Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 8. November 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 9. November 1998 einen Asylantrag.
Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 1. Dezember 1998 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei mit seinem Bruder bei einem Freund zu Besuch gewesen. Dort hätten sie sich das Buch "Satanische Verse" von Salman Rushdie ausgeborgt. Bei der Heimfahrt mit dem Jeep des Beschwerdeführers seien sie von Sicherheitsleuten angehalten und kontrolliert worden. Der Bruder des Beschwerdeführers habe das Buch unter seinen Sitz gelegt. Die Sicherheitsleute hätten es aber bemerkt. Einer der Sicherheitsleute habe das Buch genommen und sei damit zum Einsatzleiter gegangen. Diese Gelegenheit hätten der Beschwerdeführer und sein Bruder genützt, die Straßensperre zu durchbrechen und zu flüchten. In der Folge hätten sie sich bei einer Tante versteckt. Beide hätten eine Ladung bekommen, dass sie beim Revolutionsgericht erscheinen sollten. Danach hätten sie beide noch eine zweite Ladung bekommen, dass sie sich melden müssten, ansonsten würden sie zwangsvorgeführt. Von der Ladung hätten sie von der Tante erfahren. Der Beschwerdeführer könne diese Ladungen vorlegen. Für die Vorlage der Dokumente wurde dem Beschwerdeführer eine Frist bis zum 15. Dezember 1998 gesetzt, um deren Verlängerung er mit Schreiben von diesem Tag unter Hinweis darauf, dass es bei der Übermittlung von Post (gemeint: aus dem Iran) zu einer Verzögerung gekommen sei, ersuchte.
Im erstinstanzlichen Akt befinden sich daran anschließend Kopien von vier Schriftstücken (mit offenbar dazugehörenden deutschen "Übersetzungen"), wovon zwei laut diesen Übersetzungen vom islamischen Revolutionsgericht und zwei von der Polizeiabteilung 27 stammten. Nach einem dieser Schriftstücke hätten sich der Beschwerdeführer und sein Bruder wegen Besitzes "unerlaubter/illegaler" Bücher bei der Polizeiabteilung 27 zu stellen, sonst würden sie zwangsweise abgeholt. Diese Unterlage trägt laut der Übersetzung auch den Vermerk, sobald die beiden Beschuldigten "ihre Bescheide" erhalten hätten, seien sie geflohen. Auf der Kopie einer der Unterlagen findet sich der handschriftliche Vermerk "einfache Sprache (kein Juristen-Deutsch)". Darüber hinaus ist die Kopie einer weiteren Unterlage im Akt, auf der der handschriftliche Vermerk "Islam. Gericht IRAN, 2 Personen wegen Besitz v. unerlaubten Büchern u. Flucht v. den regulären Sicherheitskräften v. 16.10.1998 gesucht werden" angebracht ist.
Mit Bescheid vom 23. März 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran gemäß § 8 Asylgesetz für zulässig. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund sei nicht glaubwürdig. Auf die im Akt befindlichen Kopien von Urkunden wurde nicht eingegangen. Erwähnt wurde, dass der Beschwerdeführer (zu ergänzen: bei der Einvernahme am 1. Dezember 1998) einen Führerschein "als Beweismittel zur Vorlage gebracht" habe und ihm für die Vorlage weiterer Dokumente eine Frist gesetzt worden sei.
In seiner Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Angaben über die Straßenkontrolle durch Sicherheitsleute. Darüber hinaus rügte der Beschwerdeführer, dass die von ihm vorgelegten Ladungen und Schreiben nicht berücksichtigt worden seien.
