VwGH 2002/01/0500

VwGH2002/01/050016.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde 1. des K und 2. der K, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. März 2002, Zl. 36240/208- IV/4/01, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Personenstandsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer stellten - unter Hinweis darauf, dass sie bereits vor dem Standesbeamten ersucht hätten, ihr gemeinsames Religionsbekenntnis "Jehovas Zeugen" in die Heiratsurkunde einzutragen, was mit der Begründung verweigert worden sei, dass die Religionsgemeinschaft "im Computer nicht aufscheine" - an den Magistrat der Stadt Wien - MA 61, Standesamt für den 3. Bezirk, den Antrag "auf Neuausstellung der Heiratsurkunde über die ... geschlossene Ehe unter Beifügung und Nennung des Religionsbekenntnisses beider Ehegatten mit 'Zeuge Jehovas'."

Seitens des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 61, erging hierauf per 13. Februar 2001 folgende Erledigung an den Vertreter der Beschwerdeführer:

"Sehr geehrter Herr Doktor!

Bezugnehmend auf Ihren Antrag vom 7.2.2001 auf Beifügung des Religionsbekenntnisses 'Zeuge Jehovas' in der Heiratsurkunde Nr. 409/2000, beehrt sich das Standesamt Wien-Landstraße folgendes mitzuteilen:

Auf Grund der derzeit geltenden Bestimmungen des Personenstandsgesetzes (§ 19 GB, § 24 EB, § 28 StB, § 33 GU, § 34 HU und § 35 StU) ist nur die Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft in die Personenstandsbücher einzutragen.

Das sind nach wie vor nur die in der Dienstanweisung (DA) zur Vollziehung des PStG und der PStV unter Punkt 16.4 taxativ aufgelisteten Kirchen und Religionsgesellschaften, nicht jedoch religiöse Bekenntnisgemeinschaften.

Religionsbekenntnisgemeinschaften sind Vereinigungen von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt ist; die Zugehörigkeit zu einer solchen Bekenntnisgemeinschaft verschafft daher keinen Anspruch auf Eintragung in die Personenstandsbücher.

Nicht, weil die Religionsgemeinschaft 'im Computer nicht aufscheint', sondern im Zusammenhang mit den umseits angeführten Gründen, kann Ihrem Antrag nicht entsprochen werden.

Hochachtungsvoll

...

(Name)

Amtsrätin"

Ausgehend von dem Standpunkt, dass es sich bei der eben wiedergegebenen Erledigung um einen Bescheid handle, erhoben die Beschwerdeführer dagegen eine am 5. März 2001 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der - infolge Devolutionsantrages vom 19. September 2001 zur Entscheidung zuständige - Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück; der bekämpften Erledigung vom 13. Februar 2001 komme keine Bescheidqualität zu.

Über die dagegen erhobene, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene Beschwerde (Beschluss vom 23. September 2002, B 711/02-6) hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Die fragliche Erledigung ist weder ausdrücklich als Bescheid bezeichnet noch sonst in die äußere Form eines Bescheides gekleidet. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem auch in der Beschwerde erwähnten Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, ausgeführt hat, ist dann, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen u.dgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden. Insbesondere in jedem Fall, - so der Verwaltungsgerichtshof in dem besagten Beschluss vom 15. Dezember 1977 weiter - in dem "der Inhalt einer Erledigung oder einer behördlichen Erledigung" Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nach der für sich allein gesehen unabdingbaren Norm des § 58 Abs. 1 AVG für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich.

Gemäß der dargestellten Auffassung, die der Verwaltungsgerichtshof seither in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1995, Zl. 92/17/0288, oder vom 22. Mai 2001, Zl. 99/05/0063) vertritt, kommt es im vorliegenden Fall mithin darauf an, ob eindeutig - objektiv betrachtet - die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit erfolgte. Kommt auf Grund der sprachlichen Gestaltung der normative Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so liegt kein Bescheid vor (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1997, Zl. 97/06/0096).

Im vorliegenden Fall fehlt es an der erforderlichen Eindeutigkeit. Dabei ist zunächst auf die gewählte Form der Anrede und die abschließende Grußformel zu verweisen (siehe das eben erwähnte Erkenntnis vom 3. Juni 1997 und den hg. Beschluss vom 17. September 2002, Zl. 2002/01/0095). Des Weiteren spricht auch die Wendung "beehrt sich das Standesamt Wien-Landstraße folgendes mitzuteilen:" gegen die Annahme, es sei eine verbindliche Erledigung beabsichtigt gewesen (zu einer vergleichbaren Formulierung vgl. etwa den hg. Beschluss vom 25. Mai 1998, Zl. 98/17/0107). Auch der abschließende Halbsatz "kann ihrem Antrag nicht entsprochen werden." ist so deutbar, dass damit bloß eine Rechtsauffassung bekannt gegeben werden solle (in diesem Sinn zur vergleichbaren Wendung "Ihren ... gestellten Anträgen kann daher nicht mehr näher getreten werden." das schon erwähnte Erkenntnis vom 27. April 1995). Daran vermag weder der in der Erledigung enthaltene Hinweis auf verschiedene gesetzliche Bestimmungen noch der Umstand, dass die erstinstanzliche Behörde zur Entscheidung über den ihr vorliegenden Antrag verpflichtet gewesen wäre, etwas zu ändern. Sofern die Beschwerdeführer ergänzend darauf verweisen, dass die erstinstanzliche Behörde die eingebrachte Berufung keineswegs sofort als unzulässig zurückgewiesen habe, woraus sich ergebe, dass sie selbst der Meinung gewesen sei, eine normative, hoheitliche, bindende und anfechtbare Entscheidung erlassen zu haben, ist ihnen zu entgegnen, dass die Zurückweisung einer Berufung im Anwendungsbereich des AVG nur durch die Berufungsbehörde und nicht durch die Unterinstanz zu erfolgen hat (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, (1999), Rz 535).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich zusammenfassend, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung der gegenständlichen Erledigung als Bescheid den Ausschlag zu Gunsten der Verneinung ihres Bescheidcharakters geben muss. Die in der Beschwerde ins Treffen geführten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes können zu keinem anderen Ergebnis führen. Zwar sind die dem Erkenntnis VfSlg. Nr. 13.723/1994 zu Grunde liegenden Erledigungen, die als Bescheide qualifiziert wurden, der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Erledigung dem Aufbau und der Wortwahl nach vergleichbar, doch ergingen diese Erledigungen außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG. Damit waren auch dessen Formvorschriften über Bescheide nicht anwendbar, weshalb sich auch das besagte Erkenntnis nicht als einschlägig erweist.

Nach dem Gesagten lastet dem bekämpften Bescheid keine Rechtswidrigkeit an. Die dagegen erhobene Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 16. Juli 2003

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