VStG erforderliche öffentliche Verkündung des Bescheides unterblieben sei. Aus der Verhandlungsschrift ergebe sich, dass bei der Verhandlung lediglich dem Vertreter des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Äußerung, insbesondere zu dem eingeholten Ampelphasenplan, gegeben worden sei; sodann sei die Beweisaufnahme geschlossen und "festgehalten" worden, dass eine Verkündung der Entscheidung nicht im Anschluss an die öffentliche mündliche Verhandlung stattfinden könne und der Berufungsbescheid schriftlich ergehe.
Gemäß § 51h Abs. 4 dritter Satz VStG ist der Spruch des Bescheides und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.
Gemäß dem am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen und im Beschwerdefall nach § 24 VStG anzuwendenden § 67g Abs. 1 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 sind der Bescheid und seine wesentliche Begründung auf Grund der Verhandlung, und zwar wenn möglich, sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Die Verkündung des Bescheides ist von der Anwesenheit der Parteien unabhängig.
Die Verkündung entfällt gemäß Abs. 2 der genannten Bestimmung, wenn
1. eine Verhandlung nicht durchgeführt (fortgesetzt) worden ist oder
2. der Bescheid nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung beschlossen werden kann
und jedermann die Einsichtnahme in den Bescheid gewährleistet ist.
Im Beschwerdefall wurde zwar eine mündliche Verhandlung durchgeführt, doch ist die Verkündung des angefochtenen Bescheides unterblieben. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0269, ausgesprochen hat, stellt dies dann keine Rechtswidrigkeit dar, wenn nach der Lage des Falles die aufgenommenen Beweise einer Würdigung bedurft hätten, die mit der gebotenen Sorgfalt im Anschluss an die öffentliche mündliche Verhandlung nicht möglich gewesen wäre. Hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Juni 2001, Zl. 2001/02/0052, in einem Fall, in dem lediglich "die Frage der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers" strittig war, nicht jedoch "Vorgänge bei der Geschwindigkeitsmessung", zu welcher die Zeugen in der mündlichen Verhandlung vernommen worden waren, das Unterbleiben der sofortigen mündlichen Verkündung als inhaltliche Rechtswidrigkeit erkannt, weil in diesem Falle die Beweiswürdigung keiner "reiflichen Überlegungen" im Sinne des oben zitierten Erkenntnisses vom 13. Dezember 2000 bedurften.
Im gegenständlichen Fall wird vom Beschwerdeführer als strittig erachtet, ob die angelasteten Verkehrsübertretungen nach dem in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung aller Parteien verlesenen Akteninhalt, insbesondere der niederschriftlichen Einvernahme des Meldungslegers als Zeugen vom 12. September 2001, im Hinblick auf den Ampelphasenplan zur gegenständlichen Kreuzung (insbesondere die "zusätzliche Sicherheitszeitspanne zwischen dem Beginn der Rotphase für die auf der Währinger Straße fahrenden Verkehrsteilnehmer und dem Beginn der Grünphase für die Fußgänger bzw. die aus der Schwarzspanierstraße kommenden Fahrzeuglenker" - Zitat bereits aus der Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 28. Mai 2001, in inhaltlich gleicher Weise nach Vorlage des Ampelphasenplanes in der mündlichen Verhandlung wiederholt) in der vom Meldungsleger angezeigten Weise überhaupt "technisch" möglich seien. Es ist im Beschwerdefall offensichtlich, dass eine Würdigung der belastenden Angaben des Meldungslegers und des Vorbringens des Beschwerdeführers bei gebotener Sorgfalt einer "reiflichen Überlegung" bedurfte, zumal der Ampelphasenplan erst nach genauer Befassung nachvollziehbar ist. Es bestehen somit keine Bedenken, im Beschwerdefall die Voraussetzungen nach § 67g Abs. 2 Z. 2 AVG für den Entfall der sofortigen Verkündung des angefochtenen Bescheides als erfüllt zu betrachten.
Insoweit sich die beschwerdeführende Partei gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung aus folgenden Gründen nicht aufkommen:
Wenn der Beschwerdeführer einen Widerspruch der Angaben des Meldungslegers in der Anzeige mit jenen in der Niederschrift vom 12. September 2001 rügt, weil der Meldungsleger seinen Beobachtungsstandort in der Anzeige mit "Währinger Straße gegü Onr. 4" und in der Niederschrift mit "in Höhe des Schutzweges beim Hause Währinger Straße 11" angegeben habe, so reißt er die Angaben in der Anzeige aus dem Zusammenhang. Denn dort ist als Beobachtungsstandort "Wien 9., Währinger Straße gegü Onr. 4 - Schwarzspanierstraße, bei dem dort befindlichen Schutzweg", im Text enthalten, wohingegen der Tatort bereits in der Anzeige auf "Wien 9, Währinger Straße Onr. 11 - Schwarzspanierstraße" verbessert wurde. Aus dem Gesamtzusammenhang bereits der Anzeige allein für sich ergibt sich, dass die Ortsbezeichnung "gegü Onr. 4" ein offenkundiges Versehen ist, weil an der Kreuzung Währinger Straße/Schwarzspanierstraße eine Ordnungsnummer Währinger Straße 4 gar nicht existiert (vgl. amtliche Stadtkarte Wien, Maßstab 1 : 2000, Blatt 41 + 2 und 42 + 2). Ein Widerspruch zu dem in der Niederschrift vom 12. September 2001 richtig bezeichneten Beobachtungsstandort liegt demnach in Wahrheit nicht vor.