In einem Schreiben vom 26. Jänner 2001, das die belangte Behörde an das Bundesasylamt richtete, stellte sie fest, dass sich im Akt diverse Kopien von "Einvernahmeformularen" sowie Ladungsbescheiden etc. von iranischen Gerichtsabteilungen befänden. Zwischen diesen in Farsi gehaltenen Schreiben bzw. angeblichen Gerichtsdokumenten befänden sich diverse Übersetzungen, ohne dass jedoch ersichtlich wäre, wer diese Übersetzungen veranlasst bzw. wer sie durchgeführt habe. Überhaupt nicht ersichtlich sei zudem, wer diese Dokumente beim Bundesasylamt zu welchem Zeitpunkt vorgelegt habe. Es ergehe daher die Aufforderung bekannt zu geben, wann die im Akt inneliegenden Dokumente beim Bundesasylamt vom Asylwerber vorgelegt wurden, wann bzw. von wem die Übersetzung veranlasst worden sei, wer diese Übersetzung durchgeführt habe und ob der Übersetzer beim Bundesasylamt auch sonst in Verwendung stehe, wo sich diese Dokumente im Original befänden und schließlich warum das Bundesasylamt auf die scheinbar bereits vorliegenden Dokumente im erstinstanzlichen Bescheid mit keinem Wort eingegangen sei. Es ergehe dazu das Ersuchen um Stellungnahme insbesondere auch im Hinblick darauf, dass möglicherweise die vom Bundesasylamt vorgenommene Übersetzung (da nicht bekannt sei, wer diese überhaupt erstattet habe) für das Verfahren nicht verwendet werden könne und allenfalls vor der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat noch eine ergänzende amtswegige Übersetzung veranlasst werden müsste.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2001 beantwortete das Bundesasylamt die Fragen folgendermaßen: Die vom Beschwerdeführer und seinem Bruder "am Tage der Erstvernehmung" (1. Dezember 1998) vorgelegten Dokumente seien "mit angrenzender Wahrscheinlichkeit" vom selben Dolmetscher übersetzt worden, der auch die Erstvernehmung "durchgeführt" habe, Herrn H., wobei es sich um keinen gerichtlich beeideten Dolmetscher handle. Wann "diese Dokumente" eingelangt seien bzw. wo sich die Originale befänden, könne nicht mehr nachvollzogen werden.
Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 13. Februar 2001 führte zunächst der Bruder des Beschwerdeführers im Wesentlichen aus, dass die Eltern den Brüdern nach der Flucht diverse Ausweise und auch die vorgelegten Ladungen geschickt hätten. Wie die Eltern dazu gelangt seien, wisse er nicht. Sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Bruder hätten laut der Niederschrift neuerlich Kopien der im Akt befindlichen Ladungen vorgewiesen, die als Beilagen ebenfalls dem Akt angeschlossen worden seien. Auf den Hinweis, dass in einem dieser Dokumente vermerkt sei, die Flucht habe stattgefunden, nachdem die Ladung hätte ausgefolgt werden sollen, erklärte der Bruder des Beschwerdeführers, das sei wirklich eine Frage, die auch er nur schwer erklären könne. Weder er noch sein Bruder hätten diese Ladung gesehen. Der Verhandlungsleiter stellte fest, es gebe Berichte sämtlicher europäischer Botschaften im Iran, dass mehr als 95 Prozent aller in Europa vorgelegten Gerichtsdokumente zum Teil plumpe Fälschungen seien. Der Bruder des Beschwerdeführers bemerkte dazu, dass die Dokumente vielleicht zu den restlichen 5 Prozent gehörten. Des weiteren ist dem Protokoll zu entnehmen, der Bruder des Beschwerdeführers habe angedeutet, dass auch er nicht davon ausgehe, dass die Unterlagen von iranischen Behörden stammten. Nach einer Beratung der Brüder habe der Bruder des Beschwerdeführers den Wunsch geäußert, noch ein wenig nachzudenken, da er sich zur Echtheit der Dokumente jetzt nicht äußern wolle. Die Entscheidung sei für ihn sehr schwer. Gebe er an, dass die Unterlagen gefälscht seien, riskiere er, dass sein Bruder anschließend etwas anderes angebe. Der Beschwerdeführer selbst führte aus, dass die Eltern alle