VwGH 2001/18/0075

VwGH2001/18/007515.6.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1959, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Februar 2001, Zl. SD 693/00, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs2 Z1;
FrG 1997 §104 idF 2000/I/034;
PaßG 1992 §1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §19 Abs2 idF 1995/507;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
FrG 1997 §104 Abs1;
FrG 1997 §104 Abs2 Z1;
FrG 1997 §104 idF 2000/I/034;
PaßG 1992 §1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §19 Abs2 idF 1995/507;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Februar 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c, § 19 Abs. 2 des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839 in der Fassung BGBl. Nr. 507/1995, (PassG) der ihm am 6. Februar 1998 ausgestellte, bis 5. Februar 2008 gültige Reisepass Nr. B 0060412 und der ihm am 9. Februar 1998 ausgestellte, bis 8. Februar 2008 gültige Personalausweis Nr. 5188613 entzogen.

Der Beschwerdeführer sei von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung mit Strafverfügung vom 3. Februar 2000 wegen vorsätzlicher Schlepperei nach § 104 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 - FrG (rechtskräftig) mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- bestraft worden, weil er am 5. Jänner 2000 einen jugoslawischen Staatsangehörigen - gegen den ein Aufenthaltsverbot bestanden habe - in seinem Pkw über den ehemaligen Grenzübergang Walserberg von Österreich nach Deutschland gebracht habe. Erst nachdem er von der beabsichtigten Entziehung seines Reisepasses und seines Personalausweises erfahren habe, habe er mit Antrag vom 18. Mai 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen diese Strafverfügung begehrt. Dieser Antrag sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 7. Juni 2000 und dann mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 16. August 2000 abgewiesen worden.

Gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c PassG sei ein Reisepass zu entziehen oder die Ausstellung zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen würden, dass der Passbesitzer den Reisepass benützen wolle, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern. Im gegenständlichen Fall liege eine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers vor. Es spreche für sich, dass er sich mit dem Vorwurf der vorsätzlichen Schlepperei vorerst abgefunden und die diesbezügliche Strafverfügung in Rechtskraft habe erwachsen lassen. Die Aussage des Geschleppten, wonach der Beschwerdeführer nichts von dem gegen ihn seit zweieinhalb Jahren bestehenden Aufenthaltsverbot gewusst habe, könne nicht genügend Zweifel an den Feststellungen der Strafverfügung aufwerfen, zumal dem Akt entnehmbar sei, dass es sich beim Geschleppten um einen weitschichtigen Verwandten des Beschwerdeführers handle. Es sei mit der Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen, dass er tatsächlich keine Kenntnis vom Aufenthaltsverbot seines Verwandten gehabt habe.

Auf Grund des großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung des Schlepperunwesens, welches in einem Naheverhältnis zur organisierten Kriminalität stehe, diene die getroffene Maßnahme dem Schutz vor weiteren Straftaten dieser Art. Der seit dem strafbaren Verhalten verstrichene Zeitraum sei jedenfalls zu kurz, um eine Wiederholungsgefahr mit Sicherheit ausschließen zu können. Vielmehr werde es noch einige Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers bedürfen, um davon ausgehen zu können, dass es sich um ein einmaliges schwer wiegendes Fehlverhalten gehandelt habe und der Beschwerdeführer keinerlei Kontakte mehr zur Schlepperszene unterhalte.

Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c PassG seien erfüllt. Die Reisedokumente des Beschwerdeführers seien zu entziehen gewesen, ohne dass der Behörde eine Ermessensentscheidung zugekommen wäre.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach § 15 Abs. 1 leg. cit. ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c PassG ist (u. a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern.

Nach § 19 Abs. 2 leg. cit. sind auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der §§ 9 Abs. 7 und 15 Abs. 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren auf gültige Personalausweise beschränkt sind.

2.1. Nach der Definition des § 1 PassG ist Einreise das Betreten, Ausreise das Verlassen des Bundesgebietes. Nach § 2 Abs. 1 leg. cit. bedürfen österreichische Staatsbürger zur Ausreise aus dem Bundesgebiet und zur Einreise in dieses grundsätzlich eines gültigen Reisedokumentes. Der Passversagungsgrund (bzw. Entziehungsgrund) des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. c leg. cit. ist dann verwirklicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber (bzw. Inhaber eines Reisepasses oder Personalausweises) den Reisepass (oder Personalausweis) benützen will, um die rechtswidrige Einreise eines Fremden nach Österreich oder dessen rechtswidrige Ausreise aus dem Bundesgebiet zu fördern. Hiebei kann der Verstoß gegen österreichische Einreise- oder Ausreisevorschriften schon für sich allein die vorgenannte Annahme rechtfertigen. (In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. I Nr. 34/2000 zwar den in § 104 FrG geregelten Straftatbestand der Schlepperei auf die Förderung der rechtswidrigen Ein- bzw. Ausreise in einen bzw. aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. Nachbarstaat Österreichs erweitert, eine entsprechende Änderung des einschlägigen Versagungstatbestandes des Passgesetzes jedoch nicht vorgenommen hat.)

2.2. Nach der im Verwaltungsakt erliegenden, rechtskräftigen Strafverfügung vom 3. Februar 2000 hat der Beschwerdeführer "den jugosl. Staatsbürger Mica N. ... illegal von Österreich nach Deutschland" verbracht. Sie gibt aber keinen Aufschluss, worin die "Illegalität" des Verbringens bestanden bzw. welche Rechtsvorschriften Mica N. durch seine Ausreise aus Österreich verletzt haben soll.

Der Wortlaut der Strafverfügung legt zunächst nahe, dass die Behörde die Verletzung von deutschen Rechtsvorschriften vor Augen hatte; im Hinblick auf das oben 2.1. Gesagte kann dies nicht zu einer Passversagung führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0001).

Sollte hingegen gemeint sein, dass die - durch den Beschwerdeführer geförderte - Ausreise des jugoslawischen Staatsangehörigen Mica N. nach Deutschland gegen österreichische Rechtsvorschriften verstoßen habe, so vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass dies - in Ermangelung von Aussagen, welche österreichischen Rechtsvorschriften wodurch verletzt worden sind - für sich allein nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c PassG als verwirklicht anzusehen, zumal der vorliegende Fall durch den Umstand gekennzeichnet ist, dass der besagte jugoslawische Staatsangehörige mit einem österreichischen Aufenthaltsverbot belegt und daher zur Ausreise verpflichtet war.

Von daher steht die mit diesem Bescheid verfügte Entziehung des Reisepasses und des Personalausweises des Beschwerdeführers mit dem Gesetz nicht in Einklang.

3. Demzufolge war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 15. Juni 2004

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