Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Ghana - auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Anträge auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau sowie auf das gemeinsame Kind gemäß "§ 10 Abs. 1 Z 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985" (StbG) ab.
Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz seit 1992 in Österreich, bisher habe er nur über eine befristete Niederlassungsbewilligung verfügt. Die Eheschließung (mit der Erstreckungswerberin) sei 1995 in Ghana erfolgt. In einem Bericht der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 15. Jänner 2002 seien folgende rechtskräftige Verwaltungsstrafen angeführt:
"Zl. CSt- 1545/97 | - Geschwindigkeitsübertretung | S 800,- Rk. am 12.04.1997 | |
Zl. CSt- 1552/97 | - Geschwindigkeitsübertretung | S 800,- Rk. am 19.04.1997 | |
Zl. St-4747/98 | - Lenken ohne Führerschein | S 2.500,- Rk. am 27.08.1998 | |
Zl. St-1741/2000 | - Lenken in alkoholisiertem Zustand | S 8.000,- | |
- vorschriftswidriges Einbiegen | S 1.000,- rechtskräftig am 17.03.2000 | ||
Zl. St-1945/2000 | - Nichtbeachten eines Anhaltezeichens | S 1.000,- rechtskräftig am 4.5.2000." |
Der Beschwerdeführer habe in einer zum Ermittlungsverfahren abgegebenen Stellungnahme bestritten, dass er auf Grund der Gesetzesübertretungen eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle; die Übertretungen würden bereits eine gewisse Zeit zurückliegen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG und einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass Übertretungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, wie sie im konkreten Fall zweimal gesetzt worden seien, als schwer wiegende Verstöße gegen näher genannte Schutznormen zu werten seien. Die Bestrafungen sollten dem Beschwerdeführer den Unrechtsgehalt seines Verhaltens vor Augen führen und auf Grund der wiederholten Vergehen müsse ihm ein sorgloser Umgang mit den Sicherheitsvorschriften bescheinigt werden. In diesem Zusammenhang sei auch das bedenkenlose Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne die erforderliche Lenkerberechtigung zu sehen. Damit habe der Beschwerdeführer eine deutliche Missachtung bestehender Schutznormen gesetzt. Dass die beschriebenen, für die Allgemeinheit gefährlichen Verhaltensweisen bei der Aufnahme in den Staatsverband nicht relevant seien und der Beschwerdeführer auf Grund seines bisherigen Verhaltens dennoch entsprechende Gewähr für die öffentliche Sicherheit biete, müsse mit Bestimmtheit zurückgewiesen werden. Als gravierendster Gesetzesbruch sei jedoch das Lenken des Kraftfahrzeuges in einem von Alkohol beeinträchtigten Zustand im Jahre 2000 zu bewerten. Die daraus resultierenden Gefahren für das Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer seien allgemein bekannt; die gesamte Dimension solcher Verstöße trete oft genug zu Tage. Die aufgezeigten Umstände ließen erkennen, dass der Beschwerdeführer in kritischen Situationen Gefahr laufe, in einer von der Rechtsordnung verpönten Weise zu reagieren. Nach der Lebenserfahrung seien kritische Situationen auch in Zukunft nicht auszuschließen, weshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass sein künftiges Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Von den sechs verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilungen, die der Beschwerdeführer bei seiner Antragstellung verschwiegen habe, datierten die letzten und zugleich auch schwersten Übertretungen aus dem Jahre 2000. Der seither vergangene Zeitraum sei keinesfalls ausreichend, um eine für die Zukunft positive Verhaltensprognose abgeben zu können. Die belangte Behörde stelle trotz bereits vorangegangener empfindlicher Bestrafungen eine Steigerung im strafbaren Verhalten des Antragstellers fest. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 StbG geforderte bejahende Einstellung zur Republik Österreich unter Achtung ihrer Rechtsordnung werde daher ausgeschlossen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat die Versagung der Verleihung der Staatsbürgerschaft ausschließlich mit dem Mangel der Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG begründet.
Diese Bestimmung lautet:
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
...
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
..."
Bei der Klärung der Frage, ob die genannte Verleihungsvoraussetzung gegeben ist, ist vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers auszugehen. Dieses ist wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung - oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter - erlassene Vorschriften missachten. Aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kann die negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetzen in deutlicher Weise zum Ausdruck kommen (vgl. das Erkenntnis vom 25. März 2003, Zl. 2001/01/0427).
Zwar ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn sie Übertretungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit generell als ins Gewicht fallende Verstöße gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen (aus der ständigen Rechtsprechung vgl. etwa das Erkenntnis vom 11. Juni 2002, Zl. 2000/01/0190, mwN), sowie das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als "gravierenden Gesetzesbruch" gewertet hat (vgl. das Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2002/01/0091). Im Beschwerdefall sind jedoch die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen nicht geeignet, eine abschließende Prognoseentscheidung aus staatsbürgerschaftsrechtlicher Sicht über das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers zu treffen. Eine solche Prüfung gebietet nämlich einen Rückgriff auf die konkreten Umstände der den rechtskräftigen Verurteilungen zugrundeliegenden Taten, weil nur so ein hinreichend verlässlicher Rückschluss auf das Charakterbild des Staatsbürgerschaftswerbers möglich ist. Dazu sind die maßgeblichen Tathandlungen, die näheren Umstände der Tat und der Zeitpunkt der Tatbegehung zu ermitteln (vgl. das Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 99/01/0323). Dabei haben Taten dann weniger Gewicht, wenn sie - unter Berücksichtigung des Zeitraums des Wohlverhaltens nach der Straftat - weiter zurückliegen (vgl. das Erkenntnis vom 4. April 2001, 99/01/0369).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde weder das Ausmaß noch die näheren Umstände der beiden im Jahre 1997 begangenen Geschwindigkeitsübertretungen dargestellt - solches ergibt sich auch nicht aus dem Verwaltungsakt -, noch hat sie Konkretes zu dem von ihr zutreffend als schwer wiegend beurteilten Delikt des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand festgestellt; für Letzteres ist nicht einmal der Begehungszeitpunkt bekannt. Ohne Kenntnis solcher Umstände kann aber - auch unter dem Aspekt der seit der Begehung der Straftaten vergangenen Zeit - die von der belangten Behörde gezogene Schlussfolgerung nicht nachvollzogen werden.
Das Fehlen der notwendigen Feststellungen verwehrt dem Verwaltungsgerichtshof die nachprüfende Kontrolle der von der belangten Behörde getroffenen Prognoseentscheidung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Abschließend ist festzuhalten, dass die belangte Behörde für die Abweisung der Erstreckungsanträge eine Begründung überhaupt unterließ.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruhe auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. Juli 2003
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