Dokumente an die Tante übergeben hätten, welche ihnen diese nach Österreich geschickt habe. Auf die Frage, ob es im Iran nicht strafbar wäre, wenn man gesuchten Personen diverse Ladungen und ähnliche Schriftstücke zukommen lasse, antwortete der Beschwerdeführer, man könne im Iran durch Bestechung und Beziehung sehr viel erreichen. Der Verhandlungsleiter hielt dem Beschwerdeführer vor, sein Bruder habe "eigentlich eingestanden", dass die vorgelegten Unterlagen nicht echt seien. Der Beschwerdeführer führte dazu aus, er glaube nicht, dass sein Bruder solches behauptet habe, er glaube eher, dass die Behörde den Bruder dazu gezwungen habe. Des weiteren wurden sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Bruder zu den fluchtauslösenden Ereignissen im Zusammenhang mit der Straßenkontrolle befragt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Bruder bei einer nächtlichen Kontrolle dabei betreten worden sei, wie er das im Iran verbotene Buch "Satanische Verse" (bzw. Teile davon) besessen und im Wagen transportiert habe. Nicht festgestellt werden könne daher auch, dass der Beschwerdeführer aus diesem Grund im Iran jemals Verfolgungshandlungen durch Sicherheitsbehörden oder Gerichte ausgesetzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer und sein Bruder hätten einander und sich selbst bei ihren Aussagen insofern widersprochen, als sie vor der erstinstanzlichen Behörde von einem "Buch" gesprochen hätten, während bei der Verhandlung vor der belangten Behörde beide von kopierten Seiten in persischer Sprache (der Antragsteller von 50 bis 60 Seiten, sein Bruder von ca. 15 Seiten) gesprochen hätten. Weiters hätte der Bruder des Beschwerdeführers ausgeführt, er habe diese Seiten im Handschuhfach und dann bei der Kontrolle unter seinem Beifahrersitz versteckt, während der Beschwerdeführer angegeben habe, dass er selbst die Unterlagen unter seinem Fahrersitz deponiert gehabt habe. Unterschiedlich seien auch die Angaben, ob zwei Sicherheitsleute oder nur eine Person den Wagen kontrolliert habe. Der Bruder des Beschwerdeführers habe zudem ausgesagt, dass das Kontrollorgan die Papiere beim Beifahrersitz gefunden und diese dann einem anderen Kontrollorgan auf der Wagenseite des Beschwerdeführers überreicht habe, welches sie erst zu einem Vorgesetzten getragen habe. Der Beschwerdeführer selbst habe geschildert, dass ein einziges Kontrollorgan den Wagen überprüft hätte, die Papiere unter seinem Fahrersitz gefunden hätte und zu dem Vorgesetzten, der ein anderes Auto kontrolliert habe, getragen habe. Bei seinem Wagen sei dann überhaupt kein Kontrollorgan postiert gewesen. Die Wagenkontrolle habe nach Auffassung der belangten Behörde somit nicht stattgefunden. Wenn aber die Wagenkontrolle nicht stattgefunden habe, könne auch das angebliche Vorgehen iranischer Sicherheitskräfte in der Folge nicht als tatsächlich geschehen angesehen werden. Divergierend seien schließlich die Angaben darüber, wer den Brüdern die fraglichen Dokumente geschickt habe. Im Übrigen handle es sich bei den vorgelegten angeblichen Schreiben iranischer Behörden um handgeschriebene und sehr einfach formulierte Schreiben in persischer Sprache. Laut Mitteilung der österreichischen Botschaft in Teheran sei es jedoch überhaupt kein Problem, sich Vordrucke von iranischen Behörden oder Gerichten zu beschaffen, weshalb jedenfalls nach Beobachtungen europäischer Botschaften in Teheran davon auszugehen sei, dass bis zu 95 Prozent der vorgelegten Dokumente schlichtweg Fälschungen seien. Die belangte Behörde komme deshalb auch eindeutig zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder irgendjemanden beauftragt bzw. ersucht hätten, ihnen die vorgelegten angeblichen Dokumente zu erstellen. Diese Dokumente stammten jedoch keinesfalls von iranischen Sicherheitsbehörden. Es