Insoferne der Beschwerdeführer Angaben des Meldungslegers in der Anzeige und in der Niederschrift zur Ampelstellung für den Querverkehr (aus Sicht des Beschwerdeführers) und den Fußgängerverkehr an dem von der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers aus gesehen entfernteren Teil der gegenständlichen Kreuzung als einerseits widersprüchlich und andererseits als nicht im Einklang mit dem Ampelphasenplan der gegenständlichen Kreuzung stehend rügt, so übersieht er, dass der Meldungsleger sich in erster Linie auf die Stellung der Verkehrslichtsignalampel in Richtung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt, als dieser in die Kreuzung einfuhr und dessen Geschwindigkeit zu konzentrieren hatte. Dass bei für die gegenständliche Übertretung nicht maßgeblichen Nebenaspekten, wie der Stellung der Fußgängerampel für den querenden Fußgängerverkehr, das Verhalten der Fußgänger am entfernteren Ende der Kreuzung, die Stellung der Ampel für den Querverkehr und das Verhalten des Querverkehrs ungenaue Wahrnehmungen passieren können, ja sogar müssen, liegt in der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit und ist nicht geeignet, die Angaben des Meldungslegers in den Hauptwahrnehmungen als unschlüssig oder unglaubwürdig aufzuzeigen.
Der Beschwerdeführer erblickt einen Widerspruch zwischen Anzeige und Niederschrift in der Hauptwahrnehmung des Meldungslegers dergestalt, als dieser in der Anzeige angegeben habe, dass die Ampel zum Zeitpunkt, als das gegenständliche Fahrzeug die Haltelinie überfuhr, "bereits einige Zeit Rotlicht" gezeigt habe, er in der Niederschrift hingegen den Abstand dieses Fahrzeuges zum Zeitpunkt des Umschaltens der Ampel auf Rotlicht mit "zwei bis drei Meter vor der Haltelinie" angegeben habe. Er zeigt damit zwar eine "Unschärfe", jedoch angesichts der Unbestimmtheit der Bezeichnung "einige Zeit" keinen die Schlüssigkeit bzw. Glaubwürdigkeit in entscheidungswesentlicher Weise beeinträchtigenden Umstand. Auf die exakte Position des Fahrzeuges des Beschwerdeführers vor der Haltelinie zum Zeitpunkt des Aufleuchtens des Rotlichtes kommt es schon deshalb nicht an, weil der Beschwerdeführer nie behauptet hat, dass ihm ein Anhalten nicht möglich gewesen wäre. Wesentlich für gegenständlichen Fall ist daher ausschließlich, dass der Beschwerdeführer als Lenker seines Fahrzeuges in die Kreuzung einfuhr, indem er die Haltelinie passierte, als die Ampel bereits Rotlicht für seine Fahrtrichtung zeigte. Damit hat aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, eine Blickwendung des Meldungslegers im Zeitraum "Entfernung des Fahrzeuges zwei bis drei Meter vor der Haltelinie" und Wahrnehmung des Rotlichtes sei unmöglich, keine verfahrensbeeinflussende Bedeutung.
Der Beschwerdeführer rügt die Unterlassung der Durchführung eines Ortsaugenscheines. Mit diesem Vorbringen übersieht er, dass die belangte Behörde nicht gehalten war, diesem Antrag nachzukommen, weil die gegenständliche Situation in allen - vom Beschwerdeführer für wichtig erachteten - Gesichtspunkten nicht rekunstruierbar ist, hingegen zur Feststellung der wesentlichen Punkte ein solcher nicht notwendig war, um die Angaben des Meldungslegers auf seine Richtigkeit und Glaubwürdigkeit überprüfen zu können.
Der Beschwerdeführer rügt auch die Unterlassung der Einvernahme des Meldungslegers als Zeugen in der mündlichen Verhandlung. Damit übersieht er, dass mit seiner Zustimmung die Niederschrift über die Vernehmung des Meldungslegers als Zeugen vom 12. September 2001 in der mündlichen Verhandlung verlesen wurde (vgl. § 51g Abs. 3 Z. 4 VStG). Da die vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren in gleicher Weise wie in der Beschwerde gerügten Widersprüchlichkeiten zwischen Anzeige und dieser niederschriftlichen Aussage unbedeutend sind (siehe die obigen Ausführungen), der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht beantragt hat, den Meldungsleger erneut als Zeugen einzuvernehmen, ist die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels nicht zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Juni 2002
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