Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Russlands, reiste am 7. August 2000 in das Bundesgebiet ein und stellte am 9. August 2000 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21. September 2000 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, sein Vater und später auch er hätten in Tschetschenien gezwungen werden sollen, zum moslemischen Glauben überzutreten. Daraufhin hätten sie Tschetschenien verlassen. Sein Vater habe Geld gehabt, vielleicht hätten ihn die Tschetschenen deswegen verfolgt. Sie hätten den Beschwerdeführer nicht in Ruhe gelassen, auch nicht als er in Pawlowskij Pasad gelebt habe. Der Sohn des Beschwerdeführers sei dort Anfang 2000 entführt und einen halben Tag festgehalten worden. Der Beschwerdeführer habe ihnen alles gegeben, sein Haus und auch sein Auto. Der Beschwerdeführer sei verfolgt worden, weil sein Vater irgendetwas nicht geteilt habe. Die Leute, die den Sohn des Beschwerdeführers entführt hätten, hätten das Geld gewollt. Sie hätten auch gewollt, dass sie Moslems würden.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Oktober 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 und 3 Asylgesetz als offensichtlich unbegründet abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland gemäß § 8 Asylgesetz für zulässig erklärt.
Bei der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde am 1. Dezember 2000 führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, die Männer, die ihn bedroht hätten, hätten seinen Vater erwähnt. Er wisse nicht, wofür er verantwortlich gemacht werden sollte. Der Beschwerdeführer könne sich nicht vorstellen, für welche Taten seines Vaters er die Verantwortung tragen solle. Da der Beschwerdeführer nicht in Tschetschenien gelebt habe, wisse er nichts Näheres. Sein Vater sei aber wohlhabend gewesen. Er habe dem Beschwerdeführer auch finanziell ausgeholfen, als er noch jünger gewesen sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 und § 8 Asylgesetz abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, sie gehe entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz nicht davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gänze unglaubwürdig sei. Der Tatbestand des § 6 Z 3 Asylgesetz sei daher nicht erfüllt. Die Abweisung des Asylantrages habe hingegen gemäß § 6 Z 2 zu erfolgen, da die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde geht davon aus, dass es sich bei den Übergriffen auf den Beschwerdeführer und seinen Sohn um kriminell motivierte Taten gehandelt habe. Sie hält fest, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, über mögliche Motive dieser Taten nachvollziehbare Angaben machen zu können. Er sei bei vagen Andeutungen zu "irgendeiner Geldsache", die sein Vater zu vertreten gehabt habe, geblieben.
Die von der belangten Behörde allein herangezogene Bestimmung des § 6 Z 2 Asylgesetz setzt voraus, dass der Asylantrag eindeutig jeder Grundlage entbehrt, weil - ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat - die "behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist". Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/20/0517, ausgesprochen hat, stellt sich, wenn sich kriminelle Übergriffe gegen einen unbeteiligten Dritten bloß wegen dessen mit einer anderen Person gemeinsamen oder von dieser herrührenden Abstammung richten, bei Prüfung der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründe die Frage nach einer Verfolgung aus Gründen der ethnischen oder rassischen oder, im vorliegenden Fall, der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe "Familie". Vom "offensichtlichen" Fehlen eines Konventionsgrundes kann in solchen Fällen - mit Rücksicht auf den Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - nicht gesprochen werden.
Da die belangte Behörde dies in ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, da diese in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist, jenes hinsichtlich der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG deshalb, weil dem Beschwerdeführer mit hg. Beschluss vom 3. April 2001, Zl. VH 2001/20/0134, diesbezüglich Verfahrenshilfe zuerkannt worden ist.
Wien, am 3. Juli 2003
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