handle sich noch dazu um plumpe Fälschungen, da etwa in einem Dokument vermerkt sei, dass der Beschwerdeführer und sein Bruder geflohen seien, nachdem sie ihre Ladungsbescheide erhalten hätten. Da dies mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und seines Bruders überhaupt nicht in Einklang zu bringen sei, da sie zu diesem Zeitpunkt den Iran bereits verlassen gehabt hätten, sei etwa der Bruder des Beschwerdeführers dazu bei der Berufungsverhandlung befragt worden. Er habe nur angegeben, dass dies wirklich eine Frage sei, die auch er nur schwer erklären könne. Im Übrigen hätten sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Bruder bei der mündlichen Berufungsverhandlung einen gänzlich unglaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Durch diverse Andeutungen des Bruders des Beschwerdeführers gegenüber dem Dolmetscher sei der Eindruck entstanden, dass auch er nicht davon ausgehe, dass die vorgelegten Dokumente von iranischen Behörden stammten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass es die vom Beschwerdeführer geschilderte Wagenkontrolle niemals gegeben habe. Sie ist aber auch davon ausgegangen, dass ebenso das Vorgehen iranischer Sicherheitskräfte gegen den Beschwerdeführer nicht als tatsächlich geschehen angesehen werden könne. Hinsichtlich dieses Vorgehens iranischer Behörden hat der Beschwerdeführer jedoch Urkunden vorgelegt. Diese Urkunden hat die belangte Behörde dahingehend beurteilt, dass sie keinesfalls von iranischen Sicherheitsbehörden stammten. Dies lässt sich aber weder damit begründen, dass es sich um handgeschriebene und sehr einfach formulierte Schreiben in persischer Sprache handle, noch damit, dass nach Beobachtungen europäischer Botschaften in Teheran 95 Prozent derartiger vorgelegter Dokumente schlichtweg Fälschungen seien.
Die belangte Behörde wäre daher zunächst verhalten gewesen, eine Übersetzung der Schriftstücke herstellen zu lassen, zumal nicht dargelegt wurde, dass die erforderlichen Sprachkenntnisse bei der belangten Behörde vorhanden wären. In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass die im Akt befindlichen "Übersetzungen" in äußerst holprigem Deutsch verfasst sind, was sie zumindest bedenklich erscheinen lässt. Darüber hinaus steht nicht mit Sicherheit fest, von wem diese "Übersetzungen" durchgeführt worden sind. Nicht näher begründet ist schließlich die Feststellung der belangten Behörde, dass diese Dokumente keinesfalls von iranischen Sicherheitsbehörden stammten. Zur Beurteilung dieser Frage, für die ohne Zweifel besondere Fachkenntnisse erforderlich sind, wobei nicht ersichtlich ist, dass die belangte Behörde selbst über diese verfügt, wäre im Sinne des § 52 AVG ein Sachverständiger beizuziehen gewesen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 98/20/0543, und das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl. 2002/20/0304).
Eine nähere Auseinandersetzung mit den vorgelegten Unterlagen selbst, deren Unterbleiben auch in der vorliegenden Beschwerde gerügt wird, wäre auch insofern erforderlich gewesen, als die Widersprüche, die bei den Angaben des Beschwerdeführers und seines Bruders hinsichtlich der Wagenkontrolle aufgetreten sind, relativiert werden könnten. Im Übrigen hat weder der Beschwerdeführer noch sein Bruder ausdrücklich eingeräumt, dass die Urkunden Fälschungen sind. Sollten sich die Unterlagen daher als echt erweisen und somit die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht erhärten, hätte die belangte Behörde insgesamt zu einem anderen Bescheid kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Bemerkt wird, dass die Umsatzsteuer in den in der genannten Verordnung festgesetzten Beträgen bereits berücksichtigt ist.
Wien, am 24. April 2003
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